Werbung nein danke – 10 Thesen

Der Volkswirt und forum-Autor Christian Kreiß fordert die sofortige Auflösung des deutschen Werberates wegen Befangenheit.

These 1: Werbung informiert nicht
Prof. Dr. Christian Kreiß © privatDie große Masse kommerzieller Werbung enthält für uns Verbraucher keine einzige sinnvolle Information. Werbung soll auch gar nicht informieren. Sie soll verkaufen. Zum Beispiel „Trink Coca Cola", „Freude am Fahren", „Jetzt ein Pils" usw.: Keine einzige sinnvolle Information ist darin enthalten, nicht einmal der Preis. Es sind rein emotionale Botschaften ohne jeglichen Informationsgehalt. Das zeigt auch die riesige Menge an völlig austauschbarer Werbung für Autos, Bier, Waschmittel, usw. Falls einmal ein Funke Information enthalten ist bekommen wir ihn hunderte Male eingebrannt, dann wird es spätestens bei der dritten Wiederholung zur Nicht-Information. Trotzdem glaubt fast die Hälfte der Bundesbürger, dass Fernsehwerbung informativ sei. Eine tragische, durch Werbung beeinflusste Fehlwahrnehmung, die nichts mit der Wirklichkeit zu tun hat.

These 2: Werbung führt in die Irre

Werbung ist immer einseitig, beleuchtet nur die Vorteile und unterschlägt die Nachteile. Was erfahren wir in der Bierwerbung über die Schattenseiten des Alkoholkonsums? Nichts. Werbung legt den beworbenen Produkten systematisch willkürliche, falsche und daher irreführende Eigenschaften bei. Beispiel Marlboro-Mann: Was hat Rauchen mit Reiten in der Wildnis und Freiheit zu tun? Nichts. Im Gegenteil: Rauchen macht abhängig statt frei.

These 3: Werbung lügt
Ein guter Teil kommerzieller Werbung beruht auf Lüge. Praktisch alle Fotos in der Kosmetikwerbung sind digital manipuliert, also verfälscht bzw. verlogen. In Chat-Foren werden bewusst Identitäten erfunden, die erlogene Aussagen machen. Pharmawerbung führt wegen Fehlaussagen strukturell zu Fehlbehandlungen. Lebensmittelkonzerne werben mit Pseudo-Krankenschwestern für künstliche Babynahrung. Der Zentralverband der deutschen Werbewirtschaft ZAW lügt, indem er die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Studie fälscht.

These 4: Werbung schädigt unsere freie Marktwirtschaft
Weil kommerzielle Werbung uns Verbraucher systematisch nicht informiert, sondern desinformiert, in die Irre führt und häufig lügt, sorgt sie für intransparente Märkte und schädigt so die freie Marktwirtschaft. Wir Kunden bekommen dadurch die für uns schlechteren, aber für die Konzerne lukrativeren Produkte. Zum Beispiel stark beworbene teure Markenprodukte statt no-name-labels, obwohl es exakt die gleichen Produkte sind.

These 5: Werbung macht unsere Produkte teurer
Der allergrößte Teil der Werbung ist Kampf um Marktanteile. Gesamtwirtschaftlich ist das vollkommener Unsinn, reine Vergeudung von Ressourcen. Es gab einmal eine Hirschart, bei der die Männchen mit den größten Geweihen die Weibchen bekamen. Das führte dazu, dass die Geweihe der Hirsche immer größer wurden. Schließlich ist die Hirschart wegen zu großer Geweihe ausgestorben, weil sie nicht mehr schnell genug fliehen konnten. Denn die Riesengeweihe sind außer zur innerartlichen Selektion praktisch zu nichts nütze. Genauso ist es auch mit der Werbung. Jedes einzelne Unternehmen bildet immer größere Werbe-„Geweihe", um im Marktkampf zu überleben: Ein vollkommen sinnloser Wettbewerb. Das sahen schon die klassischen Nationalökonomen so und forderten daher das Einstellen solcher Werbung. Zum Beispiel führt der Kampf um Marktanteile von Autos über Werbeschlachten lediglich zu einer Verteuerung der Autos, weil der Werbeaufwand auf den Produktpreis aufgeschlagen werden muss. Wir Verbraucher bekommen durch Werbung bunte Bilder und flotte Sprüche statt echte Produkte und Dienstleistungen – und zahlen dafür einen höheren Preis. Ein absurdes, aber stabiles System. Werbung für Werbung ist Idiotie in Reinform.

These 6: Werbung macht uns krank
Fußballstars werben für Cola, Burger, Süßes usw. Unsere Kinder himmeln ihre Stars an und glauben, dass sie dadurch auch einmal so sportlich, gesund und stark werden. Das ist aber eine Lüge. Fast alle Lebensmittelwerbung für Kinder, auch die unserer Stars, bewirbt ungesunde Ernährung, die unsere Kinder krank macht statt sportlich. Auch Pharmawerbung führt strukturell in die Irre und schädigt dadurch häufig die Patienten. Führende unabhängige Ärzte fordern daher seit langem ein totales Verbot von Pharmawerbung aller Art und von Kinderwerbung.

These 7: Werbung untergräbt in unseren Kindern den Sinn für Wahrheit
Von frühester Kindheit an sind wir 3000 bis 13000 Mal pro Tag den unehrlichen, einseitigen, irreführenden und verlogenen Werbebotschaften ausgesetzt. So wird unseren Kindern jeglicher Sinn für Ehrlichkeit, Wahrhaftigkeit und Wahrheit aberzogen. Ein Beispiel: Bei einem Schüler-Malwettbewerb mit etwa  40000 Kindern wählte etwa ein Drittel der Kinder zum Ausmalen von Kühen die Farbe Lila, wie sie in der Milka-Schokolade-Werbung verwendet wird. Auch die Eltern werden durch die massenweise auf unsere Kinder einhämmernde Werbung ständig unter Druck gesetzt. Dadurch werden Konflikte zwischen Kindern und Eltern geschürt. Bestes Beispiel sind die Süßigkeiten-Quengelprodukte auf Augenhöhe der Kinder an den Kassen der Supermärkte.

These 8: Werbung schadet der Pressefreiheit
Wess‘ Brot ich ess‘, dess‘ Lied ich sing. Gegen die Interessen der Werbegeldgeber zu schreiben ist für Journalisten häufig nicht einfach. Je mehr Werbung, desto einseitiger wird daher häufig die Berichterstattung in den betroffenen Medien. Unabhängige Studien belegen immer aufs Neue die Einflussnahme der Werbegeldgeber auf die Medienberichte. Werbung unterminiert daher unsere Pressefreiheit nach dem Motto: Die Hand die mich füttert, beiße ich nicht.

These 9: Werbung verhindert sinnvolle Gesetze
Die Gewinninteressen der werbetreibenden Unternehmen werden dank unermüdlicher und finanzstarker Lobbyarbeit bei Gesetzesvorhaben häufig höher gestellt als der Schutz von Verbrauchern. Beispiel Tabakwerbeverbote: Obwohl auf europäischer Ebene längst ein Außenwerbeverbot beschlossen wurde, sind Deutschland und Bulgarien die letzten Länder der EU, die Außenwerbung für Tabak weiterhin erlauben. In Deutschland liegt das an den massiven Lobbyanstrengungen. Beispiel Lebensmittelkennzeichnung: Die Lebensmittelkonzerne verhinderten mit milliardenschweren Lobbyanstrengungen die Einführung einer sinnvollen Ampel-Kennzeichnungspflicht für Lebensmittel auf EU-Ebene. Gegen „Big Tobacco" oder „Big Food" ist schwer zu regieren.

Christian Kreiß:
Werbung - nein danke.
Warum wir ohne Werbung viel besser leben könnten
 

Europa Verlag Berlin
12. September 2016
ISBN-10: 3958900593 | ISBN-13: 978-3958900592
352 Seiten
24,90 EUR

These 10: Sofortige Auflösung des deutschen Werberates wegen Befangenheit
Es gibt in Deutschland keine der britischen Werbeaufsichtsbehörde Advertising Standards Authority vergleichbare Instanz, die das ständige Brechen der Selbstverpflichtungsstandards und Gesetze durch Werbung kontrolliert und sanktioniert. Der Deutsche Werberat, der den  Anschein erweckt, dies bei uns zu tun, ist eine reine Farce. Der Deutsche Werberat ist in Wirklichkeit eine reine Interessenvertretung der werbetreibenden Unternehmen und des deutschen Werbeverbandes. Von einer neutralen, Verbraucherschutzinteressen vertretenden  Konfliktregelung kann keine Rede sein. Man sollte den Deutschen Werberat daher wegen Befangenheit sofort auflösen und einen ehrlichen, neutralen Werberat einführen oder, noch besser, eine unabhängige Werbekontroll-Behörde nach britischem Vorbild.

Prof. Dr. Christian Kreiß, Jahrgang 1962, studierte Volkswirtschaftslehre und promovierte in München über die Große Depression 1929 bis 1932. Nach neun Jahren Berufstätigkeit als Bankier in verschiedenen Geschäftsbanken, davon sieben Jahre als Investment Banker, unterrichtet er seit 2002 als Professor an der Hochschule Aalen Finanzierung und Wirtschaftspolitik. 2004 und 2006 hielt er an der University of Maine, USA, Master of Business Administration (MBA)- Vorlesungen über Investment Banking. Autor von vier Büchern; zahlreiche Veröffentlichungen, Vorträge, Rundfunk- und Fernsehinterviews zu Finanzkrise, geplantem Verschleiß, gekaufte Forschung, Werbekritik und Wegen in eine menschengerechte Wirtschaft. Homepage www.menschengerechtewirtschaft.de


Wirtschaft | Marketing & Kommunikation, 12.10.2016

     
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