Der Reichtum der anderen - oder, was uns fehlt ...

Die kleinste Zelle der Gesellschaft ist der Mensch

Es ist recht turbulent in unserer Welt - wenn wir es so sehen wollen. Und viele sehen es so. Es gibt immer ein "man muß doch".

Es gibt so viele Erwartungen, von anderen und an andere. Es wird darauf geachtet, diese zu erfüllen, geschäftlich ebenso wie privat. Aber das ist anstrengend, denn meist fehlt immer noch etwas. Es scheint nicht wirklich gut genug. So herum oder so herum.

Dabei leben wir in einem hochentwickelten Land, wir haben viele Dinge, die uns das Leben erleichtern. Wissenschaft und Technik haben uns reich beschenkt. Aber warum gibt es in den Gesichtern dann so wenig Lächeln? Wo sind die strahlenden Augen? Wo ist das Glück?

Die Unzufriedenheit und die Unsicherheit sind hier weit größer, als in den ärmeren Ländern. Dort sind strahlende Augen, zufriedene Gesichter, singende und lachende Menschen weitaus öfter anzutreffen, als bei uns.

Welchen Reichtum haben diese Menschen, der uns fehlt?

Die Augen
Niemals werde ich die dunklen Augen vergessen, die mich oben im Altiplano auf 4000 m Höhe, ansahen. Die Landschaft mehr als karg, die Wasserstelle weit, sehr weit. Der Kuhdung wird getrocknet, als Brennmaterial. Aber diese Augen! Scheu und neugierig zugleich, dort kommt nicht oft jemand vorbei, schon gar kein Weißer. Die Kleidung ebenfalls karg, das Gesicht gezeichnet von der Sonne, doch gerade sie scheint auch aus diesen Augen. Unvergessen, rührt mich dieser Blick noch heute, viele Jahre später.

Dann sind da die Wächter von Machu Picchu, die in ihrer Arbeit aufgehen, als wäre der Inka noch anwesend. Sie sind stolz an diesem alten heiligen Platz arbeiten zu dürfen, ihn zu bewachen. Angesprochen, erzählen sie uns bereitwillig, wie sehr sie diese Arbeit lieben und was ihnen dabei so viel Freude macht. Den ganzen Tag an der frischen Luft, in der Sonne, an diesem Platz (dabei schwingt ihr Arm über das Areal und ihre Augen leuchten, wie einst das Gold), und die vielen Menschen, mit denen sie manchmal auch englisch sprechen können. Aus ihren Worten und Gesten spricht Seligkeit. Sie sind glücklich.

Die Kreativität
Dieser Glanz in den Augen begegnet mir immer wieder. Auf den Philippinen fegt eine alte Frau ungefragt die Treppenstufen eines Hauses, als Lohn erhält sie ein Essen und lächelt, wie reich beschenkt.

In einem Center auf Bali erscheint eines Tages ein junger Mann und beginnt in dem großen Garten zu arbeiten. Sein Gesicht hat etwas besonderes, sein Gang ist anmutig. Er ist freundlich und lächelt, und arbeitet gut. Nachdem er dies eine ganze Woche getan hat, beschließt die Leitung des Centers, ihm auch Geld dafür zu geben. Er ist eingestellt. Später wird er Zimmerboy, das ist eine Stufe höher. Alle haben Freude an ihm, an seinem unbeschwerten Wesen. Manchmal schaut ihm der Schalk aus den Augen. Es ist nicht möglich, ihn nicht zu mögen.

Alle Balinesen, die mir hier begegnen, sind mit ganzem Herzen bei der Arbeit. Ich schaue ihnen gern zu. Sie singen und scherzen. Die Fröhlichkeit ist unübersehbar. Auch wenn ich ins Dorf gehe, lächelt und winkt man mir dort zu.

Das Zulassen
In Kathmandu wird zweimal für vier Stunden der Strom abgeschaltet, täglich wohlbemerkt, außer sonntags. Jeweils zu einer anderen Zeit. Ein Problem ist das nicht und niemand stört sich ernstlich daran. Die innenliegenden Geschäfte schließen halt während dieser Zeit. Der Europäer lernt, in dieser Zeit gibt es keinen Kaffee und kein Lassi, und in das Internet kann er auch nicht. Die Touristen verkraften es, denn sie ziehen ja gleich weiter. Jene von uns, die länger dort verweilen, schwingen schon bald mit diesem Rhythmus. Ich weiß bis heute nicht, ob es dort spezielle Kühlschränke gibt oder ob die Geräte heimlich trainiert haben, die Kälte auch ohne Strom zu halten.

Manchmal fällt ein Ausflug aus, denn es gibt gerade kein Benzin, und als es kein Gas gab, mußten einige Restaurants schließen. Das ist für die Eigentümer dann schon schmerzlich, aber auch da bleiben sie gelassen. In Nepal ist ständig etwas anders, als man es gerade noch dachte. Auch daran gewöhnt man sich schnell. Schließlich ist es egal, ob man heute fährt oder morgen. Ob man eine Karte heute abschickt oder in einer Woche, wenn es (vielleicht) wieder Briefmarken gibt.

Boudanath, der Stadtteil in dem viele Tibeter ein neues Zuhause fanden, ist noch einmal besonders. Der Blick auf den Himalaya ist allgegenwärtig - und niemand kann sich dem Zauber entziehen, der allein dabei entsteht, den Buddhisten zuzuschauen wie sie die Stupa umrunden.

Das Tönen der Hörner früh am Morgen, lange bevor die Sonne aufgeht, wird zu einem vertrauten Klang. Viele der Zeremonien sind auch für uns frei zugänglich. Nirgendwo auf der Welt habe ich das "Willkommen" deutlicher gespürt. Manchmal ein Lächeln, eine Geste nur, doch von einer Tiefe, die augenblicklich berührt.

Hier, auf dem Dach der Welt, im Land der höchsten Berge, in dem so viele bunte Fahnen im Wind schaukeln, blühen die Kontraste. Ein junger Mönch trägt stolz seine Uhr, ein anderer spielt während einer Zeremonie mit seinem Handy und der nächste sitzt mit flatterndem Gewand auf einem Motorrad. Das alles gehört dazu.

Herzlichkeit und Hingabe
Die Herzlichkeit und die Hingabe, mit der diese Menschen alles praktizieren, sind schier umwerfend. Sie sind ständig beschäftigt, ohne je zu hetzen und ihre Augen leuchten dabei, wie die Butterlampen an der großen Stupa, die dort zu Hunderten und zu Tausenden stehen. Sie luden mich mit großer Herzlichkeit ein, sie erklärten mir ihren Glauben, sie zeigten mir ihre Heiligtümer, doch sie versuchten nicht, aus mir einen Buddhisten zu machen. Auch das gehört zu ihrer Großzügigkeit. Sie erwarten nichts.

Geht es jemandem nicht gut, setzt sich einer dazu. Nicht um zu reden, einfach um da zu sein. Jemand der einen Kummer hat, sollte nicht allein sein, meinen sie. In einem Haus, das als Residenz für einen alten ehrwürdigen Rinpoche dient, funktionieren einige Wasserrohre nicht. Auch das ist nicht so wichtig. Das Geld verwenden sie für Puja's und um Gutes zu tun. Es wird geopfert und gespendet, für geistigen Frieden, für die Armen, für das Wohl aller Wesen dieser Welt. Om Mani Padme Hum, das große Mantra des Mitgefühls wird nicht nur rezitiert, es wird gelebt, es ist allgegenwärtig.

Ich bin längst wieder zu Hause, als das Om Mani Padme Hum immer noch in mir klingt. Die Menschen, die ich lieben und schätzen gelernt habe, sind fern. Doch sie beten noch immer für mein Wohl ...


Gisela Schulz

Quelle:
Lifestyle | Gesundheit & Wellness, 20.05.2011

     
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