Artenvielfalt im Auge behalten

Interview mit Dr. Rüdiger Schaub von Bayer CropScience

Die Nahrungsmittelsicherung der Zukunft ist nicht allein eine Frage des Ertrags. forum-Autorin Regina Körner sprach im Rahmen der Nexus-Konferenz mit Dr. Rüdiger Schaub von Bayer CropScience über den Beitrag des Pflanzenschutzherstellers zur Erhaltung der Artenvielfalt und zum Schutz von Ökosystemen.
Ertrag oder Biodiversität: Wie sollen Ernährung und Landwirtschaft von morgen aussehen?
Foto: © Carsten Jünger / pixelio.de

Herr, Schaub, wie stellen sie sich die Ernährungssicherung der Zukunft vor?

Ich bin sehr optimistisch, dass im Jahr 2050 neun Milliarden Menschen ernährt werden können. Dafür brauchen wir jedoch eine Kombination aus der Steigerung von Produktivität mit weniger Ressourcenverbrauch und Erhalt der Biodiversität, also Artenvielfalt. Darin liegt die Herausforderung und dazu werden wir unseren Beitrag leisten.

Wie sieht der Beitrag von Bayer CropScience konkret aus?

Wir investieren zum Beispiel erheblich in die moderne Pflanzenzüchtung, um wichtige Kulturpflanzen wie Weizen und Reis resistenter zu machen gegenüber sogenannten abiotischen Faktoren wie Hitze, Kälte, Salzgehalt. Ganz konkret ein Beispiel aus Vietnam: Dort wird der Salzgehalt des Wassers für den Reisanbau in den nächsten Jahren durch den Anstieg des Meeresspiegels stark zunehmen. Wir züchten Sorten, die an den höheren Salzgehalt angepasst sind.

2011 haben wir mit dem Bau unseres europäischen Weizenzucht-Zentrums in Gatersleben begonnen. Neben der Entwicklung von Weizensorten mit höherem Ertrag und verbesserten Eigenschaften für den mitteleuropäischen Markt sollen von dort aus auch die gesamten Weizenzüchtungsaktivitäten von Bayer CropScience in Europa gesteuert werden.

Gatersleben wird Teil eines weltweiten Netzwerks von Weizenzucht-Stationen von Bayer CropScience sein. So entsteht gegenwärtig ein auf die Region Nordamerika ausgerichtetes Zentrum nahe Lincoln im Bundesstaat Nebraska, USA. Geplant sind weitere lokale Stationen in Europa und Australien sowie mittelfristig in Asien und Lateinamerika. Zudem wird derzeit ein Netzwerk von Kooperationen mit weltweit führenden Forschungseinrichtungen aufgebaut, um neueste biotechnologische Verfahren in die Praxis umzusetzen und so den Zuchtfortschritt zu beschleunigen.

Glücklicherweise sind wir bei der Lösung der Probleme nicht allein: Wir können die Herausforderung der Ernährungsicherung für alle Menschen nur in Griff bekommen, indem wir Partnerschaften innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette bilden - vom Saatgut bis zum Konsumenten. Alle Firmen, Regierungen und NGOs sind offener dafür geworden - die Nexus Konferenz in Bonn ist ein schönes Beispiel dafür, dass alle Seiten für gute Ideen durchaus offen sind.

Inwieweit spielt der Schutz der Biodiversität in der Landwirtschaft eine Rolle?

Artenreiche Lebensräume sichern genetische Ressourcen und bieten mehr Lebensqualität.
Wenn das Ziel erreicht werden soll , mit weniger Ressourcen mehr zu erzeugen und gleichzeitig die Ökosysteme zu schützen, dann ist der Erhalt der Artenvielfalt dabei die schwierigste Aufgabe. Denn mehr zu produzieren bedeutet intensive Landwirtschaft. Darunter kann die Artenvielfalt leiden. Intelligente Lösungen werden gebraucht, wie z.B. eine verbesserte Fruchtfolge (Wechsel der Kulturen von Jahr zu Jahr)..

Auch hier wieder ein schönes Beispiel: Vor zehn Jahren wurden die ersten Biogasanlagen gebaut und heute merkt man, dass das ein Fehler war, die Fruchtfolge nicht von Anfang an zu berücksichtigen. Mit den Biogasanlagen sind die Mais-Monokulturen gekommen, die dafür sorgen, dass die Artenvielfalt zurückgeht. Heute würde man das sicher anders machen und zum Beispiel darauf achten, dass innerhalb eines Betriebes rund um die Biogasanlage nur ein bestimmter Prozentsatz Mais angebaut werden darf. Das wird in den nächsten Jahren kommen. Wir gehen davon aus, dass bei der nächsten EU-CAP-Reform (Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik, Anmerkung der Redaktion) die 2014 in Kraft tritt, die Unterstützung der Landwirte verknüpft wird mit Investitionen in die Artenvielfalt.

Wir unterstützen die Biodiversität z.B. mit einem Ackergrünstreifenprogramm, in dem rund um die Felder ein Grünstreifen von zwei bis drei Metern angelegt wird. Und im Oberrheintal machen wir Versuche im Maisanbau, wobei verschiedene Maßnahmen zur Steigerung der Biodiversität untersucht werden

Ganz entscheidend ist, sich vor Augen zu halten, dass wir in Deutschland rund 50 Prozent Agrarfläche und 50 Prozent Nicht-Agrarfläche haben. Moderne Pflanzenschutzmittel und verbesserte Sorten tragen zu einer Erhöhung der Produktivität bei und gewährleisten damit dass wir nicht noch mehr Fläche brauchen, um unsere landwirtschaftlichen Produkte zu produzieren. Indirekt tragen wir also dazu bei, dass Nicht-Agrarfläche erhalten bleibt.

Wie stehen sie zu der These, dass Hybride die traditionellen Sorten verdrängen?

Hybride sind eine Kreuzung aus zwei verschiedenen Sorten, die einen Ertragszuwachs bringt. Um eine Hybridsorte herzustellen, die höhere Erträge bietet, entwickeln Züchter reinrassige männliche und weibliche Elternlinien, die die gewünschten Eigenschaften besitzen. Die Vaterpflanze sorgt für die Bestäubung und nur das Saatgut der weiblichen Pflanze wird zum Anbau der hoch ertragreichen kommerziellen Hybridpflanze genutzt.

Hybridisierung gibt es seit 50 Jahren und hat nichts mit Gentechnik zu tun. Die Markteinführung neuer Hybridsorten führt möglicherweise zu einer Verdrängung von traditionellen Sorten, aber nur dann, wenn sich Hybridsorten aufgrund ihrer verbesserten Eigenschaften im Markt durchsetzen können.

Wie kann die Biodiversität mit Gentechnik vereinbart werden?

Für mich stellt sich weniger die Frage, wie Biodiversität mit Gentechnik vereinbar ist. Ich frage mich eher, wie Biodiversität mit intensiver Landwirtschaft vereinbar ist. In den gentechnisch veränderten Baumwollsorten beispielsweise sind Bt-Toxine eingebaut, die von Schädlingen, wie z.B. Schmetterlingslarven gefressen werden, welche dadurch sterben. Als Alternative würde ich ein Insektizid anwenden. Und jetzt ist die Frage: Was ist die bessere Lösung?

Gentechnisch verbesserte Sorten sind nichts anderes als eine Beschleunigung der Züchtung. Allerdings liegt die Zukunft für uns nicht in allein in Genetic Modified Organisms, sondern in der Nutzung aller vorhandenen Züchtungsmethoden. Nicht die Züchtung reduziert die genetische Vielfalt, sondern die landwirtschaftliche Produktionsweise. Der Grund liegt darin, dass in der Landwirtschaft hochproduktive und einheitliche Sorten bevorzugt werden, die in den meisten Fällen nur noch aus einem Genotyp bestehen. Damit wird die genetische Vielfalt auf dem Acker reduziert - allerdings ohne Mitwirkung der Gentechnik.

Die Essenz der ganzen Nachhaltigkeitsdiskussion ist für mich: Wir gehen in kleinen Schritten in die richtige Richtung. Wir werden noch nicht in drei bis vier Jahren die Lösung haben, die gleichzeitig allen Anforderungen gerecht wird: Ertrag steigern, dabei Wasser, Energie und Boden schonen sowie gleichzeitig die Ökosysteme und Artenvielfalt erhalten.


Dr. Rüdiger Schaub ist Head of Sustainable Development bei Bayer CropScience.

Quelle:
Lifestyle | Essen & Trinken, 16.02.2012

     
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