Die treibende Kraft

Frauenpower ... und ihre Bedeutung für die Wirtschaft

"Der größte Ansporn für die Wirtschaft ist, in weibliche Unternehmerinnen zu investieren", sagte Lars H. Thunell, Geschäftsführer der Internationalen Investitionsgesellschaft (IFC) - des Privatsektors der Weltbank - auf einer Veranstaltung anlässlich des Internationalen Frauentags 2010. Diese Bemerkung mag für einige Ökonomen übertrieben klingen, aber sie reflektiert die Realität auf zwei Ebenen - zum einen wächst die Zahl an Unternehmerinnen weltweit, zum anderen zeigen Studien der UN eindeutig, dass aus einem erhöhten Einkommen von Frauen eine verbesserte Gesundheitsfürsorge und Bildung ihrer Familien resultiert. Mit anderen Worten: Den wirtschaftlichen Status von Frauen zu befördern ist der Schlüssel zu einer nachhaltigen Entwicklung und, laut dem Geschäftsführer der IFC, der Schlüssel zu einem weltweiten Wirtschaftsaufschwung.

In den letzten zwei Jahrzehnten ist die Zahl der Unternehmenseigentümerinnen stark gestiegen. Allein in den Vereinigten Staaten sind 40 Prozent aller Privatfirmen im Besitz von Frauen, und Frauen sind es auch, die in den USA die Mehrheit der neuen Kleinfirmen besitzen. Diese kleinen Unternehmen generieren mittlerweile 2,8 Billionen Dollar Einnahmen jährlich und beschäftigten im Jahr 2009 23 Millionen Menschen.

Aus der Armut in den Markt
Frauenpower wird bei Globewomen ganz groß geschrieben
Foto: © Getty Images
In Europa gehört jedes dritte Kleinunternehmen einer Frau. In China, der zweitgrößten Wirtschaftsmacht der Welt, sind Frauen die Eigner von 40 Prozent der Privatunternehmen, und in Japan ist jedes vierte Unternehmen in den Händen einer Frau. Über die ganze Welt verteilt und in großer Zahl starten Frauen Kleinstunternehmen und bringen somit ihre Familien aus der Armut. In Ruanda - einem Land, das hauptsächlich für den Völkermord bekannt ist, der so viele der Männer und Jungen tötete - gehört den Frauen bereits 40 Prozent der Wirtschaftskraft des Landes und die Zahl steigt immer weiter. Ruanda ist auch das einzige Land der Welt, in dem Frauen mit 55 Prozent die Mehrheit des Parlaments bilden, und nicht wenige sagen, dies sei das Resultat ihrer wachsenden wirtschaftlichen Macht. Ein Minister sagte sogar, dass sich die ruandische Wirtschaft "auf dem Rücken ihrer Frauen" erholt hätte.

Da Kleinunternehmen das Rückgrat jeder Wirtschaft auf der Welt bilden, sendet die Tatsache, dass Frauen einen wachsenden Anteil eben jener Unternehmen stellen, ein Signal, das unbedingt erkannt werden muss, so die IFC. Momentan werden die staatlich finanzierten Konjunkturprogramme auf der ganzen Welt für eine Infrastruktur eingesetzt, die darauf abzielt, Arbeitsplätze zu schaffen. Die IFC liest das Signal so, dass einige dieser Mittel dafür eingesetzt werden sollten, Kleinunternehmen zu stärken, die auf Kredite angewiesen sind, um zu wachsen und zu gedeihen. Doch die Konjunkturprogramme sollten besonders Unternehmen von Frauen zugute kommen, die oft nur auf spärliche Hilfe zurückgreifen können.

Geschlechterungleichheit bremst das wirtschaftliche Wachstum
Zusätzlich zum wachsenden wirtschaftlichen Einfluss von Unternehmerinnen, spielen Frauen auch in zwei anderen Aspekten eine entscheidende Rolle in der Weltwirtschaft - als Arbeitskräfte und als Verbraucherinnen. Zur Zeit bilden Frauen 30-50 Prozent der bezahlten Arbeitskraft auf der ganzen Welt, und diese Zahl wächst stetig weiter. Nicht nur als Konsequenz der reinen Notwendigkeit, sich Arbeit außerhalb des eigenen Haushalts zu suchen, sondern auch weil Frauen durch Aus- und Weiterbildung ein attraktiver Faktor für die Wirtschaft geworden sind. In Europa, Japan und Südkorea, die sämtlich mit einer rasch alternden arbeitenden Bevölkerung zu kämpfen haben, ist die Ausbildung von Frauen für die Jobs der Gegenwart und Zukunft der Schlüssel zum Überleben. Laut einer Studie von Goldman Sachs aus dem Jahr 2007 würde eine Verringerung der Beschäftigungslücke zwischen Männern und Frauen in den verschiedenen Teilen der Welt das BIP ankurbeln - um 13 Prozent in der Eurozone, um 16 Prozent in Japan und um neun Prozent in den USA. "Geschlechterungleichheit bremst das wirtschaftliche Wachstum", so das Fazit des Berichts. Oder, um es anders auszudrücken, die Wirtschaftsmacht Frau zu befördern ist der Schlüssel zu einem wettbewerbsfähigen Arbeitsmarkt im 21. Jahrhundert.

Das Einkommen der Frau durch Unternehmensgründung oder Beschäftigung ist gestiegen - und damit auch ihre Ertragskraft. Mit dem Ergebnis, dass Frauen in den entwickelten Volkswirtschaften die Mehrheit der Kaufentscheidungen treffen - 80 Prozent allein in den USA. Amerikanische Frauen konstituieren die Mehrheit der Autokäufer, Internetnutzer, Nutzer des Bildungs- und Gesundheitssystems, nicht zu vergessen der Käufer von Büroartikeln und -zubehör für ihre eigenen, oder die Firmen für die sie arbeiten. Das bedeutet, dass die Kaufentscheidungen von Frauen maßgeblich für die Wirtschaftlichkeit vieler Unternehmen auf der ganzen Welt verantwortlich sind. Und dies trifft nicht nur auf Frauen in entwickelten Wirtschaften wie den USA zu, sondern auch auf Dorfbewohnerinnen in Indien, die ein Nokiatelefon kaufen und es für ein Entgelt den anderen Dorfbewohnern zur Verfügung stellen; oder auf Frauen, die auf den Philippinen oder in Bangladesh von Unilever und Danone angestellt werden, um Joghurt oder Haushaltsprodukte von Tür zu Tür zu verkaufen. Sie alle erzielen zum ersten Mal Einkünfte für sich selber, während sie dem Markt Gegenden eröffnen, die bisher für unerreichbar gehalten wurden.

Weibliche Führungen 20 Prozent effektiver
Zusammenfassend erwirtschaften Frauen nicht nur Einkommen für ihre Familien, sondern schaffen auch Arbeitsplätze durch ihre Unternehmen, ganz gleich welcher Größe und beeinflussen durch ihre Kaufentscheidungen das lokale und nationale Wirtschaftssystem. Klar ist, dass sie ein wichtiger Teil jedweden wirtschaftlichen Aufschwungs sind - bei der Verteilung der Konjunkturpakete weltweit sollte dieser Einfluss nicht in Vergessenheit geraten.

Dieses "Geschäftskonzept" mag Entwicklungsprofis zum größten Teil klar sein, stößt bei der Mehrheit der Staats- und Wirtschaftsführer jedoch noch auf taube Ohren, da sie Initiativen zur Beförderung von Frauen als ein soziales Problem, statt als eine wirtschaftliche Notwendigkeit sehen. Dabei gibt es eine Fülle von Forschungsergebnissen, nicht nur aus den USA, sondern auch aus Europa, die den Beweis erbringen: Je mehr Frauen in der Geschäftsführung oder im Vorstand sitzen, desto besser ist der finanzielle Erfolg eines Unternehmens in den Bereichen Gesamt- und Eigenkapitalrendite, Aktienwertsteigerung, effektive Führung, oder auch in allen genannten Bereichen zusammen. Und die Ergebnisse bleiben die gleichen, egal welches Land die Studie ausführt oder wie viele Unternehmen daran teilnehmen. Das finnische Wirtschafts- und Politik-Forum führte die bisher umfangreichste Studie mit 12.728 teilnehmenden Unternehmen durch und konnte zeigen, dass eben jene Unternehmen mit einer überwiegend weiblichen Führung um 20 Prozent effektiver waren, als das männliche Pendant. Die Studie mit der längsten Laufzeit wurde von Professor David Ross von der Columbia Universität durchgeführt und beschäftigte sich mit 1.500 amerikanischen Firmen über einen Zeitraum von 14 Jahren; auch diese Studie bewies einen Vorsprung einer weiblichen Führungsriege gegenüber gleichgestellten Geschäftsmodellen, was die Kapitalrendite und jährliches Wachstum betrifft.

Rechte und Bildung als Voraussetzung
Wenn also Frauen die treibende Kraft für die Leistungsfähigkeit von Unternehmen, für Wachstum und die Entwicklung von Kleinunternehmen und die wirtschaftliche Nachhaltigkeit im Allgemeinen sind, was muss dann der staatliche und private Sektor tun, um das weibliche Wirtschaftspotenzial zu fördern? Zum einen sollten Entscheidungsträger beider Sektoren, die öffentlich das wirtschaftliche Potenzial der Frauen anerkennen, auch danach handeln. Eine Umfrage unter 1.500 global operierenden Führungskräften von McKinsey & Company (Women Matter, 2010) hat gezeigt, dass - obwohl viele den Nutzen einer weiblichen Beteiligung an Führungspositionen erkannt haben - die wenigsten die Geschlechtervielfalt an die Spitze ihrer Agenda setzen, wenn überhaupt. Auf Unternehmen wird von vielen Seiten Druck ausgeübt, dieses Problem anzugehen: Von Regierungen durch vorgeschriebene Frauenquoten für Führungspositionen; von manchen Unternehmensführungskommissionen und Börsen, die Vielfalt im
Im Profil

Irene Natividad ist Präsidentin des Welt-Frauen-Gipfels, eines wirtschaftlichen Forums, das sich seit 20 Jahren für die Förderung der wirtschaftlichen Möglichkeiten von Frauen weltweit einsetzt.
www.globewomen.org
Vorstand zu einem notwendigen Bestandteil einer guten Unternehmensführung zählen; oder auch von institutionellen Aktionären (wie zum Beispiel großen Pensionsfonds), die einen Vorstand verlangen, der integrativer ist. Unternehmen müssen von dem Standpunkt abrücken, Frauenförderung v.a. wegen ihrer Außenwirkung zu betreiben, sondern diese als einen wichtigen Teil der Personalentwicklung mit dem Ziel eines strategischen Marktwachstums erkennen.

Regierungen müssen nicht nur die Gleichstellungsgesetze, die bereits in Kraft sind, durchsetzen und überwachen. Sie müssen auch Gesetze erlassen, die es Frauen ermöglichen, Kredite aufzunehmen, die Kleinunternehmerinnen Mittel sichern und vor allem, die es Frauen erlauben, Land und anderes Eigentum zu erben und zu kaufen. Eine erfolgreiche Teilnahme an der Wirtschaft steht und fällt allerdings mit der Bildung. Deshalb muss durchgesetzt werden, dass Mädchen und Frauen selbige auch erhalten. All dies sind altbekannte Maßnahmen, die in vielen UN-Resolutionen von den beteiligten Nationen unterschrieben wurden. Nun ist es Zeit, den guten Worten und guten Vorsätzen auch Taten folgen zu lassen. Damit die Wirtschaft auch nach dieser Rezession überleben und wachsen kann, muss das Potenzial der Wirtschaftsmacht Frau endlich genutzt werden.
 
 
Von Irene Natividad

Quelle:
Gesellschaft | Megatrends, 08.09.2011
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2011 - Schöne Aussichten erschienen.
     
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