Grüne Aktien und ethische Fonds

Schöne neue Anlagewelt?

Corporate Social Responsibility und Nachhaltigkeit - zwei Begriffe, die das Zeug haben, in diesem Jahrzehnt zum Mega-Thema zu werden. Wie so oft waren es wieder einmal die Finanzmärkte, auf denen sich zuerst langsam, mittlerweile aber unaufhörlich, der Zug der ethischen oder einfach auf Nachhaltigkeit ausgerichteten Geldanleger in Fahrt gesetzt hat. Waren es ursprünglich in den 1920er Jahren einige "exotische" Anlegerkreise aus dem Bereich amerikanischer Quäker, die ihr Geld nicht in "Sünden-Aktien" anlegen wollten, so sind heutzutage breite Anlegerkreise den grünen oder ethischen Geldanlagen zugetan.
Insbesondere die Anlage der Gelder aus der privaten Altersvorsorge hat sich dank gesetzlicher Vorgaben in vielen europäischen Ländern zu einem wahren Turbolader für nachhaltige Investmentfonds und Pensionsfonds entpuppt.

Nachhaltig investieren bringt auch Rendite

Schaut man etwas hinter die Kulissen, so fällt auf, dass mittlerweile längst nicht mehr nur "Gutmenschen" ihre Spargelder in soziale und ökologische Geldanlagen investieren wollen. Das Thema hat Breitenwirkung erzielt, will heißen, auch eingefleischte Renditejäger schielen immer öfter auf die grüne Seite der Finanzmärkte. Eigentlich nicht verwunderlich, hat es sich doch herumgesprochen, dass im Club international führender Nachhaltigkeitsunternehmen so ideologisch unverdächtige Namen wie Vodafone, Ericsson oder Hennes & Mauritz weit oben rangieren. Erfreulicherweise präsentieren solche Unternehmen dadurch neben ihrer meist beachtlichen wirtschaftlichen Leistung obendrein gute Werte in den Bereichen Soziales und Umwelt - die klassische Win-Win-Situation also! Unter solchen Umständen sein Geld in "nachhaltige" oder "sozialverträgliche" Investmentfonds anzulegen muss ja geradezu Spaß machen.

Aber kann man der Sache trauen?

Diese Frage stellen sich nicht nur Anlegerinnen und Anleger, sie beschäftigt auch die Profis in den Büroetagen der Investmenthäuser an Main und Themse - und die Wissenschaft. Den Wenigsten ist bekannt, dass in den vergangen dreißig Jahren eine Flut von wissenschaftlichen Analysen erschienen ist, die sich fast überwiegend um eine Frage dreht: Verliert man Geld, wenn man "grün" bzw. ethisch anlegt?

Die Antwort ist mittlerweile recht eindeutig

Es gibt keinen zwingenden Grund, Geld zu verlieren. Es ist sogar möglich, höhere Renditen bei etwa gleichem Risiko gegenüber einer konventionellen Geldanlage zu erzielen. Und dieser Umstand macht schließlich auch professionelle Anlagemanager und Analysten hellhörig: Wie kann es sein, dass finanzielle, soziale und ökologische Leistungen eines Unternehmens nicht im Widerspruch zueinander stehen?

Beklagen denn Manager nicht, dass Umweltauflagen die Kosten in die Höhe treiben, überbordende Sozialleistungen mit Gewinneinbußen bezahlt werden müssen? Investmentexperten entwickeln nachhaltige Rating-Kennziffern

Auf der Suche nach einer Antwort für diesen vermeintlichen Widerspruch gelangt man unweigerlich zu den Rating-Agenturen. Gemeint sind hier nicht die Standard & Poor's oder Moody's dieser Welt. Die halten sich in der sozialen und ökologischen Unternehmensbeurteilung noch zurück. Es geht vielmehr um eine sehr facettenreiche Truppe von Spezialanalysten, die Aktien und Anleihen, und vor allem auch die dahinter stehenden Unternehmen unter den sozialen, ökologischen und oft auch noch unter den finanziellen Röntgenschirm legen. Diese Arbeit ist sehr komplex und für Laien meist wenig durchschaubar. Am Ende achten Anleger, Fondsmanager und Analysten auf die Rating-Noten. Damit erhält ein Fondsmanager Empfehlungen, ob eine Aktie als nachhaltig einzuschätzen ist. Trifft dies zu, kann er damit einen Investmentfonds bestücken.

Der Wandel zur Wissensgesellschaft spricht wesentlich für Grüngeldanlagen

Warum nun ein solcher grüner oder ethischer Fonds bessere Anlageergebnisse ermöglicht als konventionelle Fonds, ist bislang nur andeutungsweise erkennbar. Der Schlüssel dazu scheint im Wandlungsprozess hin zu Wissensgesellschaften zu liegen. Immaterielles Vermögen wie Kompetenz und Motivation der Belegschaft, Kundenzufriedenheit, Markenname und Innovationskraft sind hier die gängigen Merkmale- - und die entziehen sich weitgehend Bilanzen und Gewinnund Verlustrechnungen. Eben diese Merkmale sind es aber, mit denen die Kauf- oder Verkaufempfehlung für Aktien üblicherweise von den Aktienanalysten begründet wird. Dass sich hinter den sozialen und ökologischen Ratings also außerdem eine neue Technik zur Erfassung versteckter, weil in der Bilanz nicht sichtbarer Werttreiber verbergen könnte, macht auch traditionelle Aktienanalysten zunehmend neugierig. So haben führende europäische Investmenthäuser vor einigen Jahren die Enhanced Analytics Initiative gegründet, die diese neuen Analysetechniken verfolgt und selbst an deren Weiterentwicklung mitarbeitet.
Da noch keiner den Stein des Weisen gefunden hat, fährt man "gut", wenn man einige Faustformeln bei der Anlageentscheidung beherzigt.

Auch wenn die Suche nach dem "heiligen Gral" in der Aktienanalyse nachhaltiger Unternehmen noch anhält, fühlen sich immer mehr Anlegerinnen und Anleger von der Vorstellung angezogen, Rendite und guten Zweck vereinbaren zu können. Sie sollten sich allerdings auch darüber im Klaren sein, dass die Anlage in grüne Aktien und ethische Aktienfonds nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass zentrale Grundsätze der Anlage in risikotragende Wertpapiere beachtet werden sollten:
  • Prüfung der eigenen Risikoeinstellung. Ist Mann/Frau wirklich ein "Aktientyp"? Es gibt mittlerweile auch festverzinsliche grüne Anlageprodukte wie Anleihefonds, aber auch Fonds mit Wertsicherungskonzepten.
  • Auch bei grünen Aktien gilt der alte Spruch der Börsianer: "Zum Ein- und Ausstieg wird nicht geklingelt!" Machen Sie sich ein Bild vom gegenwärtigen und zukünftigen Aktienniveau, z.B. anhand des DAX. Bei hohen Kursen zu kaufen, erhöht die Gefahr schneller in die Verlustzone zu geraten.
  • Beachten Sie ihren Anlagehorizont. Für wie lange können Sie Ihr Geld entbehren und in einer Fonds- oder Aktienanlage belassen? Zwar kann man in dringenden Fällen meist die Anlagen wieder verkaufen, aber u.U. zu sehr ungünstigen Kursen.
  • Bei grünen Aktien und Fonds gilt zudem, sich genau über die Auswahlmethodik zu informieren. Stimmt Ihre Vorstellung von sozial und ökologisch mit denen des Fondsmanagements, respektive der dahinter stehenden Rating-Agentur überein? Legen Sie Wert auf Ausschlusskriterien?
  • Achten Sie darauf, dass manche Anlageempfehlungen "grüne Pionier-Unternehmen" gut heißen. Hier müssen Sie daran denken, dass es meist Aktien mit geringer Handelbarkeit sein können. Manche von ihnen sind sogar überhaupt nicht an einer Börse notiert.
  • Beurteilen Sie sich selbst, wie viel es ihnen Wert ist, mit der Geldanlage Gutes zu tun. Sind Sie bereit, unter Umständen auch etwas auf Rendite zu verzichten?
Alles in Allem gilt also: auch grüne Aktien oder Investmentfonds erfordern einen sorgsamen Umgang wie mit allen Risiko tragenden Anlagen. Hinzu kommt aber, dass der soziale und ökologische Kern erkannt werden muss - und das ist nicht immer einfach.
 
 
Von Prof. Dr. Henry Schäfer, Universität Stuttgart
 
 

Prof. Schäfer ist Inhaber des Lehrstuhls "Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Finanzwirtschaft", Abteilung III des Betriebswirtschaftlichen Instituts der Universität Stuttgart.

Vor seiner Hochschultätigkeit war er in leitenden Funktionen als Senior Financial Consultant in einer internationalen Beratungsgesellschaft für Unternehmensfusionen und in deutschen Großbanken tätig.
Die Forschungsschwerpunkte von Prof. Schäfer liegen im Bereich der Bewertung von Vermögensobjekten vor allem unter Berücksichtigung des Realoptionsansatzes und nicht-finanzieller Parameter, der ökonomischen Analyse von Netzwerken, der Finanzierung von Start Up- und mittelständischen Unternehmen und der Marktmikrostrukturtheorie.
Eine besondere Bedeutung hat der Forschungsbereich "Sustainability & Finance".

Kontakt:
h.schaefer@bwi.uni-stuttgart.de
Prof. Dr. Henry Schäfer
Universität Stuttgart
www.uni-stuttgart.de/finance




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Quelle:
Lifestyle | Geld & Investment, 19.10.2007

     
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