Regionalgeld- Eine Erfolgsgeschichte

von Frank Jansky

Bei der Realisierung von Nachhaltigkeit ist zu hinterfragen, wie nachhaltig das Geldsystem selbst konstruiert ist und ob es in seiner heutigen Ausgestaltung die Bereiche der Ökonomie, Ökologie und des Sozialen ausgeglichen fördert. Menschen in verschiedenen Regionen und Lebenssituationen machen die Erfahrung, dass alleine Monopolgeldsysteme in einem globalen Währungs- und Wirtschaftsraum für eine nachhaltige Lebensweise nicht ausreichen. So kommt es, dass Menschen mit der kreativen Nutzung der kollektiven Intelligenz und gemeinschaftlichen Wertevorstellungen zusätzlich eigene Austausch- und Geldsysteme schaffen, die zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse geeignet sind und den nachfolgenden Generationen ein Leben in Vielfalt ermöglichen sollen.

Selbst mit der Macht des Konsumenten kann der Einzelne von uns die nahezu ungehemmten internationalen Kapitalströme und Kapitalansammlungen kaum so beeinflussen, dass sie für eine nachhaltige und gemeinwohlorientierte Entwicklung in den Regionen dieser Welt wirken. Was aber neben nachhaltigen Geldanlagen an dieser Stelle möglich ist, ist die Neuentdeckung der Region,
in der wir leben, und die Schaffung von Nahgeldern in den Regionen. Die Machbarkeit ist belegt durch die Vielzahl von Initiativen. In Deutschland kooperieren viele von ihnen im Regiogeldverband, einem Netzwerk von Initiativen und Förderern. Diesen Initiativen ist es ein Anliegen, dass regionale Wirtschaftskreisläufe entstehen und dass das Gemeinwohl zur Rendite des Geldsystems vor Ort wird.

Zurückblickend auf das fünfjährige Bestehen der ersten Regiogelder in der Bundesrepublik kann eine
rege Zunahme von regionalen Beziehungs- und Wertschöpfungsnetzwerken verzeichnet werden. Regiogeld wirkt als Impulsgeber für Erzeuger und Händler aus der Region, sensibilisiert und informiert die Verbraucher. Die Kaufkraft wird zu regionalen Produzenten und Investoren gelenkt und schafft so
Wirtschaftskreisläufe vor Ort mit kurzen Wegen.

Hierzu einige Beispiele:

Chiemgauer

"Der Chiemgauer bringt enorme Zuwächse." "Wir suchen nach weiteren kreativen Wegen der Zusammenarbeit." Dies ist die Meinung von großen und kleinen Unternehmen aus der Bio-Branche als
Nutzer des Chiemgauers rings um den Chiemsee. Über 600 Unternehmen akzeptieren den Chiemgauer als Zahlungsmittel. Alles Lebenswichtige kann mit Chiemgauern bezahlt werden. So die Produkte des Bäckers, Metzgers, der Käserei und der Getränkeproduzenten. Handelsunternehmen sind ebenso vertreten wie der Dienstleistungssektor. Knapp 70.000 Chiemgauer Förderung erhielten Vereine der Region. Die Vereine, die sich über den Chiemgauer fördern lassen und dabei aktiv Werbung für einheimische Unternehmen machen, steigern seit Jahren ihre Fördersummen. Durch den Chiemgauer wird Geld mit der Region verknüpft. Euro können in Chiemgauer-Gutscheine oder Girokontenguthaben umgewandelt werden. Durch veränderte Spielregeln erhält das Geld den Impuls, in der Region zu zirkulieren. Verbraucher wissen, dass sie mit jedem ausgegebenen Chiemgauer ihre Region stärken.

2006 wurde dem Chiemgauer der R.I.O Award verliehen. R.I.O. steht für Ressourcenverbrauch reduzieren, Innovationen implementieren und Optimieren. Der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie hofft, dass solche Beispiele wie der Chiemgauer vielfältige Beachtung und Nachahmung finden.

Sterntaler

Ein Kooperationspartner des Chiemgauers ist der Sterntaler im Berchtesgadener Land. Die Initiative ist ein Träger für einheimische Projekte im Sinne der Agenda 21. Ein weiteres Projekt der Genossenschaft ist neben der Realisierung des Regiogeldes die Erhaltung des Mitterfeldener Dorfladens für die regionale Nah- und Selbstversorgung mittels der Nutzung von Regiogeld. Eine Straßenbefragung der Fachhochschule Schweinfurth im Währungsgebiet des Sterntalers ergab einen hohen Bekanntheitsgrad des Regiogeldes. Bei einer weiteren Unternehmerbefragung gaben 72 Prozent der Akzeptanzpartner an, dass durch den Sterntaler Neukunden erreicht wurden. 92 Prozent sahen in dem Regiogeld keinen oder nur einen geringen Aufwand und 96 Prozent bewerten den Sterntaler als Plus für die regionale Wirtschaft.

Urstromtaler

In Sachsen-Anhalt sind die Ausgangsbedingungen etwas anders. Die Kaufkraft ist geringer. Hier wird durch das Regiogeld einer Genossenschaft zusätzliche regionale Liquidität zur Verfügung gestellt. Es werden so Geschäfte gemacht, die mangels Euro nicht zustande gekommen wären. Das System basiert auf einem Barter-Ring und wurde um die Ausgabe von Gutscheinen erweitert. Euro zu wechseln ist nicht erforderlich. Die Akzeptanzpartner können mit ihrem Angebot an Waren und Leistungen teilnehmen und nutzen zinsfreie Kredite. Über 400 Unternehmen, einschließlich Vereine und Umweltverbände, verrechnen in diesem Netzwerk ihre Leistungen. Auch hier werden bereits Arbeitsleistungen von Mitarbeitern anteilig mit Regiogeld vergütet. Sie konsumieren mit dem neuen Geld regional, damit die Arbeit vor Ort bleibt.

Landmark

Der Wirtschaftsring Reinstädter Landmarkt in der Nähe von Jena in Thüringen ist aus einem regionalen Markt entstanden. Einige tausend Menschen besuchen die Märkte und schätzen die thematische Präsentation regionaler Erzeugnisse, die auch mit Regiogeld gekauft werden können. Gemeinsam mit den Stadtwerken Eisenberg wurde nun ein Stromangebot aus erneuerbaren Energiequellen von regionalen Energieeinspeisern erstellt. Die Energie kann mit Regiogeld bezahlt werden, um die Wertschöpfung vor Ort dauerhaft zu erhöhen.

Es wird deutlich, dass Geld und Nachhaltigkeit untrennbar zusammen gehören. Regiogeld ist dazu eine praktische Komponente. Diese Geldsysteme sind eine freiwillig nutzbare Ergänzung zum Euro, Dollar oder Yen. Wie weitere vielfältige und erfolgreiche Beispiele aus der Schweiz, Japan und Amerika zeigen, ist diese Entwicklung nicht neu. Sie erfährt durch die spürbaren Auswirkungen der zunehmenden internationalen Verflechtung in allen Bereichen stärkere Beachtung und gibt die Möglichkeit, Globalisierung fairer gestalten zu können.

Frank Jansky, 41, Rechtsanwalt und Vorstand des Regiogeld Verbandes www.regiogeld.de

Quelle:
Lifestyle | Geld & Investment, 08.07.2008

     
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