Klimaneutral bauen
Gesund und preiswert wohnen
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Klimaneutral im Neubau
Im Bereich Neubau bietet der Markt bereits viele Lösungen zur Herstellung einer guten Klimabilanz. Seit 2020 plant die HOWOGE nur noch Neubauten, die, wenn der Mieter sie optimal nutzt, nicht mehr als 7 kg CO2 pro Quadratmeter und Jahr verursachen. Die ersten klimaneutralen Gebäude hat die HOWOGE bereits 2019 in Berlin-Lichtenberg fertiggestellt. Für die gute Energiebilanz der beiden Achtgeschosser sind neben der klimafreundlichen Bauweise dezentrale Trinkwasserstationen, eine kontrollierte Wohnraumlüftung mit Wärmerückgewinnung sowie die hocheffiziente Photovoltaik-Anlage mit Batteriespeicher ausschlaggebend. Die Photovoltaikanlage erzeugt mehr Strom als im Gebäude benötigt wird. Durch einen Batteriespeicher im Erdgeschoss kann diese Energie zur Nutzung durch die Mieterinnen und Mieter vorgehalten werden. Damit ist es möglich, 70 Prozent des Gesamtstrombedarfs vor Ort zu decken, ohne dass Strom aus dem Netz der allgemeinen Versorgung bezogen werden muss. Trotz der hohen energetischen Anforderungen ist hier bezahlbarer Wohnraum entstanden: So sind 50 Prozent der 99 Wohnungen gefördert und werden zu Einstiegsmieten ab 6,50 Euro pro Quadratmeter vermietet. Für die übrigen Einheiten liegt der Quadratmeterpreis im Schnitt unter 10 Euro. Im Jahr 2020 wurde das Projekt mit dem Bundespreis „UMWELT & BAUEN – für nachhaltige Gebäude, Quartiere und ökologische Innovationen" ausgezeichnet.
Cradle to Cradle am Bau
Neben Faktoren wie Energietechnik, Wärmepumpen oder BHKWs spielt auch der Einsatz nachhaltiger Baustoffe eine Rolle. Bei Letzterem prüft die HOWOGE den ressourcenschonenden Cradle to Cradle-Ansatz (C2C), insbesondere bei den Fassadenelementen. „Wichtig ist, dass wir offen für verschiedene Bauweisen und Materialien bleiben, um flexibel auf die Entwicklungen des Marktes reagieren zu können. Die Holzpreise zeigen das deutlich", so HOWOGE-Geschäftsführer Ulrich Schiller. Aus diesem Grund fördert das Unternehmen die Entwicklung alternativer Baustoffe. Gemeinsam mit der TU Berlin, Transsolar Energietechnik und der Geithner Betonmanufaktur Joachimsthal erforscht die HOWOGE in einem von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderten Projekt, wie man Fertigteile aus Infraleichtbeton erstmalig im sozialen Mietwohnungsbau einsetzen kann. Das Besondere an diesem Baustoff: Er ist Tragwerk und Wärmedämmung in einem. Damit entfällt das Wärmedämmverbundsystem, das häufig aus erdölbasierten Kunststoffen besteht. Zum Einsatz kommen die Fassaden-Bauteile aus Infraleichtbeton perspektivisch in einem von acht Gebäudeteilen eines Hohenschönhausener Neubauprojektes.
Alternative Energieversorgung für ganze Quartiere
Was im Neubau schon fast zum Standard gehört, ist für den Bestand noch Zukunftsmusik: „Uns beschäftigt die Herstellung von Klimaneutralität im Bestand sehr. Mit dem Aufbringen weiterer Dämmung oder dem Einbau dreifach verglaster Fenster allein werden wir dieses Ziel nicht erreichen. Jede Wohnung mit Energietechnik wie im Neubau auszustatten, ist sehr aufwändig, derzeit nicht finanzierbar und in seiner Nachhaltigkeit umstritten", erklärt Schiller. „Vielmehr müssen Lösungen zur alternativen Energieversorgung ganzer Quartiere gefunden werden. Dies angesichts steigender Baukosten und ohne eine auskömmliche Umlage auf die Miete zu realisieren, ist zweifellos eine der größten Herausforderungen, vor der wir als Unternehmen stehen. Denn als landeseigene Gesellschaft unterliegen wir in erster Linie der Maxime, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und sind an klare Regularien hinsichtlich der Miethöhe gebunden. Die Durchschnittsmiete über den gesamten Bestand beträgt 6,25 Euro pro Quadratmeter."
Aktuell liegt der CO2-Ausstoß des HOWOGE-Bestandes bereits unter dem in der Klimaschutzvereinbarung mit dem Land Berlin vereinbarten Wert von 1,12 Tonnen und beträgt rund eine Tonne pro Wohnung und Jahr. Das entspricht einem CO2-Ausstoß von rund 16 Kilogramm pro Quadratmeter und Jahr – und das, obwohl die Gebäude größtenteils energetisch durchsaniert sind. An der Gebäudehülle selbst lassen sich laut Schiller kaum noch Effekte erzielen. Vielmehr sei die wichtigste Stellschraube, Primärenergie für Heizung und Warmwasser durch Alternativen zu ersetzen. „Dabei denken wir vom Einzelgebäude hin zum Quartier und suchen Lösungen für hunderte Wohnungen gleichzeitig. Für eine Siedlung prüfen wir zum Beispiel die Wärmerückgewinnung aus Abwasser, aber auch den Einsatz von Windkraftanlagen oder Wärmepumpen in Nullenergiehäusern, die ausschließlich mit grünem Strom versorgt werden, haben wir auf der Agenda. Das Angebot von Mieterstrom ist dabei ein wichtiger Baustein unserer Klimastrategie, ohne den wir die Anforderungen an Klimaneutralität nicht erfüllen könnten."
Mieterstrom als grundlegender Baustein der Klimastrategie

Es geht nur gemeinsam
Doch trotz aller innovativen Ansätze und Motivation: Am Ende des Tages werden die Wohnungsbaugesellschaften Klimaneutralität nicht allein stemmen können. „Um die Klimaziele umzusetzen, braucht es vor allem einen gesellschaftlichen Konsens und die Mitwirkung aller Akteure", unterstreicht Ulrich Schiller. „Wir können unsere Gebäude physikalisch CO2-neutral errichten oder alternative Angebote für Mobilität schaffen. Aber wenn die Bewohnerinnen und Bewohner trotz kontrollierter Wohnraumlüftung nachts bei offenem Fenster schlafen oder die geschaffenen Angebote nicht nutzen, erreichen wir die CO2-Neutralität nicht. Ich würde mir außerdem wünschen, dass auch die Immobilienbranche und die Politik ganzheitlicher denken – über ihren eigenen Bestand oder Wahlkreis hinaus. Das ist meines Erachtens der einzige Weg, bezahlbaren Wohnraum zu erhalten und gleichzeitig Energie- und Mobilitätskonzepte zu entwickeln, die für das Erreichen der Klimaschutzziele nötig sind."
Von Fritz Lietsch
Lifestyle | Einrichten & Wohnen, 01.03.2022
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2022 ist erschienen. Schwerpunkt: Energiewende - Was wäre, wenn? erschienen.

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