Wir brauchen Emanzipation – wir: Frauen UND Männer!

Chistoph Quarch war im Kino und hat sich 'Barbie' angesehen - und hofft, dass ihre Botschaft noch nicht zu spät kommt.

Inzwischen ist es amtlich: „Barbie" ist der erfolgreichste Film, der je von einer Frau gedreht wurde. Knapp 1,5 Milliarden Dollar hat er schon eingespielt und steht damit klar an der Spitze der diesjährigen Blockbuster. Weitere Rekorde werden folgen. Damit steht fest: Regisseurin Greta Gerwig ist ein echter cineastischer Coup gelungen. An den Inhalten von „Barbie" scheiden sich jedoch die Geister. Die einen feiern den Film als Statement einer emanzipierten und selbstbewussten Weiblichkeit, die anderen als Ausgeburt eines biederen Grundschulfeminismus. Die einen beklatschen den Hersteller Martell für einen genialen PR-Trick, die andere sehen in „Barbie" eine Eloge auf den Kapitalismus. Was machen wir also mit diesem neon-pinken Machwerk? Darüber reden wir mit dem Philosophen Christoph Quarch.
 
Herr Quarch, mal ehrlich, haben Sie sich den Film aus freien Stücken angeschaut?
© sutejarts, pixabay.comHabe ich – und das nicht nur, weil ich davon gelesen haben, dass es eine Social-Media Kampagne gibt, die Frauen auffordert, sich von ihren Männern zu trennen, wenn sie nicht mitkommen oder – schlimmer noch – den Film nicht gut finden. Nein, tatsächlich hat mich dieser Film von Anfang an interessiert, weil ich weiß, dass Barbie für viele Frauen viel mehr ist als eine Spielzeugpuppe ihrer Kindheit: für die einen ein nicht nur ästhetisches Frauenideal, für die anderen eine ultimative Hassfigur. Aber so oder so: Barbie ist für das weibliche Selbstverständnis der Gegenwart von zentraler Bedeutung – und damit zugleich für die Art und Weise, wie wir heute leben.

Aber muss man dafür eine Spielzeugpuppe auf die Leinwand bringen und damit zugleich die Werbetrommel für deren Hersteller rühren?
Natürlich ist es ein genialer PR-Coup von Martell, der Barbie-Puppe durch den Film einen Bedeutungskontext zu geben, den sie so noch nie hatte – und sich zugleich durch eine selbstironische Inszenierung in ein glaubwürdiges Licht zu rücken. Aber ich halte das für legitim, weil der Film nur auf diese Weise zu dem geraten konnte, was er m.E. ist: ein wunderbarer Zauberspiegel, in dem wir viel von dem erkennen können, was gegenwärtig schief läuft in der Welt – vor allem zwischen den Geschlechtern. Ich finde es bemerkenswert, dass mit Greta Gerwig eine bekennende Feministin einen Film über das Scheitern – oder sagen wir: das drohende Scheitern – der Frauenemanzipation gedreht hat.

Moment mal: Der Film präsentiert eine Barbie-Welt voller selbstbewusster Frauen, die nach einem vorübergehenden Rückfall ins Patriarchat am Ende triumphieren. Auch der Schlüssel-Monolog des Films ist ein klarer Appell zur Emanzipation. 
Schon, aber viel interessanter als diese – in meinen Augen – etwas plakativen feministischen Botschaften ist die feine sozialpsychologische Diagnose des Geschlechterverhältnisses im Social-Media-Zeitalter, die in den Film eingebaut ist: Barbie lebt vollkommen in ihrer Barbie-Welt. Ihre Wahrnehmung anderer ist maximal oberflächlich. Alles Weibliche ist Barbie, alles Männliche ist Ken. Vor allem letzteren nimmt sie nicht wahr – oder allenfalls als nützliches Zubehör. Folglich fühlt sich Ken von Barbie ignoriert und instrumentalisiert. Dagegen begehrt er auf und macht sich zum Protagonisten einer stupiden Bier-und-Muskel-Maskulinität, die man in den USA bei Trumpisten und in Deutschland bei AfDlern findet. 

Wollen Sie damit sagen, dass der Barbie-Film die These aufstellt, der Rechts-Ruck in unseren Demokratien habe damit zu tun, dass sich die Männer von emanzipierten Frauen nicht genug gewertschätzt fühlen.
Ja, so verstehe ich den Film. Er zeugt von der Einsicht, dass das Projekt der Emanzipation notwendig ist, aber in eine Sackgasse führt, wenn dabei nichts anderes herauskommt als selbstverliebte Instagrammerinnen, die das Universum mit ihren Po-und-Busen-Selfies überfluten. Allen, die Emanzipation mit Narzissmus verwechseln, hält „Barbie" einen schonungslosen Spiegel vor. Schonungslos, weil er zeigt, wohin diese Verwechslung führt: zu jenem drummdreisten Machismo bzw. Patriarchatsgetue, das man aus rechten Kreisen kennt und das, verdammt noch mal, im Aufwind ist. Ich hoffe, „Barbie" kommt noch nicht zu spät. Denn wir brauchen ihre Botschaft: Wir brauchen Emanzipation – wir: Frauen und Männer. 

 
Der Philosoph Christoph Quarch schreibt regelmäßig für forum Nachhaltig Wirtschaften. © Christoph Quarch
Der Bestseller-Autor Christoph Quarch ist Philosoph aus Leidenschaft. Seit ihm als junger Mann ein Büchlein mit »Platons Meisterdialogen« in die Hand fiel, beseelt ihn eine glühende Liebe (philia) zur Weisheit (sophia), die er als Weg zu einem erfüllten und lebendigen Leben versteht. Als Autor, Publizist, Berater und Seminarleiter greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophen zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen."
 
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Lesen Sie mehr von ihm unter www.christophquarch.de

Als forum-Redakteur zeichnete Christoph Quarch verantwortlich für den Sonderteil „WIR - Menschen im Wandel". 

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