Tourismus 2017

Ohne Nachhaltigkeit geht es nicht

Die Brancheninitiative Futouris versucht mit gemeinsamen Anstrengungen den Tourismus zukunftsfähig zu machen. Vorstandsmitglied Harald Zeiss stellt sich dazu den Fragen von forum Nachhaltig Wirtschaften.

Herr Zeiss, 2017 ist das Jahr des Tourismus für eine nachhaltige Entwicklung. Wieso ist das nötig? 
Prof. Dr. Harald Zeiss ist Vorstandsmitglied bei Futouris. Er studierte BWL und Politikwissenschaften und erwarb einen MBA in den USA. 2005 wurde er an der WHU in Vallendar promoviert. Anschließend wechselte er zum ­Reiseveranstalter TUI Deutschland für verschiedene Verantwortungsbereiche. Von 2009 bis 2016 leitete er dort das Nachhaltigkeitsmana­gement. Seit dem Jahr 2012 ist Zeiss außerdem Geschäftsführer des Instituts für nachhaltigen Tourismus Inatour. ©InatourDie UNWTO widmet alle Jahre einem besonderen touristischen Thema. 2017 wurde die nachhaltige Entwicklung ausgezeichnet. Interessant ist, dass der Schwerpunkt vor allem auf den sozio-ökonomischen Aspekten liegt, also Beschäftigung, Armutsminderung und die positiven Wirkungen des Tourismus auf lokale Wertschöpfungsketten. Für uns Deutsche steht beim Thema Nachhaltigkeit traditionell die Umwelt an erster Stelle. Insofern halte ich es für eine gute Gelegenheit, hier auch einmal die Handlungsmöglichkeiten des Tourismus auf soziale und ökonomische Aspekte zu lenken. Diese sind groß, denn weltweit hängt jeder 10. Job an touristischen Dienstleistungen und 7 Prozent der weltweiten Exporteinkünfte sind dem Tourismus zu verdanken. Ein enormer wirtschaftlicher Hebel! 

Welchen Beitrag kann Tourismus in Entwicklungsländern leisten?
Entwicklungs- und Schwellenländer können vom Tourismus profitieren, vor allem, wenn sie keine guten wirtschaftlichen Alternativen haben. Kleine Inseln sind häufig in dieser Situation, denn außer Fischfang und ggf. etwas Landwirtschaft gibt es für die Bevölkerung keine nennenswerten Einkommensmöglichkeiten. Tourismus ist da häufig ein gutes wirtschaftliches Standbein, wenn dieser sorgfältig geplant wird und die lokale Bevölkerung in Entscheidungen und dann auch in die wirtschaftlichen Erfolge einbezogen wird. Denn Touristen schätzen es ja gerade, wenn keine Industrien den Urlaub mit Abgasen, Lärm oder Abfall beeinträchtigen. Tourismus muss dabei auch für die Umwelt nicht zum Nachteil sein. Im Gegenteil: Im Vergleich zu anderen Branchen hat der Tourismus eine gute ökologische Bilanz, denn die Flächennutzung, der Ressourcenverbrauch und die Einbindung in die Natur gelingen besser, als bspw. bei einer Zementfabrik oder einer großen Zuckerrohrplantage.

Was kann Tourismus nicht leisten und wo ist ein staatliches Eingreifen notwendig?
Sie wollen mehr über das Thema Tourismus und Nachhaltigkeit wissen? Lesen Sie dazu unser Special "Nachhaltiger Tourismus für Entwicklung" in der aktuellen Ausgabe von forum Nachhaltig Wirtschaften mit dem Schwerpunkt "Sustainable Development".
Grundsätzlich sollten Staaten, die auf Tourismus setzen, eine Tourismuspolitik entwickeln und diese auch konsequent umsetzen. Das betrifft bspw. die Infrastruktur, Bebauungspläne und Gesetze, die es ermöglichen, die negativen Auswirkungen des Tourismus in Grenzen zu halten. Es gibt zahlreiche Studien und Leitfäden, wie dies umzusetzen ist. In der Realität halten sich aber nicht alle Destinationen daran, denn in vielen Ländern sind die Rechtsstrukturen schwach und die Profiteure der lokalen Eliten zahlreich. Das ist sehr schlecht für die Bevölkerung und letztendlich auch für den Wohlstand des gesamten Landes. Aber diese Situation ist nicht alleinig das Problem des Tourismus, sondern betrifft in der Regel alle Wirtschaftszweige. 

Welchen Beitrag leistet Futouris zu einem nachhaltigen Tourismus?
Die Förderung eines nachhaltigen Tourismus ist natürlich die Kernaufgabe von Futouris. Wir richten konsequent alle unsere Aktivitäten und Projekte an diesem Ziel aus. Unsere Möglichkeiten sind vielfältig und in den letzten Jahren sind zahlreiche Projekte umgesetzt worden, die es alle wert wären, hier Erwähnung zu finden. Genannt werden sollte aber auf jeden Fall die Entwicklung von Wassersparmaßnahmen in Hotels, um diese wichtige Ressource zum Beispiel in den Mittelmeerdestinationen zu schützen. Oder der Aufbau lokaler Lieferantenbeziehungen in Entwicklungs- und Schwellenländern, damit die lokale Wirtschaft stärker vom Tourismus profitieren kann. Auch hinsichtlich der Arbeitsbedingungen im Tourismus ist Futouris aktiv geworden und hat durch die Förderung von Qualifizierung und Ausbildung in Tunesien einen wichtigen Impuls gesetzt. Noch nicht umgesetzt, aber derzeit in der Ausarbeitung, ist die Förderung nachhaltiger Reiseangebote am Counter zusammen mit dem DRV und anderen Partnern. Ziel ist, Reisebüromitarbeiter fit für die Beratung von nachhaltigen Tourismusangeboten zu machen. Dank der Kennzeichnung dieser Angebote in den wichtigsten Reservierungssystemen, eine Maßnahme, die derzeit als Pilot bei Futouris-Mitgliedern getestet wird, kommen wir diesem Ziel auch schon deutlich näher. 

Haben Sie unter den gerade laufenden ein Lieblings­projekt? Wenn ja welches?
Mein Lieblingsprojekt oder besser gesagt Lieblingsthema ist unser aktuelles Leitthema „Sustainable Food". Im Rahmen dessen setzen wir momentan mehrere Modellprojekte um, in denen wir gemeinsam mit unseren Mitgliedern Lösungsansätze zur Förderung nachhaltiger Landwirtschaft in Destinationen entwickeln. Mit Hilfe der Vernetzung von lokalen Produzenten mit Hotels sowie der Qualifizierung von Hotelpersonal zu nachhaltiger Ernährung, Beschaffung und Reduzierung von Lebensmittelverschwendung kann es gelingen, das Angebot am Buffett deutlich nachhaltiger zu gestalten. Gäste profitieren von diesen Maßnahmen und bekommen ein abwechslungsreicheres und frischeres Angebot. Wichtig ist aber, dass dieses auch dem Gast entsprechend kommuniziert wird. Auch das ist Teil des Projekts, das wir wissenschaftlich begleiten lassen. 

Welche Rolle wird Nachhaltigkeit im Tourismus in Zukunft spielen?
Ich sehe das Thema Nachhaltigkeit als eine Conditio sine qua non. Ohne Nachhaltigkeit geht es nicht, wobei allen Beteiligten klar sein muss, dass ein 100 Prozent nachhaltiger Tourismus heute weiterhin kaum möglich ist. Aber die Angebote vieler Reiseveranstalter in Deutschland werden Schritt für Schritt nachhaltiger. Sowohl die großen als auch viele kleine Veranstalter haben zunehmend Produkte im Programm, die die Wünsche der Gäste nach mehr Umweltschutz und sozialer Verantwortung befriedigen können. Selbst große All-inclusive-Anlagen achten mittlerweile auf ihren Ressourcenverbrauch bei Wasser, Energie und Abfall. Nicht zuletzt, weil es auch eine Frage der Kosten ist. Und ich finde, selbst die häufig kritisierten Kreuzfahrtreedereien haben deutliche Anstrengungen in Richtung eines nachhaltigeren Produkts unternommen. Vor 10 Jahren hätte es noch niemand für möglich gehalten, dass 2018 das erste Schiff unterwegs sein wird, das komplett mit Flüssiggas betrieben werden kann. Trotz all dieser Erfolge sind wir noch lange nicht am Ziel und Futouris wird seinen Beitrag dazu leisten, die deutsche Tourismusbranche noch nachhaltiger zu gestalten. Dank der engagierten Mitglieder habe ich auch keine Zweifel, dass uns das gelingen wird.

Herr Zeiss, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen bei Ihrem Einsatz für nachhaltigen Tourismus weiterhin viel Erfolg.


Quelle: Futouris - Tourismus. Gemeinsam. Zukunftsfähig

Lifestyle | Sport & Freizeit, Reisen, 01.12.2017
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2017 - Jetzt die SDG umsetzen erschienen.
     
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