Hydrogen Dialogue 2024

Abschied vom Auto

Verkehrswende jetzt!

Allein der Straßenverkehr verursacht heute rund 20 % der deutschen Treibhausgasemissionen – mit steigender Tendenz. Dazu kommt, dass ein erheblicher Teil unseres Rohstoffverbrauchs, der chemischen Produktion, etc. auf das Auto als Massenverkehrsmittel zurückzuführen ist. Dem Ausstieg aus dem motorisierten Individualverkehr kommt deshalb eine Schlüsselrolle für die Klimapolitik insgesamt zu. Wenn wir den Klimawandel in kontrollierbaren Grenzen halten und in den kommenden Jahrzehnten CO2-neutral sein wollen, dann müssen wir unsere Vorstellungen vom „Mobilsein" tiefgreifend verändern.
 
Das Elektro-Auto beschleunigt den Klimawandel
Der Aussteig aus dem motorisierten Individualverkehr unabhängig vom Antrieb ist nicht nur aufgrund der Tatsache zwingend geboten, dass der Autoverkehr etwa 20 % zu den Kohlendioxid-Emissonen beiträgt, sondern auch, weil bereits die Produktion erhebliche Ressourcen verschlingt. © Pexels, pixabay.comDie Automobilkonzerne setzen, unterstützt von der Politik, auf ein „Weiter so" mit anderen Mitteln. Waren es nach der Debatte um das Kyoto-Protokoll noch der Diesel und die Biokraftstoffe, die angeblich das Klima retten sollten, so soll es heute das Elektroauto sein. Doch erneuerbare Energien stehen uns nicht in dem Maß zur Verfügung, dass sie auch noch diesen zusätzlichen Verbrauch abdecken könnten. Es ist schwierig genug, allein den derzeitigen Stromverbrauch (etwa 20 % unserer Endenergie) aus erneuerbaren Quellen zu bestreiten. Wollte man die gesamte Automobilflotte Deutschlands auf E-Autos umrüsten, so wäre dafür heute der Großteil des aus Wind- und Solaranlagen erzeugten Stroms nötig. In Zukunft werden wir zusätzlichen Strom für andere Anwendungen brauchen (etwa für Wärmepumpen zur Erzeugung von Raumwärme, für die Erzeugung von Wasserstoff, der als CO2-neutrale Alternative für viele industrielle Verfahren nötig sein wird). Das angeblich klimaneutrale E-Auto ist schlicht ein Märchen. Unterschlagen werden dabei die bereits mit der Produktion verbundenen Emissionen, die nicht in unserer Bilanz zu Buche schlagen, weil sie andernorts anfallen, zum Beispiel dort, wo die Batterien produziert und die Rohstoffe abgebaut werden. Unterschlagen werden die hohen CO2-Emissionen, die bei der Gewinnung und Verarbeitung der erforderlichen Rohstoffe (Aluminium, Kobalt, Lithium, seltene Erden ...) sowie der nachfolgenden E-Autoproduktion inklusive der Batterie anfallen. Allein die Produktion einer Batterie ist je nach Speicherkapazität für den Ausstoß von etwa 17 Tonnen Kohlendioxid verantwortlich. Die schwere Batterie wird durch Leichtbauweise, das heißt durch vermehrten Einsatz von Aluminium und Kohleverbundfasern, kompensiert, was einen zusätzlichen Energiebedarf nach sich zieht. Auch der Ausbau der entsprechenden Infrastruktur verschlingt erhebliche Ressourcen. Ein E-Auto muss erst etwa 80.000 km gefahren sein, um den ökologischen Nachteil bei der Produktion gegenüber einem vergleichbaren Diesel oder Benziner zu kompensieren. Lithium ist zudem ein sehr knapper Rohstoff, der natürlich bei Weitem nicht reicht, die eine Milliarde PKWs, die heute auf dem Planeten unterwegs sind, umzurüsten. Es geht allein deshalb um ein imperialistisches Projekt, um eine Alternative für höchstens eine kleine Elite in den reichen Industrieländern.
 
Auch andere alternative Antriebe wie E-Fuels oder Brennstoffzellen auf Wasserstoffbasis eignen sich vor allem aufgrund der schlechten Energiebilanz nicht zur Aufrechterhaltung des motorisierten Individualverkehrs.
 
Ausstieg aus dem Wahnsinn des motorisierten Individualverkehrs
Der Ausstieg aus dem motorisierten Individualverkehr ist kein Fernziel, wenn die Erde noch bewohnbar bleiben soll. Er muss bis spätestens 2050 abgeschlossen sein. Um dies sicherzustellen, dürfen ab 2035 keine PKWs mehr für den rein privaten Gebrauch zugelassen werden. Eine geringe Anzahl von Autos wird es weiterhin geben: als Einsatzfahrzeuge, als Betriebsfahrzeuge, als Taxis, für besondere Transportzwecke. Für diesen Bereich sind alternative Antriebe jenseits des Verbrennungsmotors natürlich sinnvoll und unvermeidlich. Bis dahin soll der Autoverkehr durch andere ordnungspolitische Maßnahmen, wie z. B. ein Verbot von SUVs, eingedämmt werden. Das hat natürlich auch eine drastische Reduktion der Autoproduktion zur Folge. Qualifizierte Facharbeiter der Automobilbranche werden zunächst dringend für den massiven Ausbau des öffentlichen Verkehrs benötigt. Mittelfristig ist Arbeitszeitverkürzung die angemessene Antwort auf den Rückgang der Produktion in diesem und anderen Bereichen.
 
Grundrecht Mobilität
Als Alternative muss der öffentliche Verkehr flächendeckend ausgebaut, rund um die Uhr gut getaktet und ticketfrei sein. Abgelegene Orte im ländlichen Raum können durch flexible Sammeltaxi-Systeme angeschlossen werden (Beispiel Schweiz!), es können kostengünstige Fahrten für Arztbesuche, Einkäufe oder zu Freizeiteinrichtungen und -events für Jugendliche angeboten werden. Eine zügige Umsetzung des Nulltarifs für den ÖPNV lässt sich ohne Weiteres gegenfinanzieren, allein durch den Abbau umweltschädlicher Subventionen. Darüber hinaus können solidarische Finanzierungsmodelle (Nahverkehrsumlage) erprobt werden.
 
Wir sind uns aber dessen bewusst, dass das Verkehrsaufkommen, wenn es allein durch öffentliche Verkehrsmittel bestritten werden soll, insgesamt erheblich reduziert werden muss und dass wir auch ein anderes Verhältnis zur Mobilität gewinnen müssen. Eine Städte- und Raumplanung, die Distanzen verkürzt und eine stärkere Verbindung von Arbeiten, Wohnen, Freizeitmöglichkeiten und Konsum bilden mittelfristig eine große Herausforderung.
 
Güterverkehr reduzieren und verlagern
Das heutige Güterverkehrsaufkommen kann nicht einfach eins zu eins auf die Schiene verlagert werden. Es muss insgesamt erheblich reduziert werden. Der Warenverkehr quer über den ganzen Kontinent hat vor allem seit Schaffung des EU-Binnenmarktes absurde Ausmaße angenommen. Alle Anstrengungen, regionale Wirtschaftskreisläufe und eine Güterversorgung im Nahbereich zu verstärken, werden dadurch erheblich erschwert. Dennoch sind jetzt schon alle ordnungspolitischen Maßnahmen auszuschöpfen, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten (Nachtfahrverbot für LKWs und andere Auflagen ...). Für die Verlagerung des Transports auf die Schiene ist eine Ertüchtigung bestehender, die Reaktivierung stillgelegter und der Ausbau neuer Bahnstrecken nötig.
 
Kontakt: Bruno Kern, Netzwerk Ökosozialismus | fackelkraus@gmx.dewww.oekosozialismus.net

Technik | Mobilität & Transport, 07.09.2020

     
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