Verbindung von Klimaschutz und Ästhetik

Gebäudeintegrierte Solartechnik

Solaranlagen sollten nicht Landschaften verunstalten, sondern im Rahmen des energieeffizienten ­Bauens für Einzelhaus, Industrie- und Verwaltungsbau oder Siedlung verbrauchsnah Energie liefern und ­zugleich gestalterische Akzente setzen. Ein Wettbewerb zeigt, wie das sowohl beim Neubau mit innovativen ­Gebäudehüllen wie auch bei der energetischen Sanierung gelingen kann.

Der Sieger: Beim ,Hof 8' besticht nicht nur die gelungene Optik der Solarnutzung. Die selbstbewusste Sanierungsmaßnahme vereint eine nachhaltige Materialauswahl mit modernster Technik. Eine Grundwasserwärmepumpe sowie Batteriespeicher und Elektromobilität sind Bestandteile eines integralen Energiekonzepts für den Plusenergie-Gebäudekomplex. ©Brigida Gonzalez „Deine hässlichen Solarpaneele kommen mir nicht aufs Dach", protestierte meine Schwester, als ich deren reizendes Haus mit Alpenblick aus vollster Überzeugung „solarisieren" wollte. Doch die blauen Platten mit wuchtigen Alurahmen widersprachen einfach ihrem ästhetischen Empfinden. Das sollte sich erst später durch rahmenlose, schwarze Module, integriert im Dach, lösen lassen…

Heute eröffnen Solarthermie wie Photovoltaik eine Vielzahl von Anwendungsmöglichkeiten und bieten qualitativ hochwertige Produkte. Durch eine architektonisch und technisch anspruchsvolle Integration von Solaranlagen in Dach und/oder Fassade wird die Sensibilität für die Verbindung von Gebäude und Solartechnik bei Bauherren und breiter Öffentlichkeit gesteigert und somit regenerativen Energien zu einer weiteren Verbreitung verholfen. Zur Erhöhung der Akzeptanz und zur weiteren Verbreitung des Themas lobt der Solarenergieförderverein Bayern den „Architekturpreis Gebäudeintegrierte Solartechnik" aus. Mit dem Preis werden herausragende Beiträge der Planung und Gestaltung gebäudeintegrierter Solaranlagen gewürdigt und die Öffentlichkeit auf beispielhafte Lösungen in anspruchsvoller Architektur aufmerksam gemacht. Der mit 15.000 Euro dotierte Hauptpreis geht 2017 an das Architekturbüro Klärle, Bad Mergentheim, für das Projekt „Hof 8", die Sanierung eines Bauernhofs.

Hof 8 – Plusenergiehof im Taubertal
Glaubensbekenntnis: Die querformatig angeordneten, rahmenlosen PV-Paneele gliedern mit einem Seitenverhältnis von 2:1 wohlproportioniert die Binnenfläche des ,solaren' Kirchturms und bilden einen wirkungsvollen Kontrast zur gestuften Fassadenbekleidung aus rotviolettem Rochlitzer Porphyr. ©Stefan MuellerDas Bauen im ländlichen Raum ist von zahlreichen Herausforderungen bestimmt. Dabei ist die energetische Sanierung des Gebäudebestands unter Einsatz nachwachsender Materialien ebenso von Relevanz wie die Nutzung Erneuerbarer Energien zur dezentralen Wärme- und Stromerzeugung. Für dieses vielschichtige Aufgabenfeld, das auch Aspekte von innerörtlicher Entwicklung und demographischem Wandel zu berücksichtigen hat, leistet nach Ansicht der Jury das Projekt „Hof 8” in einem ganzheitlich angelegten Konzept einen außerordentlichen Beitrag. Neben einem schlüssigen Nutzungsmix, dem Einsatz regionaler Produkte und der Wiederverwendung von Baumaterialien ist bei dem Ensemble eines ehemals landwirtschaftlich genutzten Bauernhofs die Photovoltaik (80 kW) vollflächig in die Dachflächen integriert. Die Aufdach-Montage der insgesamt 550 m2 großen Solaranlage besticht durch die sorgfältig detaillierte Behandlung der Dachränder. Die beim Übergang unterschiedlicher Dächer partiell entstehenden Restflächen sind mit farblich angepassten Blechen harmonisch ergänzt. Auch verdeutlicht die Kombination mit bestehendem Bruchsteinmauerwerk und neuen Holzfassaden die gestalterischen Potenziale marktüblicher Solartechnik. Beim „Hof 8" gelingt eine selbstbewusste Sanierungsmaßnahme, bei der eine Grundwasserwärmepumpe sowie Batteriespeicher und Elektromobilität Bestandteile eines integralen Energiekonzepts für den Plusenergie-Gebäudekomplex sind, das perspektivisch auch die Nachbarn einbezieht.

Die Arbeit setzt nach unserer Ansicht wertvolle Impulse für eine nachhaltige Weiterentwicklung des ländlichen Raumes und zeigt, dass Photovoltaik zu einem ganz selbstverständlichen Bauelement einer Gebäudesanierung werden kann.

Vom Dorf in die City
Förderung des Klima- und Umweltschutzes 
Der Solarenergieförderverein Bayern e.V. (SeV) wurde 1997 als Non-Profit-Organisation gegründet, um Erträge, die mit der 1 MW PV-Anlage Solardach München-Riem auf der Messe München erwirtschaftet wurden, wieder in die Förderung Erneuerbarer Energien fließen zu lassen. 85,8 Prozent der PV-Anlage gehörten dem SeV bis zum Jahr 2017. Mit seinen Stromerlösen aus der Anlage leis­tet er einen laufenden Beitrag zur Fortentwicklung und Markteinführung erneuerbarer Energien. Fast 4 Mio. Euro sind bisher für mehr als 200 Projekte aufgewendet worden. Neben dem Thema Solartechnik und Architektur gehören das Programm „Sonne in der Schule", die Hochschulförderung (SeV-Hochschulpreis) sowie Publikationen für Endverbraucher zu den Schwerpunkten der Aktivitäten. Der seit 2000 bereits zum siebten Mal ausgelobte „Architekturpreis Gebäudeintegrierte Solartechnik" zeigt die Qualität der Projekte sowie die Aktualität des Themas. Insgesamt 134 Projekte aus 26 Ländern sind für den Architekturpreis 2017 angemeldet worden. Die Ergebnisse werden nun u. a. in einer Wanderausstellung dokumentiert, die beim Solarenergieförderverein Bayern kostenfrei auszuleihen ist. Der nächste Wettbewerb findet im Jahr 2020 statt.
Die Jury vergab zudem zwei zweite Preise, dotiert mit jeweils 5.000 Euro. Sie gehen an das Aktiv-Stadthaus in Frankfurt am Main sowie an die Copenhagen International School. Plus­e­nergiegebäude im verdichteten, innerstädtischen Umfeld sind bislang noch rar, ein herausragendes Projekt mit Pilotcharakter in diesem Kontext ist das Aktiv-Stadthaus. Den Einreichern (HHS Planer + Architekten, EGS-plan) gelingt es unter schwierigen städtebaulichen Randbedingungen, auf einem 160 Meter langen und nur 9 Meter tiefen Grundstück, ein 8-geschossiges Mehrfamilienhaus mit 74 Wohneinheiten im „Effizienzhaus-Plus Standard" zu realisieren. Bei dem ambitionierten Energiekonzept ermöglichen Photovoltaik-Anlagen in Dach (251 kW) und Fassade (118 kW) mit Stromspeicher (250 kWh), Wärmepumpe und Pufferspeicher in Verbindung mit einem innovativen Energiemanagementsystem (EMS) in der Jahresenergiebilanz einen Endenergieüberschuss. Im Klimareport der ARD avancierte das ausgezeichnete Gebäude zum TV-Vorzeigeprojekt in Sachen Klimaschutz.

Der Neubau der Copenhagen International School (C.F. Møller Architects, ECIS), prominent am Wasser im Hafengebiet Nordhavn gelegen, ist charakterisiert durch eine sehr differenzierte Gliederung der Baumasse, die an gestapelte Schiffscontainer erinnert. Über einer teils verglasten Sockelzone erstrecken sich vor- und zurückspringende Baukörper, deren nahezu quadratische Glaspaneele ein lebhaftes Fassadenbild in hellblau bis türkisgrünen Farbtönen erzeugen. Der technisch und gestalterisch innovative Ansatz: Das speziell beschichtete Deckglas der monokristallinen Module rückt die Photovoltaik in den Hintergrund und ermöglicht neuartige farbige Solarfassaden, indem aufgedampfte Oxidschichten nur einen bestimmten Spektralbereich des Sonnenlichts reflektieren.

Vom Sozialbau bis zum Glitzerturm – die Auswahl fällt schwer
Auch die weiteren Preisträger haben uns in der Redaktion restlos begeistert.
Das Spektrum der Auszeichnungen reicht von der Transformation einer schlichten Siedlungshauszeile aus den 1930er-Jahren in ein attraktives Plusenergiehaus über ein Bürohochhaus, das beweist, dass eine Solarfassade in Verbindung mit dem Einsatz von Stringoptimierern eine elegante und zugleich leistungsfähige Alternative zu Naturstein- und Metallfassaden darstellen kann. Besonders angetan sind wir vom Neubau der Katholischen Propsteikirche St. Trinitatis in Leipzig. Ihm liegt ein ambitioniertes Nachhaltigkeitskonzept zugrunde, das von der Wahl dauerhafter regionaler Materialien bis zur sichtbaren Solarstromanlage reicht. Der „solare" Kirchturm am Rand der Leipziger Innenstadt ist eine wichtige städtebauliche Dominante und ein Bekenntnis der Kirchengemeinde zur Sonnenenergie.

Technik | Green Building, 01.12.2017
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2017 - Jetzt die SDG umsetzen erschienen.
     
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