Regierung verweigert notwendigen Klimaschutz

Deutscher Beitrag Lichtjahre vom 1,5-Grad-Limit entfernt

Während 1,4 Millionen Menschen dem Aufruf von Fridays for Future zum Klimastreik gefolgt sind, scheitert das Klimakabinett in seiner entscheidenden Sitzung für ein wirksames Klimapaket zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens. Zu diesem Ergebnis kommen die Klima- und Umweltschutzverbände.
Experten zufolge würden die beschlossenen Maßnahmen ohne CO2-Bepreisung bei Verkehr und Gebäuden bis 2030 nur rund die Hälfte der Emissionslücke schließen. © quinntheislander, pixabay.com
Statt eines intelligenten Mix aus Ordnungsrecht, Anreizen und eines wirkungsvollen CO2-Preises ist allerdings vor allem ein Sammelsurium teurer Anreizprogramme beschlossen worden. Verkehrsminister Andreas Scheuer hat sich bis zuletzt geweigert, wirksame Klimamaßnahmen vorzuschlagen und bleibt ein klimapolitischer Totalausfall.
 
Experten zufolge würden die beschlossenen Maßnahmen ohne CO2-Bepreisung bei Verkehr und Gebäuden bis 2030 nur rund die Hälfte der Emissionslücke schließen. Der nun geplante Emissionshandel kann diese massive Lücke nicht schließen. Im Gegenteil: Der homöopathische Einstieg in die CO2-Bepreisung von 10 Euro die Tonne CO2 wird keinerlei Lenkungswirkung entfalten. Beim eigentlich notwendigen Einstiegspreis von 60 Euro soll er sogar ab 2026 gedeckelt werden. Damit beschneidet sich die Bundesregierung ihre eigene Handlungsfähigkeit dramatisch.
 
Damit ist Deutschland noch immer nicht auf einem Pfad zur Erreichung seiner bisher beschlossenen Ziele und Lichtjahre vom deutschen Beitrag zum 1,5-Grad-Limit von Paris entfernt. Grund für das Scheitern ist aus Sicht der Umweltverbände neben der Mutlosigkeit der Koalition vor allem die Blockadehaltung, die von Teilen der CDU und CSU gegen wirkungsvolle Gesetze und Preismechanismen aufgebaut wurde.
 
Die Verbände fordern die Bundesregierung nun auf, bis zum Beginn der Weltklimakonferenz am 29. November und der Halbzeitbilanz der Großen Koalition ein deutlich verbessertes Klimapaket zu beschließen, das Deutschland in die Lage versetzt, die Klimaziele mit einem Puffer nach oben sicher zu erreichen.
 
Das verfehlte Ergebnis des Klimakabinetts kommentieren die Verbände:
 
Kai Niebert, Präsident des Deutschen Naturschutzrings:
„Die Ergebnisse des Klimakabinetts sind ein klares Regierungsversagen. Zwar ist mit dem Klimaschutzgesetz ein großer Wurf gelungen. Aber auch das verschiebt die Verantwortung in die Zukunft. Besonders die unionsgeführten Ministerien sind nicht in der Lage, die völkerrechtlich verbindlichen Zusagen der Bundesregierung für 2030 einzuhalten und die Klimakrise zu stoppen. Unverbindliche Anreizprogramme und ein wirkungsloser Emissionshandel werden das Klima nicht retten, was fehlt sind klare Leitplanken."
 
Hubert Weiger, Vorsitzender Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND):
„Merkels Klimakabinett liefert einen kolossalen Fehlstart in den Klimaherbst. Das ist vor allem teures Stückwerk statt einer Antwort auf die Klimakrise. Nicht einmal im Kernbereich Energiewende wird geliefert. Das Kohleausstiegsgesetz bleibt eine Ankündigung. Der Erneuerbaren-Ausbau bleibt ein dickes Fragezeichen. Es braucht jetzt wirksame Maßnahmen und Gesetze statt hohler Ankündigungen. Ohne drastische Steigerung des Windkraft- und Photovoltaik-Anteils sind die Klimaziele reine Makulatur. 2020 muss der geregelte Kohleausstieg starten. Kanzlerin Merkel muss die Blockade in der Union aufbrechen und bis zur Klimakonferenz nachliefern."
 
Christoph Bautz, geschäftsführender Vorstand Campact:
„Die 1,4 Millionen Menschen auf den Straßen erwarten heute von der Politik den großen Wurf beim Klimaschutz. Doch die Regierung hat auf ganzer Linie versagt. Statt klar festzulegen, wann wir aus Kohle, Öl und Gas aussteigen, verteilt sie ungezielt Milliarden. Schwarz-Rot simuliert nur Fortschritte beim Klimaschutz. Damit wird sie die Proteste nur noch weiter befeuern.”
 
Hermann Ott, Geschäftsführer von ClientEarth:
„Die Bundesregierung ist ohne Mut, klare gesetzliche Vorgaben für den Klimaschutz zu machen. Sie dreht lediglich den Geldhahn auf und traut sich nicht, Strukturveränderungen anzupacken. Nicht einmal der Begriff "Klimaschutzgesetz" findet sich im Text. Die angekündigte "gesetzliche Festschreibung" der Sektorziele für die einzelnen Ministerien muss nun aber wirklich noch dieses Jahr kommen - in einem Klimaschutzgesetz, das diesen Namen auch verdient!"
 
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe:
„Klimaschutz heißt: Raus aus den fossilen Energien, rein in die Erneuerbaren. Und das dauert mit diesen Beschlüssen alles viel zu lange. Mit den neuen Abstandsregeln für Wind bringt das Klimakabinett den Windausbau zum Erliegen. Das Gegenteil wäre richtig: Wir brauchen einen Fahrplan für 100% Erneuerbare! Und wir müssen raus aus den fossilen Energien: Neue Öl- und Gasheizungen müssen per Ordnungsrecht 2020 bzw. 2025 verboten werden, und auch Pkw mit Verbrennungsmotor dürfen nach 2025 nicht mehr zugelassen werden.”
 
Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer Germanwatch:
„Die Bundesregierung hat es versäumt, die notwendige Grundlage für den neuen Gesellschaftsvertrag zu legen, den heute 1,4 Millionen Menschen auf den Straßen Deutschlands eingefordert haben. Sie legt ein Maßnahmenpaket vor, das – am massivsten im Verkehrsbereich – auf Zielverfehlung programmiert ist. Und sie führt einen CO2-Preis in homöopathischen Dosen und ohne Lenkungswirkung ein."
 
Martin Kaiser, Geschäftsführer Greenpeace:
„Der Bundesregierung fehlen Mut und Verantwortung für Sofortmaßnahmen im Klimaschutz. Mit ihrem zahnlosen Klimapapier stellt sie sich gegen Millionen Menschen, die heute für schnell wirksamen Klimaschutz auf die Straße gehen. All diesen Menschen bieten Union und SPD keine Antwort. Vor allem die Union mit ihrem frühen Widerstand gegen klare politische Leitplanken, die auch die Industrie, allen voran die Autohersteller für den Schutz des Klimas in die Verantwortung nimmt, hat dies zu verantworten. CDU und CSU drohen damit in der Mitte der Gesellschaft breite Wählerschaften zu verlieren, die von der Politik sofort wirksame Notmaßnahmen erwarten."
 
NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller:
„Es geht um eine Menschheitsaufgabe. Das Klimakabinett hat offensichtlich nicht verstanden, wie dringend es ist, die Klima- und Artenkrise zu stoppen. Anders ist dieser schwache Mix aus Steuersenkungen und neuen Subventionen nicht zu verstehen. Vom notwendigen gesellschaftlichen Wandel ist die GroKo damit meilenweit entfernt."
 
Michael Müller, Bundesvorsitzender der NaturFreunde Deutschlands:
„Dieses Klimakabinett ist der Beweis für den eklatanten Widerspruch zwischen Wissen und Handeln im Klimaschutz. Das 1,5-Grad-Limit ist jetzt seit 30 Jahren bekannt, doch die Politik setzt es einfach nicht um. Frau Merkel, machen Sie endlich Klimapolitik, statt sie zu verhindern."
 
Fabian Holzheid, politischer Geschäftsführer Umweltinstitut München:
„Unsere Ernährung ist für ein Viertel der deutschen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Ohne eine Agrarwende mit deutlicher Reduktion der Tierbestände und des Fleischkonsums wird Deutschland seine Klimaziele verfehlen. Das Klimakabinett verschiebt die dringend notwendigen Maßnahmen dennoch auf den Sankt Nimmerleinstag. Die Bundesregierung muss jetzt dafür sorgen, dass die Betriebe nicht mehr Tiere halten, als sie auf ihrer Fläche ernähren könnten. Und sie muss verhindern, dass die Reduktion der Tierbestände durch Importe ausgeglichen wird."
 
Christoph Heinrich, WWF Vorstand Naturschutz:
„Hunderttausende demonstrieren heute dafür, die Erderhitzung auf möglichst 1,5 Grad zu begrenzen. Von der Bundesregierung bekommen haben sie ein Paket aus Ankündigungen, das noch nicht einmal das selbstgesteckte Ziel erreicht, den Kohle-, Öl- und Erdgasverbrauch bis 2030 zu halbieren. Die Ergebnisse des Klimakabinetts sind eine Mischung aus Vertagen, Verzagen und Versagen. Den Ausbau der Erneuerbaren hat die Regierung schon zum Erliegen gebracht und heute neue Hürden beschlossen. Aber: Der öffentliche Druck wächst. Bis zur Weltklimakonferenz muss die Bundesregierung nachlegen."
 
Kontakt: Fabian Holzheid, Umweltinstitut München e.V. | pressestelle@umweltinstitut.org  

Umwelt | Klima, 20.09.2019

     
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