Ein Prämienmodell gegen die fossile Zeitbombe

Neues Instrument zur Finanzierung der energetischen Gebäudemodernisierung

Zugegeben, der Zeitpunkt, eine neue Umlage im Energiebereich zu fordern, ist nicht ideal - die EEG-Umlage ist heiß umkämpft, die Diskussion um steigende Strompreise kocht in den Medien immer wieder hoch. Dennoch: Auf dem Wärmemarkt bzw. bei der Energieeffizienz von Gebäuden muss weit mehr passieren als bisher. Die Heinrich-Böll-Stiftung, das Forum-Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) und UnternehmensGrün schlagen daher gemeinsam ein neues Instrument zur Finanzierung der energetischen Gebäudemodernisierung vor.

Zur Finanzierung der energetischen Gebäudesanierung schlagen einige Institute jetzt ein neues Instrument vor.
Foto by pixabay.com
Warum ein Prämienmodell?

Gebäude sind nach wie vor für 40 Prozent des Endenergieverbrauchs und ca. 20 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. Tempo und Qualität der energetischen Gebäudemodernsierung zu erhöhen ist deshalb entscheidend für den Erfolg der Energiewende. Gegenwärtig liegt die Sanierungsrate bei unter einem Prozent, notwendig sind mindestens zwei Prozent im Jahr. Der Anteil erneuerbarer Energien auf dem Wärmemarkt lag 2011 bei elf Prozent - gegenüber ca. 25 Prozent der Erneuerbaren auf dem Strommarkt. Beim gesamten Energieverbrauch fällt aber Wärme viel stärker ins Gewicht als Strom. Und das hat Konsequenzen: Je länger man bei der Gebäudemodernisierung und bei erneuerbarer Wärme mit den Investitionen wartet, desto mehr steigen die Kosten für die notwendigen Maßnahmen.

Sauberer Brennstoff statt Sozialer Brennstoff

Investitionen in Gebäudeeffizienz sind aber auch eine Absicherung gegen langfristig steigende Preise für Öl und Gas. Die Preise für Gas sind zwischen 2003 und 2012 um knapp die Hälfte (46 Prozent) gestiegen, für flüssige Brennstoffe um das Anderthalbfache (146 Prozent). Prognosen sagen weitere Kostenexplosionen bei fossilen Energieträgern voraus. Das birgt erheblichen sozialen Sprengstoff - denn gerade Personen einkommensschwacher Haushalte leben häufig in unsanierten Wohnungen. Deutschland braucht also ein Instrument, das fossile Energieträger aus dem Markt zu drängen hilft und zugleich sowohl die Energieeffizienz von Gebäuden als auch die regenerative Wärmeerzeugung fördert.

Wie funktioniert es?

Die ca. 1.000 Großhändler von Erdgas und Heizöl werden verpflichtet, eine Umlage auf ihre Ware zu erheben (zur Umlagehöhe s.u.). Sie können und werden diese Umlage an ihre Kunden weitergeben. Aus der Umlage wird ein "Fördertopf" gespeist. Daraus hat jeder Gebäudebesitzer, der seine Wohnung oder gewerblich genutzten Räume energetisch saniert, Anspruch auf Förderung seiner Investition. Die Förderung entspricht der schnellen Umsetzbarkeit halber dem, was derzeit von den KfW-Gebäudesanierungsprogrammen und vom MAP gefördert wird. Die Förderkataloge kann man im Laufe der Zeit der technologischen Entwicklung oder politischen Vorgaben anpassen.

Die Umlage zahlt der Gebäudeeigentümerin. Die Eigentümerin kann die Wärmeumlage an die Mieter weiterreichen, wenn sie nachweisen kann, dass ihre Wohnung anspruchsvollen energetischen Standards genügt. Sie ist dann wegen der Heizkostenersparnis vergleichsweise niedrig.

Gebäudebesitzer profitieren somit von den Investitionskostenzuschüssen, sobald sie sanieren. Die Umlage finanzieren also in erster Linie diejenigen, die am energetischen Zustand der Gebäude etwas ändern können. Damit erhöht sich der Sanierungsanreiz für den Gebäudeeigentümer, während gleichzeitig die Mieter bis zur endgültigen Sanierung nicht von den erhöhten Energiekosten betroffen sind. Nach der Sanierung profitiere die Mieter vom wesentlich niedrigeren Energieverbrauch.

Für einkommensschwache Haushalte können selbst geringe Preisaufschläge zum Problem werden - das sollten weitere Instrumente abfedern. ALG II-Bezieher wären allerdings von höheren Heizkosten nicht betroffen. Zur weiteren Abfederung der Energiekosten für einkommensschwache Haushalte könnte beispielsweise der Heizkostenzuschusses beim Wohngeld wieder eingeführt oder das Wohngeld erhöht werden.

Was leistet das Modell?

Das Prämienmodell garantiert als haushaltsunabhängige Finanzierung verglichen mit anderen Instrumenten die größte Investitionssicherheit. Denn anders als bei der Finanzierung der KfW-Programme aus dem Bundeshalt oder aus dem Energie- und Klimafonds ist bei diesem "Topf" sichergestellt, dass der Geldfluss nicht plötzlich mitten im Jahr versiegt. Nur wenn Anlagen- und Dämmstoffhersteller, Handwerksbetriebe und Planungsbüros sich auf stabile Rahmenbedingungen verlassen können, werden sie genügend in den Ausbau ihrer Kapazitäten, in Qualifikation und Innovation investieren. Die Investitionssicherheit war auch einer der entscheidenden Faktoren, warum das EEG den Ausbau der erneuerbaren Stromerzeugung derart rasant vorantreiben konnte. Das Prämienmodell zieht aber eine wesentliche Konsequenz aus der aktuellen Diskussion um das EEG: Durch festgelegte Investitionskostenzuschüsse, die einmalig gezahlt werden, wird verhindert, dass ein "Kostenrucksack" entsteht.

Unser Modell ist außerdem in der Lage, auch bei einem geringen Preiseffekt für den einzelnen Zahler relativ große Fördersummen zu generieren: FÖS e.V. hat den Fall berechnet, dass 2,7 Mrd. Euro umgelegt werden. Unter dieser Annahme würden sich die Preise für private Haushalte - die die Umlage nur zahlen, wenn die Hausbesitzerin saniert hat - um ca. drei Prozent (Erdgas) bzw. sechs Prozent (Heizöl) erhöhen. Für eine 100m²-Mietwohnung mit 4-Personen-Haushalt würde die Umlage von 0,24 Ct/kWh auf Erdgas einen monatlichen Beitrag von durchschnittlich drei Euro bedeuten, die Umlage von 6 Ct/l auf das klimaschädlichere Heizöl wären mit monatlich acht Euro etwas höher. Das sendet zugleich die richtigen Preissignale: Der moderate Aufschlag auf fossile Brennstoffe ist sozusagen ein Vorgriff auf künftige Preissteigerungen und wirkt als Anreiz zum Energiesparen.

Die Heinrich-Böll-Stiftung, FÖS e.V. und UnternehmensGrün sind der Meinung, dass das Prämienmodell eine Reihe Vorteile nicht nur gegenüber derzeitigen Finanzierungsinstrumenten, sondern auch gegenüber anderen neuen Ideen hat: Gegen ein verschärftes Ordnungsrecht (z.B. eine verbindlichere Energieeinsparverordnung oder eine Sanierungspflicht) spricht, dass bereits das jetzige Ordnungsrecht mit einem erheblichen Vollzugsdefizit zu kämpfen hat und außerdem keine positiven Anreize bietet. Das Prämienmodell hingegen belohnt die Investitionswilligen. Eine gebäudebezogene Klimaabgabe würde hingegen eine umfassendes Gebäudekataster voraussetzen und damit auf die lange Bank geschoben.

Die Voraussetzungen für die Umsetzung des Prämienmodells sind unter den Bedingungen der großen Koalition nicht eben rosig. Wir verstehen unseren Vorschlag als einen Beitrag, den Herausforderungen der energetischen Gebäudemodernisierung tatsächlich gerecht werden. Und daran werden sich alle Vorschläge am Ende messen lassen müssen.
 
 
Von Sabine Drewes

 

Im Profil

Sabine Drewes ist Referentin für Kommunalpolitik und Stadtentwicklung bei der grün-nahen Heinrich-Böll-Stiftung. Sie möchte dazu beitragen, dass Städte immer mehr zu Laboratorien für eine lebenswerte Zukunft werden.

Hier erhalten Sie das Prämienmodell zum Download.

Quelle:
Technik | Green Building, 26.11.2013

     
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