Was die Autoindustrie braucht

Auch beim Genfer Autosalon ist kein Wandel in Sicht


Bentley mit Bioethanol - von nachhaltiger Mobilität noch weit
entfernt. Die Luxuskarosse verbraucht wohl
über 20 Liter Ethanol pro 100 Kilometer.
© Bentleymotors
Der Automobilsalon in Genf gilt als ein Stimmungsbarometer der Branche. Im März 2009 ist die Laune sehr gedämpft. Keiner weiß, wie lange die weltweite Krise noch andauert und in welche Richtung sich der Markt entwickeln wird. Weit weniger Besucher als sonst bevölkerten die Hallen, die Stände waren schlichter, das Personal reduziert. Helle Farben und viel Weiß dominierten die Messe und fast überall las man "weniger CO2" und "Hybrid", gelegentlich auch "Elektroantrieb". Auf der Suche nach den Innovationen und Lösungen für die Mobilität von morgen machte sich aber doch sehr schnell Ernüchterung breit.

Das Gros der Hersteller fährt auf Sicht, zukunftsweisende Konzepte sind bestenfalls Lippenbekenntnisse. Es werden unverändert überwiegend PS-protzende Superautos angeboten, von der neuen E-Klasse von Mercedes bis zum BMW 5er GT. Dass die Hersteller durchaus erkannt haben, dass Größe, Gewicht und Luxusausstattung nicht mehr allein als Kaufkriterien ausreichen, zeigen High-Performance-Fahrzeuge wie ein 630 PS starker 12-Zylinder-Bentley, der mit Bioethanol fährt, oder der Königsegg Quant, eine 275-km/h-Rakete mit Elektromotor und Solarzellen.

Spätestens wenn man nach den für jedermann erschwinglichen Öko-Fahrzeugen sucht, folgt aber die Ernüchterung. Toyota stellt eine weitere Evolutionsstufe des Prius Hybrid vor, der mit 1,2 Millionen verkauften Exemplaren weltweit die Führungsposition in Sachen umweltgerechter Mobilität einnimmt. Ebenfalls von Toyota stammt der kleinste Viersitzer der Welt. Das iQ genannte Fahrzeug ist nur wenig länger als der Smart, bietet aber bis zu vier Personen Platz. Leider ist der iQ nicht sparsamer als der Smart. Beide Fahrzeuge brauchen über sechs Liter im Test und damit in etwa so viel wie ein Opel Kadett von 1963. Wie so oft klaffen Herstellerangaben und Realität weit auseinander, so dass ein gewisses Misstrauen gegenüber Verbrauchs- und CO2-Aussagen in den Hochglanzprospekten angebracht ist.

Der iQ, der kleinste Viersitzer der Welt, ist Toyotas
neuestes Stadtauto und macht dem Smart Konkurrenz.
© Toyota

Wollen wir hoffen, dass die Angaben von Volkswagen zum neuen Polo BlueMotion zutreffender sind. Das Auto wird zwar erst Anfang 2010 zu haben sein, war aber das Highlight auf dem Genfer Autosalon. Er bietet alles, was man von einem vollwertigen Auto erwartet, sogar mehr Platz als frühere Golf-Modelle und perfekte Verarbeitung bis ins kleinste Detail. Mit nur etwas mehr als einer Tonne Gewicht und aerodynamischer Optimierung soll der 3-Zylinder mit 75 PS einen Verbrauch von nur 3,3 Liter pro 100 Kilometer erreichen. Das wäre doch ein Anfang!


Hartnäckige Vogel-Strauß-Technik

Die Autoindustrie tut sich schwer mit den Auswirkungen von Klimawandel, Finanzkrise, Ölpreisexplosion und Rezession. Ein Wandel in den traditionellen Denkstrukturen war in Genf bestenfalls in Ansätzen zu erkennen. Es wäre aber falsch, allein den Herstellern die Schuld für diese Misere zu geben. Auch Kunden haben die seit Langem sichtbaren Zeichen globaler Veränderungen ignoriert und im Zweifel doch das größere, PS-stärkere Auto gekauft. Die Politik, die Industrie, die Autohersteller, die Anderen - sie werden es schon richten. Das Prinzip Hoffnung ist allgegenwärtig, denn wir bekommen nun ja das Elektroauto und können alle "zero-emission" fahren. Also alles wie gehabt, nur künftig mit gutem Gewissen und Strom aus erneuerbaren Energiequellen. Der jüngste Autosalon hat gezeigt, dass wir noch weit davon entfernt sind. Fragen wie Verfügbarkeit und Preis von Batterien bleiben meist unbeantwortet. Und möglicherweise sieht die Zukunft ja ganz anders aus!

Weltweit fahren über 700 Millionen Autos mit fossilen Brennstoffen, in den nächsten Jahren soll diese Zahl auf eine Milliarde steigen. Man muss kein Prophet sein, um die Auswirkungen auf Benzinpreise und Umwelt zu prognostizieren. Die Wachstumsmärkte in China, Indien und Südostasien gieren nach Autos. Überall auf unserem Planeten wird das Auto als Symbol individueller Freiheit gesehen. Dies wird sich in absehbarer Zeit nicht ändern. Niemand will darauf verzichten. In den reichen Ländern wie Deutschland werden sich zwar viele Menschen Elektroautos leisten können, manche sogar mit eigener Solargarage. Aber auch hier wächst die Zahl derer, die knappe Budgets haben und froh sind, irgendein Auto zu besitzen.

Der Wunschzettel für 2010

2010 sollten beim Autosalon in Genf Fahrzeuge zu sehen sein, die Kundenwünsche und unternehmerische Verantwortung nicht als Widerspruch sehen, sondern Wege in künftige Mobilität weisen. Was wir brauchen, sind extrem günstige und sehr sparsame Autos. Zwangsläufig müssen diese Autos klein und leicht sein, denn die Physik lässt sich nicht überwinden. Weniger Material ist günstiger zu produzieren und braucht weniger Energie, um bewegt zu werden. Wenn diese Autos auch noch sicher sind und chic aussehen, ist der Erfolg vorprogrammiert. Hört sich einfach an, ist es im Prinzip auch. Man muss es "nur" tun und genau hier beginnt das Problem der etablierten Autoindustrie. Wie auf der Titanic fühlt man sich sicher und ignoriert sichtbare Zeichen. Wenn aber der Eisberg auftaucht, ist es fast unmöglich, den Kurs zu ändern. Chrysler und GM sind kaum mehr zu retten, andere Kolosse wie Toyota oder VW können aber trotz der momentanen Einbrüche den Untergang noch verhindern, wenn sie jetzt rasch und richtig handeln.

Das Überangebot an Autos und damit fallende Renditen sowie Überkapazitäten bei nicht ausgelasteten Produktionen und dadurch steigende Stückkosten schränken den Handlungsspielraum der etablierten Hersteller ein. Statt einer radikalen Neuausrichtung ihrer Produkte und einer darauf zugeschnittenen Fertigung versucht man, bestehende Anlagen auszulasten und Details zu optimieren. Wer in teure Anlagen zum Pressen von Stahl, Schweißen und Lackieren investiert hat, tut sich schwer, ein Auto beispielsweise aus Faserverbundstoffen mit moderner Klebetechnik zu produzieren. So bleiben Innovationssprünge aus. Was die Last der Großen ist, könnte zur Chance für kleine, junge, innovative Firmen werden. Sie können abseits verkrusteter Strukturen neue Technologien und Konzepte entwickeln. In der Tat stellten sich in Genf auch einige wenige Newcomer vor, die im etwas abgelegenen "grünen Pavillon" ihre Neuheiten präsentierten.

Wo sind die Investoren?

Vielleicht ist der Leidensdruck noch immer nicht groß genug, um in risikobehaftete Innovationen zu investieren, künftige Märkte zu antizipieren und Chancen in cleveren Fahrzeugkonzepten und zukunftsweisenden Antrieben zu sehen, anstatt in Rationalisierung und Verlagerung von Arbeitsplätzen ins Ausland. Junge Firmen wie die Astremo AG tun sich schwer, für ihre Innovationen Geldgeber zu finden, auch wenn die dort entwickelten hocheffizienten und zugleich kostengünstigen Antriebstechnologien insgesamt mehr als 30 Prozent Spritersparnis ermöglichen könnten. Dies wäre ein Sprung in Sachen Effizienz in derAutomobilindustrie, den wir dringend bräuchten. Aber Kapital für frühe Unternehmensphasen ist knapp. Meist sind es Privatinvestoren, die solch diskontinuierliche Entwicklungen unterstützen. Großinvestoren und staatliche Programme stützen hingegen meist etablierte Firmen. Was heute fehlt, sind Investoren, die die Produkte für morgen in Richtung Serie bringen.
 
 
Von Gerhard Heilmaier
 



Im Profil

Gerhard Heilmaier ist seit über 20 Jahren in der Automobilindustrie tätig und Gründer der Loremo AG, deren Vorstand er von 2004 bis 2007 war. Seit 2008 widmet er sich als Partner in der Schweizer Astremo AG dem Ansatz einer ganzheitlichen, auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Fahrzeugarchitektur mit dem Schwerpunkt effiziente und kostengünstige Antriebstechnik. Das Unternehmen hat bahnbrechende Technologien entwickelt, durch welche mehr als 30 Prozent Sprit gespart werden kann. Nun hofft es, rasch Geldgeber für die Umsetzung zu finden, um mit den Produkten am Markt zu sein, wenn die Konjunktur wieder anzieht.

www.astremo.com






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Quelle:
Technik | Mobilität & Transport, 24.04.2009

     
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