Faire Schokolade ist Trend – aber was bedeutet fair?

Große Unterschiede in der Qualität von Nachhaltigkeitssiegeln

Mehr zu den Themen Kakao, Menschenrechten, Fairtrade und Genuss ohne Reue erfahren Sie in forum Nachhaltig Wirtschaften 3 / 2019 sowie in unserer Serie Genussmittel.
„Faire" und „nachhaltige" Produkte stehen bei Konsumentinnen und Konsumenten hoch im Kurs. Weil die Begriffe rechtlich nicht geschützt sind, können Unternehmen frei mit ihnen werben – ohne dass klar geregelt ist, welche Kriterien sich dahinter verbergen. Wer Klarheit haben möchte, braucht unabhängige Nachhaltigkeitssiegel, die echtes Engagement nachweisen.
 
Über 60 Prozent der 2018 verkauften Schokoartikel enthielten 'nachhaltig zertifizierten' Kakao. © Kate Fishpool Fairtrade FoundationFast zehn Kilo Schokolade essen Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland pro Jahr, umgerechnet mehr als 90 Tafeln. Damit ist Deutschland Spitzenreiter im europäischen Vergleich, noch vor den Schweizer Nachbarn. Es steht also außer Frage, dass hierzulande gerne genascht wird – inzwischen am liebsten mit gutem Gewissen: Über 60 Prozent der 2018 verkauften Schokoartikel enthielten laut Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie „nachhaltig zertifizierten" Kakao.
 
Große Unterschiede in der Qualität von Nachhaltigkeitssiegeln
Viele verschiedene Label und Siegelinitiativen zeichnen nachhaltige Produkte aus. Dabei ist Siegel nicht gleich Siegel – sowohl in der Qualität, als auch in den Schwerpunkten unterscheiden sich die Initiativen stark voneinander. Die einen legen ihren Fokus auf die Umwelt, die anderen auf den Menschen.
 
Das Fairtrade-Siegel vereint beides: Als einziges Zertifizierungssystem schreibt es in den international gültigen Fairtrade-Standards fest, dass den Produzenten-Organisationen in den Anbauländern ein Mindestpreis und ein zusätzlicher finanzieller Aufschlag, die sogenannte Fairtrade-Prämie, bezahlt werden. Zudem betreffen rund ein Drittel der Standardkriterien Umweltaspekte, wie Biodiversitäts-, Boden- und Wasserschutz. Das wissen die Verbraucher zu schätzen: Neun von zehn Befragten kennen Fairtrade und bei 75 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher genießt das grün-blaue-Siegel großes Vertrauen. Damit das so bleibt, ist die unabhängige Kontrolle ein wichtiges Qualitätsmerkmal.
 
Kontrolle entlang der gesamten Lieferkette
Neben den Produzenten in den Anbauländern werden alle Beteiligten der Lieferkette zertifiziert und regelmäßig kontrolliert. © Marco Garofalo, FairtradeNeben den Produzenten in den Anbauländern werden alle Beteiligten der Lieferkette, die Fairtrade-Rohstoffe einkaufen und weiterverarbeiten, zertifiziert und regelmäßig kontrolliert. Dafür sorgt die unabhängige Zertifizierungsgesellschaft Flocert. Über 100 geschulte Auditorinnen und Auditoren überprüfen die Einhaltung der Fairtrade-Standards in rund 120 Ländern. Die in den Standards festgeschriebenen Mindestpreise und Prämien werden regelmäßig überarbeitet: Erst im vergangenen Dezember wurde der Mindestpreis für Kakao um 20 Prozent, von 2.000 auf 2.400 US-Dollar pro Tonne, angehoben. Auch die Prämie wurde hochgesetzt: Ab Oktober, passend zur neuen Ernte, bekommen Produzenten 240 anstatt wie bisher 200 US-Dollar pro Tonne – so viel wie bei keinem anderen Zertifizierungssystem.
 
67 Cent verdient ein Kakaobauer in Westafrika am Tag
Der Kakao-Weltmarktpreis ist enormen Schwankungen ausgesetzt. Viele der Kleinbauernfamilien leben unterhalb der absoluten Armutsgrenze. Westafrika, insbesondere die Elfenbeinküste und Ghana, gehören zu den wichtigsten Produktionsländern für Kakao weltweit. In der Elfenbeinküste verdient der Großteil der Kakaobauern nur 67 Cent pro Tag. Selbst Fairtrade-Produzenten verdienen zu wenig, da sie oft nur einen Teil ihrer Ernte – rund 35 bis 40 Prozent – zu fairen Bedingungen verkaufen können.
 
Fairer Rohstoffeinkauf gewinnt an Bedeutung
Immer mehr Handelsketten und Hersteller erkennen hier Handlungsbedarf und kaufen für ihre Eigenmarken zunehmend fair gehandelten Kakao ein. Insgesamt kauften Hersteller im vergangenen Jahr gut 55.000 Tonnen Fairtrade-Kakao ein – 53.000 Tonnen davon über das Kakao-Rohstoffprogramm, das in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen hat. Anders als beim klassischen Fairtrade-Siegel steht hier nicht das Endprodukt, sondern der faire Rohstoffeinkauf im Vordergrund. Das Rohstoff-Siegel erleichtert Unternehmen die Zusammenarbeit mit Fairtrade und weist zugleich Verbraucherinnen und Verbraucher darauf hin, dass ausschließlich der Kakao – und keine andere Zutat – im Produkt fair gehandelt wurde. In Deutschland und Österreich erreichte Fairtrade-Kakao (klassisches Siegel und Rohstoff-Programm) 2018 einen Marktanteil von 10 Prozent. In der Schweiz liegt der Markanteil aktuell bei sieben Prozent.
 
Menschenrechte in Lieferketten – bald per Gesetz?
Während es sich in Deutschland noch um freiwillige Bemühungen der Unternehmen handelt, ihre Einkaufspraktiken zu verbessern, gibt es in Nachbarländern wie England und Frankreich gesetzliche Regelungen, die Unternehmen zur Verantwortung ziehen: Diese müssen sich entlang der gesamten Lieferkette verpflichten, ihre unternehmerische Sorgfaltspflicht einzuhalten – andernfalls drohen Strafzahlungen. In Deutschland ist ein solches Gesetz zumindest im Gespräch: Ab August sollen 1.800 deutsche Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern schriftlich befragt werden, ob sie sich ausreichend um die Einhaltung der Menschenrechte kümmern. Falls die Befragung zu einem unzureichenden Ergebnis kommen sollte, könnte schon bald ein Lieferkettengesetz folgen.
 
Weitere Informationen:

Lifestyle | Essen & Trinken, 04.08.2019

     
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