Artenschutz auf der Lieferantenliste

Biodiversitätsschutz - Ein neues Ziel für den Einkauf?

Täglich verschwinden weltweit bis zu 100 Tier- und Pflanzenarten. Eine Ursache dieses globalen Problems ist ein Wirtschaften, das sich primär an einer kurzfristigen Gewinnmaximierung orientiert. Unternehmen sind jedoch nicht nur Problemverursacher, sie sind auch Teil der Lösung. Der Einkauf hat hierbei eine Schlüsselposition inne.

Blühflächen für Wildbienen tragen zum Erhalt von Biodiversität bei
Foto: © Philipp Ledényi
Immer mehr Unternehmen beziehen die Erhaltung der Biodiversität in ihre strategischen und operativen Geschäftsprozesse ein. Ein Einstieg fällt dabei in einigen Funktionsbereichen leichter als in anderen. Beispielsweise ist eine Neuausrichtung des Liegenschaftsmanagements relativ einfach umzusetzen, da es - mit einigen Ausnahmen - nicht in das Kerngeschäft eingreift. Schwieriger, aber umso weitreichender gestalten sich hingegen Veränderungen im Einkauf.

Es ist eine größere Herausforderung, weil eine Veränderung von Rohstoffqualität und/oder -quantität sich unmittelbar auf weiterführende Prozesse des Kerngeschäfts auswirken. Zudem geraten durch eine starre Kostenfokussierung jene langfristigen Chancen aus dem Blickfeld, die sich aus einer Berücksichtigung der biologischen Vielfalt ergeben.

Im Gegenzug entwickeln sich durch ein nachhaltiges Lieferkettenmanagement umso mehr positive Effekte für die biologische Vielfalt, die wiederum den Unternehmenserfolg langfristig sichern. Hervorzuheben sind hierbei insbesondere die Verfügbarkeit und der Zugang zu benötigten Ressourcen. Beispielsweise ist die Überfischung der Meere nicht nur mit einem Rückgang der Fischbestände verbunden, sondern auch mit einer Zunahme gesetzlicher Restriktionen. Dies hatte unter anderem zur Folge, dass die Einführung der gesetzlichen Fangquote für Dorsch bei Unilever zu einem produktbezogenen Margenverlust von 30 Prozent führte.

Reputation schützen - Lieferanten einbinden!

Kunden und Konsumenten sind zunehmend für das Problem des Artenverlusts sensibilisiert. Die Berücksichtigung der Biodiversität beugt damit dem Verlust von Reputation und Marktanteilen vor. Wie schnell Unternehmen unter Druck geraten können, zeigt das Beispiel Nestlé. Der weltweit größte Lebensmittelkonzern wurde von Greenpeace für die Abnahme von Palmöl des umstrittenen indonesischen Produzenten Sinar Mas kritisiert. Nestlé wurde mitverantwortlich gemacht für die Abholzung von Regenwäldern in Orang-Utan-Gebieten. In der Folge wechselte das Unternehmen zu einem Palmöllieferanten, der einen sozial und ökologisch verträglichen Anbau garantierte. Durch eine frühzeitige Analyse der Lieferkette hätte der Lebensmittelhersteller diesen Schritt ohne Reputationsschaden umsetzen können.

Ein weiteres Beispiel kommt aus dem Bereich nicht nachwachsender Rohstoffe. Die Verantwortung der Elektronik- und Automobilindustrie für den Erhalt der biologischen Vielfalt wurde bisher wenig thematisiert. Betrachtet man jedoch die starken Auswirkungen des Abbaus metallischer Rohstoffe wie Kobald, Gold, Palladium und Tantal auf wertvolle Ökosysteme in so genannten megadiversen Staaten wie DR Kongo oder Brasilien, sollten die Industrien diesen Aspekt aufgreifen und die Bereitstellung von nachhaltigen Rohstoffen bei ihren Zulieferern einfordern.

Innovationen anstoßen!

Die Begin-of-Pipe-Stellung des Einkaufs bietet auch Chancen in Zusammenarbeit mit der F&E Abteilung und dem Marketing, innovative Produkte und Dienstleistungen zu entwickeln und so zum langfristigen Unternehmenserfolg beizutragen. Beispiele hierfür sind die Entwicklungen "neuer" Lebensmittel aus alten und fast vergessenen Nutzpflanzen, wie Erfrischungsgetränke mit Quittengeschmack oder Bier aus der alten Getreidesorte Emmer.

Dass man auch biodiversitätsfreundlich erzeugte Produkte aus Deutschland beziehen kann, zeigt REWE. Der Einzelhändler kooperiert mit Obstbauern aus der Bodenseeregion. Diese legen Blühflächen für Wildbienen an und verbessern die Lebensbedingungen für blütenbestäubende Arten, was zur Erhaltung der Biodiversität beiträgt und die langfristige Versorgung mit Obst sichert, das der Handelskonzern unter seinem ProPlant-Label vertreibt.

Ein erster Schritt eines umfassenden Biodiversitätsmanagements ist die Bewertung der Impacts entlang der Wertschöpfungskette. Um die Wirkungen der Rohstoffe zu ermitteln, kann sich der Einkauf an der Frage orientieren "WO werden WELCHE Rohstoffe WIE und IN WELCHER MENGE gewonnen?" Hierbei stellen sich wichtige Hinweise zur Optimierung der Lieferkette heraus.

Einzelne Wirkungen auf die Biodiversität, wie Flächenbedarf oder Pestizidverbrauch, lassen sich zwar nicht zu einer Kennzahl aggregieren, aber die Hinweise unterstützen die Prioritätensetzung und helfen bei einer Optimierung der Lieferkette sowie der Zusammenarbeit mit den Zulieferern.

Als Einstieg eignet sich auch der Einkauf einer extensiven und naturnahen Liegenschaftspflege. Denn diese greift in der Regel nicht in das Kerngeschäft ein (Ausnahmen sind z.B. die Tourismus- und die Immobilienbranche). Sie trägt aber zur Erhaltung der lokalen Biodiversität bei und kann zusätzlich Unterhaltungskosten einsparen.

Von der Integration der biologischen Vielfalt in den Zielkanon des Einkaufs können damit sowohl die nachhaltige Unternehmensentwicklung als auch die biologische Vielfalt profitieren.
 
Von Uwe Beständig und Stefan Hörmann

Im Profil
Uwe Beständig ist wissenschaftlicher Mitarbeiter des Centre for Sustainability Management an der Leuphana Universität Lüneburg.

Stefan Hörmann ist Programmleiter bei der Umweltstiftung Global Nature Fund. Beide arbeiten zusammen im Forschungsvorhaben "Biodiversität und Unternehmen" unter anderem zum Thema Einkauf und biologische Vielfalt. Gefördert wird das Vorhaben durch das Bundesamt für Naturschutz und das Bundesumweltministerium.

hoermann@globalnature.org

Quelle:
Umwelt | Biodiversität, 15.05.2012

     
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