Wirksam sanieren

Ist nicht immer der Fall. Warum, klärt jetzt ein Forschungsprojekt.

Wirksam sanieren …
… wollen Eigenheimbesitzer und Mieter, um die steigenden Ausgaben für Energie in den Griff zu bekommen, Politiker, um die CO2-Emissionen zu senken und so die Klimaschutzziele zu erreichen. Doch nicht immer geht die Rechnung auf. Woran das liegt, klärt seit September 2014 ein deutschlandweit einmaliges Forschungsprojekt.
 
Eigenheimbesitzer und Mieter wollen wirksam sanieren © isofloc Wärmedämmtechnik GmbH
In den vergangenen Monaten wurden dazu in ganz Deutschland 180 Ein- und Mehrfamilienhäuser begutachtet, in denen die Wärmedämmung verbessert oder der Heizkessel erneuert wurde. Wärmedämmung und Heizkessel haben sich die Forscher herausgepickt, weil sie zu den gängigsten Maßnahmen zählen, um in bestehenden Gebäuden für mehr Energieeffizienz zu sorgen. So sind viele Hauseigentümer inzwischen verpflichtet, ihre mehr als dreißig Jahre alten Heizkessel auszutauschen und die oberste Geschossdecke zu dämmen.
Ziemlich eindeutig sind die Zahlen, die Hauseigentümern und Politikern zu Kosten und Emissionen vorliegen. Rund 85 Prozent der Energiekosten entfallen in einem durchschnittlichen Haushalt auf Heizung und Warmwasser. Etwa 1.000 Euro pro Jahr werden laut bundesweitem Heizspiegel 2014 im Schnitt für eine 70 Quadratmeter große Wohnung fällig. Um 58 bis 94 Prozent (Erdgas/Heizöl) sind diese Kosten in den vergangenen zehn Jahren gestiegen. Entsprechend groß ist das Interesse an der effizienteren Nutzung von Heizenergie für die eigenen vier Wände; auch von Seiten der Politik. Bis zum Jahr 2050 will die Bundesregierung einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand erreichen. Im Fokus stehen dabei die vorhandenen Gebäude. Denn 75 Prozent des Bestandes sind älter als dreißig Jahre und entsprechend wenig energieeffizient. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müssten laut Bundesregierung jährlich etwa doppelt so viele Häuser energetisch saniert werden als bisher.
 
Dreiklang für wirksames Sanieren: Rate, Tiefe und Wirkung
Irgendwann heisst es Abschied nehmen vom alten Heizkessel. Dem Klima zuliebe. © Alois Müller, www.co2online.deDie Sanierungsquote ist nur einer von mehreren Bausteinen für mehr Energieeffizienz. Die Sanierungstiefe beschreibt den Umfang einer Sanierung, also ob es sich um eine einzelne Maßnahme wie einen Kesseltausch handelt oder ob mehrere Maßnahmen miteinander kombiniert werden, zum Beispiel Kesseltausch und Dämmung der Kellerdecke. Das kann wiederum in einem Rutsch geschehen oder schrittweise, beispielsweise mit einer Maßnahme pro Jahr. Immerhin zeigen viele Energieberater mit einem „Sanierungsfahrplan" bereits Wege zu mehr Sanierungstiefe auf. Die Bundesregierung hat die Idee inzwischen aufgegriffen und den zweiten Baustein so zumindest im Blick. Schlechter ist es um den dritten Baustein bestellt: die Sanierungswirkung. Wie viel eine energetische Sanierung tatsächlich bringt, spielt bei den politischen Zielen nur eine untergeordnete und bei der Förderung gar keine Rolle. Dabei ist das Potenzial der Sanierungswirkung groß, wie die ersten Ergebnisse des Forschungsprojekts zeigen. Laufen Heizkesseltausch und Dämmung optimal, ist im Schnitt eine zusätzliche Ersparnis von 25 bis 30 Kilowattstunden (kWh) pro Quadratmeter und Jahr möglich. Wird nur gedämmt, sind 15 bis 20 kWh weniger möglich.
 
Vier Gründe für weniger wirksame Sanierungen
Neben den Zahlen haben die Experten auch schon einige Ursachen für ausbleibenden Sanierungserfolg ausgemacht. Ganz oben auf der Liste steht die „zu gute" Ausgangslage des sanierten Objekts. Das heißt: Der Zustand des Gebäudes war vor der Sanierung besser als gedacht oder der Energieverbrauch niedriger als berechnet. Die Folge: Unpassende Maßnahmen werden ausgewählt oder deren Sparpotenziale überschätzt. Eine weitere Ursache ist fehlerhaftes Nutzerverhalten: Wer energetisch saniert, muss für ein optimales Ergebnis sein Verhalten anpassen, zum Beispiel anders lüften und keine höheren Heiztemperaturen wählen als vor der Sanierung. Die falsche Einstellung der neuen Heizregelungstechnik kann ebenfalls dazu führen, dass das technisch mögliche Potenzial nicht ausgeschöpft wird: Gibt es Änderungen bei Heizkessel oder Dämmung, dann ist die Heizregelung anzupassen und auf das Nutzerverhalten abzustimmen, vor allem auf die An- und Abwesenheit der Bewohner. Die vierte zentrale Ursache ist die ausbleibende Optimierung der Wärmeverteilung. Denn entscheidend ist nach einer Sanierung nicht nur die Regelung im Heizungskeller, sondern auch die optimale Einstellung aller Heizkörper. Aus den Ursachen haben die Experten für wirksames Sanieren auch schon einige Vorschläge abgeleitet, um zukünftig das volle Potenzial zu erschließen. Eigentümer, die eine energetische Sanierung planen, können diese Tipps schon jetzt nutzen.
 
Worauf Hauseigentümer bei energetischen Sanierungen achten sollten
  • Eine Funksteuerung für Thermostate und Heizanlagen kann die Energieeffizienz nachhaltig verbessern. © K&PTipp Nr. 1 ist die qualifizierte Energieberatung vor und während des Vorhabens. Nicht nur bei der Planung spielt die Energieberatung eine entscheidende Rolle, beispielsweise beim Beurteilen des Gebäudezustands und der davon abhängenden Auswahl passender Maßnahmen; optimalerweise gemäß Verbrauchs- statt Bedarfsrechnung. Auch bei der Ausführung und zum Abschluss der energetischen Sanierung können Energieberater helfen: indem sie auf handwerkliche Qualität achten und Tipps zum richtigen Nutzerverhalten geben. Familie Rieck hat sich beispielsweise für die energetische Sanierung ihres Bauernhauses von einem erfahrenen Architekten beraten lassen, der dann auch das gesamte Baugeschehen begleitete.
  • Der zweite Tipp zielt darauf ab, die handwerkliche Qualität energetischer Sanierungen zu steigern. Damit ließen sich mindestens zwei der vier zentralen Ursachen beseitigen: die falsche Heizungseinstellung und die schlechte Wärmeverteilung. Beides wird mit einem hydraulischen Abgleich der Heizungsanlage vermieden. Doch nicht alle Handwerker bieten diese Dienstleitung an. Ändern ließe sich das nach Ansicht der Sanierungsexperten, indem Handwerker noch besser geschult würden. Die Qualität ließe sich zudem dadurch sichern, dass erfahrene Handwerker oder Energieberater die Arbeiten beaufsichtigen.
  • Drittens empfehlen die Experten ein regelmäßiges Moni­toring und Feedback zum Energieverbrauch – und zwar vor und nach der Sanierung. Vorher hilft das kontinuierliche Sammeln und Auswerten der Verbrauchsdaten, passende Maßnahmen auszuwählen und das Sparpotenzial realistisch einzuschätzen. Nachher lassen sich mit den Daten nicht nur Heizungsregelung und Wärmeverteilung optimieren. Auch der Erfolg der energetischen Sanierung kann so geprüft werden, also ob die Maßnahme tatsächlich gebracht hat, was zuvor kalkuliert wurde. Geprüft werden kann so auch das Nutzerverhalten. Beim Anpassen des Verhaltens der Bewohner an die neue Technik hilft Feedback durch Monitoring-Werkzeuge wie das Energiesparkonto. Mit dem kostenlosen Onlineangebot lassen sich Daten zum Energieverbrauch sammeln und in Form übersichtlicher Grafiken auswerten, auch per App für Android und iOS. 
Eine perfekt abgestimmte Haustechnik ist der beste Garant für höchstmögliche Energieeffizienz. © Viessmann Werke GmbH & Co. KGWas Politiker und Handwerker für mehr Energieeffizienz tun können Aus den Tipps und Vorschlägen ergeben sich erste Empfehlungen an die Verantwortlichen in Politik und Handwerk, um für mehr Energieeffizienz im Gebäudebereich zu sorgen. Im Mittelpunkt stehen dabei Qualitätssicherung und Monitoring. Um die Qualität energetischer Sanierungen zu sichern, könnte die Förderung von Maßnahmen mit einem Erfolgsnachweis verknüpft werden. Denkbar wäre beispielsweise, die Höhe der Förderung an den Sparerfolg zu knüpfen: Je mehr eingespart wird, desto größer fällt die Förderung aus. Das würde zusätzliche Anreize für Hauseigentümer, Energieberater und Handwerker schaffen.
Für die neue Energieeinsparverordnung (EnEV) wünschen sich die Sanierungsexperten zwei Dinge: Der hydraulische Abgleich für eine optimale Heizungsregelung und Wärmeverteilung sollte Pflichtaufgabe sein. Außerdem wäre eine Zusammenführung von EnEV und Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz (EEWärmeG) wünschenswert, um energetische Sanierungen zu erleichtern. Für das Handwerk wird eine Verbesserung der Qualitätssicherung in der Aus- und Weiterbildung angeregt, insbesondere zum Thema hydraulischer Abgleich. Zum Monitoring gibt es zwei Empfehlungen: die flächendeckende Einführung von Smart Meter für Erdgas und Fernwärme und den werkseitigen Einbau von Wärmemengenzählern in Heizkesseln, zum Beispiel via EU-Ökodesign-Richtlinie 2018.
 
Partner für mehr Energieeffizienz gesucht – Fachgespräche und Kampagne
Die Ergebnisse des vom Bundesumweltministerium geförderten Sanierungstests mit 180 Ein- und Mehrfamilienhäusern werden derzeit von co2online gemeinsam mit Fraunhofer ISE und dem Institut für energieoptimierte Systeme (EOS) Ostfalia ausgewertet. co2online bereitet außerdem die nächsten Schritte vor, um die Sanierungswirkung zu erhöhen: Mit Partnern aus Politik, Industrie, Handwerk, Verbänden sowie Wissenschaft und Forschung sollen weitere Vorschläge erarbeitet und die Umsetzung vorbereitet werden. Außerdem plant die gemeinnützige Beratungsgesellschaft eine dialogbasierte Kommunikationskampagne, die sich vor allem an Hauseigentümer und Experten wie Energieberater, Architekten, Planer und Handwerker richtet.
 
Weitere Informationen finden Sie unter www.wirksam-sanieren.de.

Technik | Green Building, 01.07.2015
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2015 - Jahr des Bodens erschienen.
     
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