H2-Ready-Kraftwerke:
Studie zeigt Herausforderungen und Lösungsansätze für die Umrüstung von Gaskraftwerken
Wasserstoff (H2) spielt im erneuerbaren Energiesystem eine wichtige Rolle zur Absicherung der Stromerzeugung. Neue und bestehende Kraftwerke müssen deshalb für den H2-Betrieb bereitgemacht werden. Sie sollen H2-Ready werden. Der Um- und Neubau von Kraftwerken, die mit 100 Prozent Wasserstoff betrieben werden können, birgt aber Herausforderungen. Außerdem ist H2-Readiness regulatorisch noch nicht eindeutig definiert. Zu diesen Erkenntnissen kommen Wissenschaftler:innen des Reiner Lemoine Instituts (RLI). Sie zeigen in einer aktuellen Studie, was H2-Ready für Gaskraftwerke technisch bedeutet, welche Maßnahmen für eine Umrüstung notwendig sind, welche Kosten entstehen und welche Rechtsvorschriften angepasst werden müssen. In 14 Kernaussagen formulieren sie Vorschläge für den klimafreundlichen Einsatz von H2 in der Stromerzeugung. Die European Climate Foundation hat die Studie gefördert.
Wasserstoffkraftwerke sollen künftig Energie bereitstellen, wenn Strom aus erneuerbaren Energien über einen längeren Zeitraum nicht verfügbar ist. Gasturbinen für einen 100-ProzentWasserstoffeinsatz in größeren Kraftwerken sind heute aber noch nicht kommerziell verfügbar. Sogenannte H2-Ready-Kraftwerke sollen zur Lösung beitragen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat in seinem „Rahmen für die Kraftwerksstrategie" angekündigt diese zu fördern – im Zeitraum 2024 bis 2026 mit einem Ausschreibungsvolumen von zehn Gigawatt (GW) und danach mit weiteren fünf GW für neue oder bestehende Gaskraftwerke. Sie sollen mit Erdgas und später mit grünem Wasserstoff betrieben werden. Bis spätestens 2035 müssen diese Kraftwerke komplett auf den Betrieb mit Wasserstoff umgerüstet werden.
Fehlende rechtliche Definition von H2-Ready erschwert Umsetzung
Wie die Studienergebnisse zeigen, gibt es aktuell noch keine rechtlich feststehende Definition, was H2-Ready für Kraftwerke bedeutet. Das erschwert die Planung solcher Anlagen. Ein klar definiertes Konzept der H2-Readiness kann einen zuverlässigen Rahmen für die Umsetzung von emissionsfreien H2-Kraftwerken bieten. Deutschland hat bislang nur eine implizite Definition im Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) eingeführt. Sie besagt, dass der Übergang zur 100prozentigen Wasserstoffnutzung für weniger als zehn Prozent der ursprünglichen Investitionskosten des Kraftwerks erreichbar sein muss. Bei der Definition sollte darauf geachtet werden, dass die tatsächliche Emissionsreduktion im Vordergrund steht.
„Eine pauschale, kostenanteilsbezogene Definition von H2-Ready wie im KWKG begünstigt Investitionen in kapitalintensivere Gas-und-Dampf-Kombikraftwerke (GuD). Die sind effizienter, laufen aber insbesondere als KWK-Anlagen oft viele Stunden im Jahr. Viele Betriebsstunden bedeuten einen hohen Wasserstoffbedarf. Das ist problematisch, da erneuerbarer Wasserstoff knapp sein wird. Typische Spitzenlastkraftwerke mit nur wenigen Volllaststunden sind meist Gasturbinenkraftwerke (GT). Mit dem kostenbezogenen Kriterium von zehn Prozent in der H2Ready Definition wären diese voraussichtlich kaum förderfähig", sagt Andreas Christidis, Projektleiter der Studie am RLI.
Umrüstung von H2-Ready zu H2 bedeutet Zeit- und Kostenaufwand
Die Wissenschaftler:innen kommen zu dem Ergebnis, dass die umfangreichsten Umrüstungsmaßnahmen das Brenngas- sowie das Gasturbinensystem betreffen. Die Kosten dafür liegen bei größeren GuD-Kombikraftwerken voraussichtlich unter zehn Prozent der Ausgangsinvestition. Für GT-Kraftwerke liegen sie wahrscheinlich deutlich höher. Der Umrüstbedarf von H2-Ready-Kraftwerken auf Wasserstoffbetrieb wird außerdem in einem kurzen Zeitfenster vergleichsweise hoch sein und die Kapazitäten bei Herstellenden begrenzt. Kraftwerksbetreibende sollten deshalb bereits heute die Umrüstung einplanen und Faktoren wie zum Beispiel den Platzbedarf für neue Komponenten berücksichtigen. Die Bundesregierung muss die Umrüstung außerdem verbindlich terminieren, um weitere Emissionen zu vermeiden.
Ohne grünen Wasserstoff kein emissionsfreies H2-Kraftwerk
Für die Dekarbonisierung der Stromerzeugung ist der Einsatz von erneuerbarem, also grünem Wasserstoff entscheidend. „Wird fossiler Wasserstoff eingesetzt, wie zum Beispiel blauer Wasserstoff aus Erdgas, sind Emissionen von H2-Kraftwerken ähnlich hoch wie bei heutigen Erdgaskraftwerken", sagt Anne Wasike-Schalling, wissenschaftliche Mitarbeiterin am RLI und verantwortlich für das Themenfeld Wasserstoff im Forschungsbereich Mobilität mit Erneuerbaren Energien. Ein 400 MW Kraftwerk benötigt pro Stunde über 700 MWh Wasserstoff – das entspricht zwölf großen H2-Lkw-Trailern. „Für den Erfolg der Dekarbonisierung brauchen wir deshalb die erforderlichen Mengen an grünem Wasserstoff. Das ist notwendige Bedingung und Herausforderung zugleich", so Wasike-Schalling. „Ein Anschluss der H2-Kraftwerke ans Wasserstoffkernnetz sowie dessen Belieferung mit grünem Wasserstoff sind essenziell."
Die Wissenschaftler:innen kommen auch zu dem Schluss, dass die benötigten Kapazitäten an H2-Kraftwerken kein starrer Wert sind und die Bundesregierung weitere Maßnahmen zur Stabilisierung des Energiesystems berücksichtigen muss. In einem Policy-Briefing formulieren sie 14 Kernaussagen mit Vorschlägen für den klimafreundlichen Einsatz von H2 in der Stromerzeugung.
Weiterführende Informationen:
- Studie & Policy Briefing
- Ergänzender Kurzbericht Thermische Kraftwerke im Energiesystem der Zukunft
- Mehr zum Projekt
Kontakt: Reiner Lemoine Institut gGmbH | presse@rl-institut.de | www.reiner-lemoine-institut.de
Technik | Energie, 30.11.2023
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