Marktmacht Konsument

Einfluss und Hebelwirkung strategischen Konsums

Befragungen von Konsumenten und Unternehmen zeigen, dass das Thema Nachhaltigkeit für immer mehr Personen in deren Einkaufsverhalten eine zentrale Rolle spielt. Konsumenten fordern von den Unternehmen zunehmend verantwortungsvolles Wirtschaften - und werden dies mit ihrer Kaufkraft deutlich machen.

Für Konsumenten wird Nachhaltigkeit immer wichtiger. Mit ihrer Kaufkraft können sie die Forderung, Unternehmen sollten verantwortungsvoll wirtschaften, deutlich machen.
Foto: © rocketclips, Fotolia
Wie kann Nachhaltigkeit glaubwürdig kommuniziert werden - vor allem bei den sogenannten strategischen Konsumenten? Strategischer Konsum hat zum Ziel, gemeinsam und individuell durch Kaufentscheidungen auf Produzenten bzw. Händler im Sinne der Nachhaltigkeit einzuwirken. Das "gemeinsam" ist für strategische Konsumenten sehr charakteristisch; durch viele einzelne, kleine Schritte wollen sie eine möglichst große Hebelwirkung erzielen.

In einer Konsumenten-Befragung nannten die 542 Befragten 70 Unternehmen mehrfach als vorbildliches bzw. schlechtes Beispiel. Diese Firmen wurden mit einer eigenen Umfrage angeschrieben. 54 Prozent von ihnen beantworteten den umfangreichen Fragebogen, was die Bedeutung des Themas für die Unternehmen unterstreicht.

Konsumenten unterschätzen ihre Marktmacht

Dabei konnten erstaunliche Resultate ausgewertet werden. So unterschätzen Konsumenten ihren starken Einfluss, den sie bereits heute bei den Unternehmen haben. Mehr als die Hälfte der Unternehmen schreiben dieser Zielgruppe einen ziemlichen oder großen Einfluss auf die Marketingentscheidungen ihres Unternehmens zu.

Der Anteil der strategischen Konsumenten an der Gesamtbevölkerung wird von allen antwortenden Unternehmen ebenfalls größer eingeschätzt, als dies die Konsumenten selber schätzen. Hierin liegt ein hohes konsumpolitisches Potenzial: Sobald dieser Konsumentengruppe bewusst wird, welche "Macht" sie ausüben kann, werden sich auch Menschen, die bis dahin nicht an den Einfluss glaubten bzw. bereits resignierten, diesem Konsumverhalten zuwenden. Dadurch wird das Thema salonfähig und gleichzeitig "hip". Denn wie die Umfrage zeigte, ist die Akzeptanz im Freundeskreis einer der größten Hebel für nachhaltigen Konsum.


Umfrage-Design

Konsumenten-Befragung:

Zeitraum: 27. Mai bis 27. Juni 2009
Anzahl Teilnehmer: 542
Land:
Deutschland 177 (32.66%)
Österreich 25 (4.61&)
Schweiz 325 (59.96&)
Liechtenstein 1 (0.18&)
Andere 8 (1.48&)
Keine Antwort 6 (1.11&)

Unternehmensbefragung:

Zeitraum: 27. Juni bis 23. Juli 2009
Rücklauf: 38 von 70
Land: 18 Unternehmen aus Deutschland (47.4 %), je 9 Unternehmen aus der Schweiz und aus anderen Ländern (je 23.7%) und 2 Unternehmen aus Österreich (5.3%)

Die detaillierten Resultate der Befragungen und die Masterarbeit zum Thema finden Sie zum Download unter http://www.spirit.ch/wissen/konsum/

Inhalte und Werte werden immer wichtiger

Wie in dieser Untersuchung festgestellt wurde, können strategische Konsumenten nicht über das Geschlecht, das Alter oder die soziale Schicht angesprochen werden. Viel mehr muss die Zielgruppe über Inhalte, Werte, Motive und Symbole angesprochen werden. Am liebsten werden sie dabei als qualitätsbewusste, kritische oder gesundheitsbewusste Konsumenten bezeichnet.

Vor allem in den drei Branchen Lebensmittel, Haushaltsgeräte und Mobilität hat strategischer Konsum einen hohen Stellenwert, aber auch in den anderen Branchen ist die Bedeutung nicht zu unterschätzen. Einzige Ausnahmen bildeten die Telekommunikations- und IT-Branche.

Information direkt am Verkaufspunkt gewünscht

Infos am Verkaufspunkt sind der wichtigste Kanal für Nachhaltigkeitsthemen. Zu empfehlen wäre ein Terminal, an dem ein Produkt mit dem Barcode identifiziert werden kann, um Infos zu den ökologischen und sozialen Aspekten, zu Produzenten, Herstellungsbedingungen und Transportwegen zu erhalten. Auf Platz zwei folgen Testergebnisse.

Wichtig ist strategischen Konsumenten vor allem, dass Pestizide / Gentech- und Nano-Inhaltsstoffe deklariert werden. Ebenfalls haben Labels eine hohe Bedeutung; Fairtrade-Labels werden dabei gleich hoch gewichtet wie Öko-Labels. Beides scheint den Unternehmen noch nicht ganz bewusst zu sein. Ein guter Ruf im nachhaltigen Bereich wird sehr hoch bewertet und wahrgenommen. Erstaunlich hohe Werte erreichten in der Befragung die Deklaration von Transportwegen und die Öko-Bilanzen der Produkte.

Welche Informationen sind für Konsumenten wichtig?




Balken 1 - 17 von links nach rechts:
1 Deklaration von Pestiziden, Gentech- & Nano-Inhaltsstoffen
2 Guter Ruf des Unternehmens im nachhaltigen Bereich
3 Hat das Produkt Labels im Umweltbereich?
4 Hat das Produkt Labels im FairTrade Bereich?
5 Gibt es Öko-Bilanzen der Produkte?
6 Sind die Produkte bis zu den Rohstoffen rückverfolgbar?
7 Werden die Transportwege deklariert?
8 Gibt es Selbstverpflichtungen des Unternehmens?
9 Einhaltung von Qualitäts-Standards (ISO-14001, SA-8000 u.a.)
10 Firma veröffentlicht Meinungen vom Verbraucherschutz
11 Gibt es eine CO2-Bilanz des Unternehmens?
12 Verfügt das Unternehmen über eine Vision, ein Leitbild oder einen Code?
13 Verweist das Unternehmen auf Meinungen kritischer NGOs?
14 Gibt es einen umfassenden Nachhaltigkeitsbericht?
15 Kontaktmöglichkeit zu den Nachhaltigkeitsverantwortlichen
16 Regelmäßige Informationen via Blog oder Newsletter
17 Öffentliche Dialog-Angebote auf der Unternehmenswebsite





Lügen haben kurze Beine

Hinderlichster Faktor in der Kommunikation sind erwartungsgemäß Lügen und Teilwahrheiten. 85 Prozent der Befragten würden dies massiv ächten und solche Unternehmen boykottieren. Auch fehlende Risiko-Hinweise zu einem Produkt rufen Misstrauen bei Kunden hervor.

Dialog ist ein wesentlicher Aspekt nachhaltiger Produkt- und Unternehmenskommunikation. Die Konsumenten messen der Erreichbarkeit des Kundenservice eine sehr hohe Bedeutung bei, was von den Unternehmensvertretern noch klar unterschätzt wird.

Insgesamt konnte aufgezeigt werden, dass Nachhaltigkeit und strategischer Konsum die Märkte von morgen stark prägen werden und Unternehmen gut beraten sind, wenn sie ihr Engagement in diesem Bereich verstärken und kommunizieren.

Transparenz und Ehrlichkeit gefordert

Die wichtigste Botschaft für Unternehmen ist, dass eine absolut transparente und vor allem ehrliche Kommunikation des Themas eine zentrale Rolle spielt. Fehler werden nicht so schnell verziehen. Daher: Lieber eine nachhaltige Unternehmensentwicklung in kleinen und ehrlich dargestellten Schritten, als große Versprechen, die auf Dauer unglaubwürdig wirken, wenn sie nicht erreicht werden.

Einige Unternehmen machen dies bereits heute vorbildlich. Die am häufigsten als positive Beispiele genannten Unternehmen sind auf Rang 1 Coop, gefolgt von Migros und Max Havelaar. Auf Platz 4 folgen Weleda und Hess Natur. Als schlechteste Beispiele wurden Nestlé, gefolgt von Aldi und Lidl genannt.

Hohe Bereitschaft, Unternehmen zu belohnen oder zu bestrafen

Ein Unternehmen, das Endverbraucher als Kunden hat, ist gut beraten, diese Zielgruppe ernst zu nehmen. Wie in der Umfrage ermittelt, haben diese Konsumenten eine wesentlich höhere Präferenz- bzw. Boykottbereitschaft und kommunizieren negative Erfahrungen öffentlich. Zudem übernehmen strategische Konsumenten in ihrem Bekanntenkreis eine Pionier-Funktion und werden nach Rat gefragt, wenn es um verantwortungsbewussten Konsum geht.

Da diese Zielgruppe zum Teil bereits koordiniert vorgeht, kann sie schwere Image-Schäden bei Unternehmen bewirken und wird dadurch in naher Zukunft stark umsatzrelevant.
 
 
Von Christian Engweiler




Im Profil

Christian Engweiler ist Geschäftsführer der gemeinnützigen Stiftung spirit.ch, die sich mit dem Wertewandel vom materiell orientierten Lebensstandard hin zur nachhaltigen Lebensqualität beschäftigt.

Mehr dazu unter www.spirit.ch


Quelle:
Lifestyle | LOHAS & Ethischer Konsum, 16.03.2011
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2011 - Green Building erschienen.
     
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