BIOFACH 2025

Raus aus der Nische

Das Netzwerk LABL hat eine App entwickelt, um Verbraucher und die ökologischen Betriebe zu vernetzen

Ein junges Frankfurter Start-up-Unternehmen will nachhaltige Betriebe im Nahbereich sichtbar machen
 
Eigentlich ist es kein Geheimnis mehr: Das Geschäft mit ökologischen Produkten und Bio-Lebensmitteln boomt. Ein Blick in die Zeitungen, Magazine oder auf sozialen Plattformen zeigt: Es gibt kaum eine Stadt, in der in den letzten Jahren nicht mindestens ein vegetarisches Café oder Bio- Fairtrade-Modegeschäft eröffnet hat.
 
Die Kunden müssen oft lange suchen, bis sie die Läden finden, in denen es die gewünschten Sachen gibt. Das muss sich ändern, dachte die Start-up-Gründerin Marlene Haas, und gründete »Lust auf besser leben« (LABL). © LABLDoch ein Problem scheint es gleichwohl zu geben: Die Betreiber gleichen vielerorts einsamen Wölfen. Auf sich allein gestellt, versuchen sie ihre nachhaltige Ware an die Frau und den Mann zu bringen. Und die Kunden müssen oft lange suchen, bis sie die Läden finden, in denen es das gewünschte ökologisch unbelastete Bio-Obst, die sauber hergestellt Ledertasche oder die fair produzierte Kinderkleidung zu kaufen gibt.
 
Lokale Gemeinschaften
Das muss sich ändern, fand die Start-up-Gründerin Marlene Haas, und gründete »Lust auf besser leben« (LABL). Ihr Ziel: Bürgern und nachhaltigen Kleinstbetrieben die Möglichkeit zu geben, miteinander in Kontakt zu treten und sich durch eine lokale Gemeinschaft in ihrer Stadt zu vernetzen. »Wir sind immer noch in einer Art Pilotphase, aber das Netzwerk wächst«, erzählt Marlene Haas stolz.
 
Was nützt es mir, wenn ich in der Nachbarschaft Biogemüse und Schuhe aus der Fairtrade-Produktion habe, davon aber nichts weiß? Auch hier will LABL nützlich sein und vernetzen. Damit Verbraucher und Betriebe sich schneller finden, entwickelte Marlene Haas mit ihrem dreiköpigen Team eine App. »Um sich in unserer App registrieren zu können, muss man mindestens ein nachhaltiges Produkt haben«, erklärt die 24-jährige Unternehmerin die Voraussetzungen. »Will man aktives Mitglied im LABL-Netzwerk werden, muss man sich allerdings auch auf den Prozess der Nachhaltigkeitsentwicklung einlassen.« Das Interesse ist jedenfalls da, sagt sie, derzeit sind es gerade 38 Betriebe, mit denen das dreiköpige Team demnächst die Nachhaltigkeitsentwicklung durchführen will.
 
'Was nützt es mir, wenn ich in der Nachbarschaft Biogemüse und Schuhe aus der Fairtrade-Produktion habe, davon aber nichts weiß?' © LABL Mit dem Thema Nachhaltigkeit hat sich Marlene Haas schon früh beschäftigt. Nach ihrer Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau gründete sie »KULTpour«, eine Veranstaltungsagentur mit dem Fokus auf Projekte in den Bereichen ökologische und soziale Nachhaltigkeit. Die Idee für LABL kam ihr im Jahr 2013, als sie für den Heldenmarkt in Frankfurt, einer Verbrauchermesse für nachhaltigen Konsum, nach passenden Ausstellern suchte. Dort merkte sie, wie viele Betriebe es bereits in der Region gibt, die nachhaltige Produkte in ihrem Sortiment haben. Das Problem war: Sie waren nicht so einfach zu finden.
 
Das und die Beobachtung, dass das Bewusstsein für nachhaltigen Konsum in der Gesellschaft wächst und die Nachfrage nach ökologischen Produkten aus der Region steigt, brachte Marlene Haas auf die Idee, eine Plattform zu gründen, auf der beide Seiten, regionale Kleinbetriebe sowie Bürger, einander begegnen können.
 
Nachhaltigkeit sichtbar machen
Entwicklung, Vernetzung und Öffentlichkeit – das bietet LABL jenen Betrieben an, die sich bei ihnen als Mitglieder registrieren. Im Bereich »Entwicklung« enthalten sind beispielsweise der Selbstcheck sowie individuelle Workshops. »Beim Nachhaltigkeits-Selbstcheck schauen wir uns gemeinsam mit den Betrieben an: Was ist an meinem Produkt oder in meinem Betrieb nachhaltig oder was kann ich noch verbessern?« erklärt die LABL-Gründerin. Im Anschluss werden die Ergebnisse auf einem Nachhaltigkeitswürfel plastisch dargestellt.
 
Die Betriebe haben dann die Möglichkeit, diesen in ihrem Laden oder Betrieb sichtbar zu platzieren und die Kunden auf diese Weise zu informieren, welche Produkte nachhaltig sind und warum. »Der Würfel ist ein Spiegel der Nachhaltigkeit in diesem Betrieb«, erklärt sie. Diese Transparenz könne zu einem größeren Vertrauen zwischen Geschäftsinhabern und Kunden beitragen.
 
Öko-Bewusstsein am Stammtisch schaffen
Entwicklung, Vernetzung und Öffentlichkeit – das bietet LABL jenen Betrieben an, die sich bei ihnen als Mitglieder registrieren. © LABL Für mehr Transparenz sollen auch Veranstaltungen sorgen, bei denen Verbraucher die Möglichkeit bekommen, in einem Betrieb auch hinter die Kulissen zu schauen. So lud Marlene Haas zuletzt interessierte Bürger in die Werkstatt von Joel Fourier ein, einem Taschendesigner in Frankfurt-Bockenheim. »Dort konnten die Besucher sehen, warum das Produkt von Joel nachhaltig ist«, erzählt die gebürtige Frankfurterin: Der Designer entwirft Ledertaschen, das Leder stammt ausschließlich aus nachhaltiger Produktion: Es wird mit pflanzlichen Stoffen gegerbt; und auch für die Färbung werden nur bio-zertiizierte Farbstoffe verwendet.
 
Ein weiterer Schritt für eine bessere Vernetzung ist die Organisation von Stammtischen. »Bisher hatten wir uns mehr auf die Betriebe fokussiert, jetzt wollen wir ein Pendant für die Bürger schaffen«, erklärt Marlene. Bei Bürgerstammtischen soll den Bürgern mehr Raum gegeben werden für Fragen: »Denn wenn jemand einfach nicht weiß, warum er den Müll trennen soll«, sagt sie, » dann weiß er es eben nicht. Dann kann man ihn informieren, ohne ihm vorzuwerfen: Wie, das weißt du nicht?«
 
Erst der Anfang
Bisher ist das Netzwerk LABL nur in Frankfurt aktiv. »Doch wir hatten auch schon Anfragen aus verschiedenen Städten«, verrät Marlene Haas. Sobald die Pilotphase abgeschlossen ist, will sie ihre Geschäftsidee auch in anderen Städten realisieren. »Doch das ist noch in weiter Ferne«, gesteht die Unternehmerin, und es ist noch einiges zu tun. So ist auch die Frage der Finanzierung nicht vom Tisch. Derzeit wird ihr Projekt über die EU-Initiative »Climate KIC« gefördert, ab Januar soll ein Teil der Ausgaben über die Mitgliedschaftsbeiträge inanziert werden. Da aber die Idee ist, dass jeder Betrieb die Höhe des Betrags selbst festlegen kann, bedarf es weiterer Einnahmequellen. So arbeiten die Organisatoren an einer Art »soziales« Payback-System –so der provisorische Arbeitstitel.
 
Die Idee: Der Kunde kauft ökologisch und sozial nachhaltige Produkte aus der Region, durch das Payback-System fließen Cent-Beträge in eine Gemeinschaftskasse, aus der weitere Projekte und Veranstaltungen für die LABL-Mitglieder inanziert werden können. Auf diese Art würde sich der Kreislauf schließen und eine Win-Win-Situation für alle geschaffen. »Im Moment konzentrieren wir uns noch darauf, dass unser Konzept funktioniert und dass wir durch unsere Arbeit Nachhaltigkeit wirklich greifbar machen«, betont sie. Mit ihrer Geschäftsidee hat die Start-up-Gründerin den Nerv der Zeit getroffen. Der Wunsch nach mehr lokaler Vernetzung von ökologischen und sozialen Produkten findet auch in weiteren Projekten Ausdruck.
 
So etwa im Verein »Taste of Heimat«, zu deren Team Valentin Thurn zählt, der in seiner Dokumentation »Taste the Waste« die enorme Lebensmittelverschwendung unserer Gesellschaft thematisierte. Während dieser Verein die Vernetzung zwischen Verbrauchern und regionalen Lebensmittelproduzenten stärken will, werden bei LABL jedoch alle nachhaltigen Produkte aufgelistet. Dass das Bewusstsein für Nachhaltigkeit groß ist und die Zahl an ökologisch bewussten Produkten und Betrieben, die sie anbieten, steigt, ist nicht zu übersehen: Allein in Frankfurt sind es laut der LABL-App über 200 lokale Betriebe. Da gibt es noch viel zu vernetzen. //
 
 
Julia Herz-el Hanbli lebt und arbeitet als Journalistin, Autorin und Bloggerin in Mainz.

Gesellschaft | WIR - Menschen im Wandel, 01.01.2015
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