Der Weg zur Klima-Stadt

Klimaschutz als Stadtplaner

Der Trend zur Urbanisierung hält an. Städte sind deshalb wichtig, um die Klimaziele von EU und Bundesregierung zu erreichen. Mit ihrem Engagement stärken sie gleichzeitig ihre Wettbewerbsfähigkeit.

Grüner wohnen in der Stadt: Hängende Gärten und innovative Energiekonzepte schonen Bewohner und Klima - hier zu sehen am Konzept der "Vincent Callebaut Architects" für ein Hochhaus in Mexico City.
Foto: © Vincent Callebaut Architectures, www.vincent.callebaut.org
Die "20-20-20"-Klimaschutzziele der EU von 2007 sind ehrgeizig. Auf der Agenda steht
  • die Treibhausgasemissionen (THG) in CO2-Äquivalenz bis zu 20 Prozent gegenüber dem Niveau von 1990 zu senken,
  • einen Anteil der erneuerbaren Energien von 20 Prozent am Energieverbrauch zu erreichen und
  • die Energieeffizienz des Primärenergieverbrauchs zu verbessern - um 20 Prozent gegenüber den "business-as-usual"-Prognosen.
Die deutschen Klimaschutzziele lesen sich noch ambitionierter: Die Bundesrepublik beschloss im Kontext des Atomausstiegs bis 2022 die sogenannte "kleine Energiewende": Bis 2020 eine Reduktion der THG-Emissionen um 40 Prozent - bezogen auf das Basisjahr 1990. Erneuerbare Energien sollen bis 2020 sogar 35 Prozent des Energieverbrauchs decken.

In Städten entsteht der Großteil der CO2-Emissionen, verursacht durch Produktionsprozesse, in Gebäuden sowie durch den Verkehr. Viele Städte haben das Problem erkannt und sich im europäischen Konvent der Bürgermeister sowie im Klima-Bündnis der europäischen Städte zusammengeschlossen. Sie haben sich Ziele zur Senkung des CO2-Ausstoßes gesetzt, die teils über die europäischen Vorgaben hinausgehen. Das ist sehr ambitioniert, denn viele entscheidende Hebel für die entsprechenden Weichenstellungen liegen nicht direkt im städtischen Hoheitsbereich.

Passivhäuser senken Energieverbrauch

Städte haben gute Voraussetzungen für Klimaschutzmaßnahmen: Gerade hier sind sonst teure Infrastrukturen wie Fernwärme- und Gasnetze (die als Brückentechnologien der Energiewende gelten) oft bereits vorhanden. Der Verbrauch sinkt, wenn Städte noch stärker energetisch sanieren, z.B. mit effizienten Heizungsanlagen, energiesparenden Fenstern und Dämmung im Bestand in Richtung Passivhausstandard. Und sie können ihre Bürger noch stärker zu verbrauchsorientiertem Verhalten (z.B. kontrolliertes Lüften) bewegen.

Unabhängig im Umland: Auf einem alten Fabrikgelände in der Nähe von Tokio entsteht eine intelligente Musterstadt, Fujisawa Sustainable Smart Town. Mittels Solarenergie, Brennstoffzellen und unter Einsatz eines intelligenten Stromnetzes ("Smart Grid") wollen die Ingenieure von Panasonic den CO2-Ausstoß um bis zu 70 Prozent verringern.
Foto: © Panasonic
Einerseits gibt es auch im städtischen Bereich verstärkt Prosumenten (produzierende Konsumenten), die mit ihren Mini-Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen oder Photovoltaik-Anlagen Strom in die Netze einspeisen. Andererseits führen die EEG-Umlage und die Eigentumsstruktur in deutschen Städten - es gibt mehr Mieter als Eigentümer - dazu, dass mehr Geld aus den städtischen Regionen (von den Mietern) in die ländlichen Regionen (zu den Eigentümern von Erneuerbare-Energien-Anlagen) fließt.

Die deutschen Städte stehen untereinander im Wettbewerb um Unternehmen, Investitionen, kluge Köpfe und Ideen. Ihre Attraktivität bestimmt sich durch die Wirtschaftskraft, die Umweltqualität und das urbane Image. Zudem steht den Städten bei knappen Mitteln eine Modernisierungswelle bevor: Die Verkehrs-, Ver- und Entsorgungs- sowie ein großer Teil der Gebäudeinfrastruktur stammen aus den 1950er, 60er und 70er Jahren und sind somit dringend sanierungsbedürftig. Wenn eine Stadt diese Häuser saniert und dabei den Klimaschutz geschickt für sich nutzt, kann sie mit Wettbewerbsvorteilen punkten - bei Unternehmern, der Stadtgesellschaft, bei der Forschung und bei höheren politischen Ebenen wie Land, Bund oder gar EU.

Wie sich das Leben und Wirtschaften in der Stadt intelligenter gestalten lässt, untersuchen B.A.U.M. e. V. und Accenture - gemeinsam mit den internationalen Partnern und Unterstützern ECE, Hewlett Packard, Panasonic und dem NATURpur Institut (HSE) - im Report "Intelligent Cities - Wege zu einer nachhaltigen, effizienten und lebenswerten Stadt".

Nationale und internationale Good Practice-Projekte zeigen darin die vier Kernbereiche im Zentrum der Transformationsprozesse: Energiekonzepte, Mobilität, Stadtplanung und -verwaltung sowie Wirtschaft.

Ein Ergebnis der Studie: Eine den Klimaschutz fördernde Stadtplanung und -Verwaltung
  • fördert erneuerbare Energien,
  • erhöht die Energieeffizienz,
  • ermöglicht die Energiespeicherung,
  • erarbeitet intelligente, "postfossile" Mobilitätskonzepte für Verkehr, Logistik und Transport,
  • nutzt ihre Flächen möglichst effizient, da der Boden eine der knappsten natürlichen Ressourcen im urbanen Raum ist,
  • fördert die energetische Sanierung des Gebäudebestands und
  • baut nachhaltige Neubauten, um den Gesamtenergieverbrauch von Gebäuden maßgeblich zu senken.

Um diese Ziele auf dem Weg zu einer intelligenten Stadt umzusetzen, sind eine intra- und interstädtische, integrative Vernetzung durch innovative Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT), Bürgerbeteiligungsmodelle sowie Finanzierung notwendig.

Wettstreit der attraktivsten Metropolen

An Ideen und Technologien mangelt es nicht - das zeigen Städte wie Kopenhagen, Amsterdam, Wien und andere ( forum 2/2013 berichtete). Weltweit gibt es unter vielen Metropolen einen Wettstreit um die Pole Position. Das südschwedische Malmö ist unter den klimaengagierten Städten fast ein Geheimtipp. Bereits seit einigen Jahren ist die mit rund 300.000 Einwohnern drittgrößte Stadt des Landes sehr erfolgreich mit dem Aufbau und der Umsetzung eines umfangreichen Nachhaltigkeitskonzepts. Neben der Sanierung von Gebäuden im Bestand und der Anpassung der Infra- und Versorgungsstruktur umfasst dieses auch den Neubau ganzer Stadtviertel wie Hyllie oder Västra Hamnen (Western Harbour/Bo01 City of Tomorrow). Die ambitionierten Strategien für die "Sustainable City Malmö" reichen dabei von einer gemeinsamen Vision und einer hohen Bürgerpartizipation über intelligente Energie- und Mobilitätskonzepte bis hin zu Recyclingsystemen, der Stärkung von fairem Handel und ganzheitlichen Bildungsansätzen.

Die Bandbreite der Lösungen auf dem Weg zur Smart City ist gigantisch und so manche klingt, einmal umgesetzt, fast banal. In Singapur wurde bspw. eine einfache Lösung realisiert, die die lokalen Wetterprognosedaten mit dem Taxileitsystem verknüpft. Denn wie die Erfahrung zeigt, steigt die Zahl der Taxifahrten bei Regen stark an. Mithilfe der Wetterdaten kann die Taxizentrale Wagen jetzt präventiv in die Stadtteile schicken, für die Niederschlag vorhergesagt ist und so für eine bessere Auslastung der Fahrzeuge und kürzere Wartezeiten sorgen. Das Logistikprojekt Distripolis in Paris, ein unterirdisches Abfallentsorgungssystem in New Songdo und ein innovatives Frühwarnsystem zum Katastrophenschutz in Sao Paolo sind ähnliche innovative Projekte.

 

Von Maximilian Gege und Alexander Holst

 

Im Profil

Prof. Dr. Maximilian Gege ist Vorsitzender von B.A.U.M. e. V. in Hamburg.

Alexander Holst ist Managing Director bei Accenture Sustainability Services in Kronberg im Taunus. Gemeinsam mit Partnern haben Sie die Studie "Intelligent Cities" erstellt.




"Intelligent Cities" zeigt, wie Leben und Wirtschaften in der Stadt intelligenter gestaltet werden können und anhand von vielen bereits umgesetzten Best bzw. Good Practice-Beispielen wird der Frage möglichst anwendungsorientiert nachgegangen.

Bürgermeister, Kommunalverantwortliche, Stadtplaner oder andere interessierte Leser demonstrieren, dass Maßnahmen oft leichter umzusetzen sind als gedacht.

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie auch hier.

Sie können den Report in unserem Shop direkt hier bestellen.

Quelle:
Umwelt | Klima, 17.10.2013
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2013 - Hallo Klimawandel erschienen.
     
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