Die Hüter der Erde

Lehren, was moderne Zivilisation zu lernen hat

Mitten in den Bergen Kolumbiens lebt ein Indianerstamm, die Kogi, die es bis heute geschafft haben, sich dem Einfluss unserer Zivilisation zu entziehen. Nun haben Sie beschlossen, ihre Isolation aufzugeben, um unserer „Zivilisation" zu zeigen, wie wir mit dieser Welt umgehen sollten. Zur Verbreitung und Finanzierung Ihrer Botschaft nutzen Sie ein ganz besonderes Produkt.
 
Die Kogi haben es sich zur Aufgabe gemacht, uns, ihren „kleinen Brüdern", zu zeigen, wie wir mit der Erde umgehen sollten. Um ihre Botschaft begreifbar zu machen, haben sie das Projekt CAFÉ KOGI initiiert. Am Beispiel des Anbaus von Kaffee wollen Sie uns zeigen, wie nachhaltige Landwirtschaft bei ihnen funktioniert – und dass diese immer auch eine wichtige spirituelle Komponente hat, ohne die es nicht geht.
 
Eine fremde Welt
Máma José Gabriel, eines der spirituellen Oberhäupter der Kogi © Oliver DriverRund 18.000 Kogi-Indianer leben im Norden Kolumbiens – bis vor wenigen Jahren abgeschottet von unserer Zivilisation in einem Gebiet, das etwa so groß ist wie das Saarland. Es ist schwer, ihre andersartige Kultur mit Worten zu beschreiben. Als ich 2013 Kontakt zu den Kogi bekam und ihnen meine Unterstützung bei diesem Projekt anbot, hieß es: „Du musst zu uns in die Berge kommen, um es zu verstehen. Und dann werden wir entscheiden, ob Du der Richtige bist." Nach einigen Tagen in den Bergen verstand ich dann, was sie gemeint hatten. Unsere Normen und Regeln, unsere Sprache und unsere Sichtweise der Dinge kann die Welt der Kogi kaum erfassen. Ihre Welt ist so anders, dass sie nicht mit Worten zu beschreiben ist. Die Kogi haben dies sehr gut erkannt und so muss jeder, der mit ihnen arbeiten will, eine Woche zu ihnen in die Sierra Nevada. Als eine kolumbianische Werbeagentur eine Kaffeeverpackung für sie gestalten sollte, musste das gesamt Team hoch in die Berge. Durchaus möglich, dass die Kogi diesen Aufenthalt nutzen, um die Kandidaten auf Herz und Nieren zu überprüfen ...
 
Die Geschichte der Kogi
Die Kogi sind die Nachfahren der Tairona, einer uralten südamerikanischen Kultur, über die wenig bekannt ist. Niemand weiß, woher das im Norden Kolumbiens an der Karibikküste lebende Volk der Tairona kam, es hatte keine Schrift. Hier, wo tropischer Regenwald auf heiße, trockene Wüste, schneebedeckte Berge und karibisches Meer aufeinander treffen, lebten sie mindestens ab dem 2. Jahrhundert v.Chr. Ab etwa 900 n. Chr. zogen sie sich mehr und mehr in die Berge auf Höhen um die 1.000 Meter zurück, wo sie aufwendige Terrassenstädte errichteten. Die sagenumwobene ehemalige Hauptstadt Ciudad Perdida, die „verlorene Stadt", ist eine davon. Die Kogi empören sich noch heute über diesen Namen der Eroberer. Sie erzählen, dass sie sich damals in echtem Gold kleideten und dass sie alle uralt wurden. Erst als Kolumbus kam, änderte sich dies. Neue Krankheiten kamen. Sie wurden in ihrer spirituellen Arbeit gehindert. Als die Spanier nach 1500 diesen Teil Kolumbiens eroberten, leisteten die Kogi erbitterten Widerstand, mussten sich jedoch der Übermacht beugen. Gold und Land wurde ihnen geraubt, viele von ihnen starben. Die Überlebenden zogen sich immer höher in die Berge zurück.
 
Die Hüter der Erde
Die Botschafter mit dem Kaffee © Oliver DriverSchon immer sahen sich die Kogi als die Hüter der Erde. In Ritualen und Gebeten kümmerten sie sich um das Gleichgewicht von Geben und Nehmen. An bestimmten heiligen Plätzen begehen sie dazu Rituale und bieten der geistigen Welt spirituelle, in der Rege nicht materielle Opfer dar. Heilige Plätze sind die Gipfel der Berge, die Gletscherseen, die Quellen der Flüsse und auch deren Mündungen sowie viele kleine natürliche Besonderheiten wie Felsen und gewisse Punkte in der Natur. Nun geschah es mit dem Rückzug in die Berge, dass die Kogi nicht mehr alle heiligen Plätze erreichen konnten. Oder – noch schlimmer, dass diese von den Eroberern beschädigt, missbraucht und entweiht wurden. Die Verbindung zwischen den Gletschern auf den Bergen und den Flussmündungen im Meer ist ihnen heilig. Die Berge nähren das Meer, was wiederum den Regen erschafft, der neuen Schnee fallen lässt. Wird dieser Kreislauf gestört, so verdorren die Berge und das Meer kann nicht mehr genährt werden. Die Stätten wurden krank. Und irgendwann bemerkten die weisen Männer der Kogi, die Mámas, dass das Gleichgewicht in der Natur sich veränderte ...
 
Bunkwamaku – Reisender im Auftrag von Mutter Erde
Vor etwa 100 Jahren fand eine große Versammlung der Mámas und Würdenträger der Kogi statt. Damals beschlossen sie, dass sie sich nicht länger in den Bergen verstecken dürften. Und so machten sie sich auf, die tieferliegenden Gebiete wieder zu bewohnen. Manches Land war zwischenzeitlich von den Weißen aufgegeben worden, anderes war besitzerlos, wieder anderes erhielten sie von Stiftungen und Staat zurück. Vielerorts stießen sie aber auch auf Widerstand und auf die Missionare, die sie bekehren wollten. Dann, irgendwann im Jahre 1938 wurde in der Sierra Nevada de Santa Marta ein Baby geboren. Wie bei den Kogi üblich, gehen die Mámas nach der Geburt in Kontakt mit Aluna, dem göttlichen Prinzip, und fragen nach der Bestimmung des Kindes. Sie erhielten die Antwort, dass Bunkwamaku dazu auserwählt sei, den Kontakt zu den „Kleinen Brüdern" zu pflegen. Die Kleinen Brüder sind wir Weißen. Wir sind in den Augen der Kogi wie kleine Kinder, die nicht hören wollen, nichts als Unfug treiben und in den Tag hinein leben, als gäbe es kein Morgen. Die Kogi sind die erstgeborenen, nachsichtigen älteren Brüder, die auf uns aufpassen und vieles wieder ausbügeln müssen, was die kleinen ausge- fressen haben. Sie ärgern sich darüber, wie naiv die Kleinen Brüder mit der Erde umgehen. Aber sie lieben ihre Brüder auch und möchten ihnen helfen.
 
Kalashe schickt eine Botschaft
Auf dem Land, das die Kogi sich nach und nach wieder aneigneten, trafen sie auf Kaffeebäume. Teilweise schon alt, waren diese dort von Kaffeepflanzern einmal kultiviert und irgendwann wieder aufgegeben worden. Der Wald hatte sich ihrer ermächtigt und so wuchsen sie im Einklang mit vielen anderen Pflanzen für viele Jahre. Einige Kogi ernteten die Kirschen und verarbeiteten sie mehr schlecht als recht. Die Koyoten genannten, mit Maultieren durch die Berge ziehenden Händler tauschten den Kaffee gegen Töpfe, Schnickschnack und auch Alkohol. Doch eines Tages vor vielleicht sechs Jahren sprach der Gott des Waldes und der Bäume Kalashe zu einem Máma, als der sich in einer Meditation befand: „Siehe die alten Kaffeebäume auf Eurem Land in den Wäldern. Ihr erntet manchmal den Kaffee und verkauft ihn an fahrende Händler für wenig Geld. Diese Kaffeebohnen reisen um die ganze Welt. Kolumbianischer Kaffee ist hoch geschätzt und wird in Amerika, Europa, Asien überall getrunken. Stellt Euch vor, dass die Bohnen sprechen könnten. Wäre es nicht gut, wenn Sie die Botschaft der Kogi auf der Welt verbreiten?" Dieser Máma verstand schnell, was Kalashe ihm sagen wollte. Der Kaffee der Kogi konnte ein Mittel sein, die Menschen auf der ganzen Welt so zu verbinden, dass sie die Botschaft der Kogi hören.
 
Bunkwamaku – der Botschafter mit dem Kaffee
'Wäre es nicht gut, wenn Sie die Botschaft der Kogi auf der Welt verbreiten?' © Oliver DriverIrgendwann lernte Bunkwamaku ausreichend Spanisch, um sich auch mit den Weißen zu verständigen. So reiste er als Botschafter der Kogi in die Welt und sprach über deren Botschaft. Er besuchte Caracas, Peru, New York, London und letztlich 2013 Paris. Von dort fuhr er mit einem Freund und Unterstützer der Kogi nach Köln und besuchte die ANUGA, die weltgrößte Nahrungsmittelmesse, um Partner für das Kaffeeprojekt zu finden. Am Abend dieses Tages war er zu einem Vortrag bei Fairtrade in Bonn eingeladen. Ich war ziemlich zufällig ebenfalls dort. Einfach neugierig, einen dieser sagenumwobenen Kogi zu sehen, hatte ich die von einer Bekannten weitergeleitete Einladung zum Vortrag kurzfristig wahrgenommen. So kam ich zu diesem Projekt, das ich von da an gerne unterstützen wollte. Doch nun zurück zum Kaffee.
 
Die Anbauprinzipien
Das agrarökologische System der Kogi ist komplex und nicht generalisierbar. Was es einzigartig macht, ist die von unserer Kultur unbeeinflusste Art, die wertvolles Wissen für uns in sich birgt. Der Rohkaffee „Café Teyuna" wird in Höhen von 800 bis 1.700 Metern angebaut. Etwa 1.600 Familien haben Kaffee auf ihrem Land. Die Ernte jeder Familie beträgt im Schnitt nur wenige Säcke. Der Anbau von CAFÉ KOGI basiert auf vier fundamentalen Prinzipien, die die Kogi auch von ihren Partnern akzeptiert sehen wollen.

Weiterbildung
Das Wissen über den Umgang mit den Kaffeebäumen und der Natur erlernt bereits jedes Kind. Beeindruckend ist, wie professionell die Kogi sich Hilfe suchen für Bereiche, in denen sie sich verbessern wollen. So wurden eine Handvoll Kogi durch einen amerikanischen Kaffeespezialisten darin ausgebildet, wie und wann die Kaffeekirschen von ihrem Fruchtfleisch befreit werden sollten. Sie lernten, dass Qualität und Geschmack davon abhängen, wie lange und bei welchen Temperaturen die Bohnen in einem Bottich voll Wasser fermentieren. Heute wird jeder einzelne Kogi, der beim Projekt CAFÉ KOGI mitmacht, von den anderen im Einzelunterricht ausgebildet. Dies hat dazu geführt, dass sich CAFÉ KOGI in die Riege der Spezialitätenkaffees einordnen kann.
 
Die Zukunft
Máma José Gabriel © Oliver DriverIn Kolumbien wird der Kaffee von der Gemeinschaft der Kogi – einer Art Genossenschaft – auch selbst geröstet und gemahlen unter dem geschützten Markennamen „Café Kogi" in über 50 Geschäften und Supermärkten verkauft. Maschinen zum Mahlen und Abfüllen des Kaffees wurden von der deutschen Botschaft in Kolumbien gestiftet. Das Ziel ist es, etwa 100 Tonnen jährlich selbst zu verarbeiten und auf dem kolumbianischen Markt zu platzieren. Als nächster Schritt steht folgerichtig die Weiterbildung der Röstanfänger durch einen erfahrenen Röstmeister an. Ähnliche Projekte mit Mehl und getrockneten Früchten starten gerade. Durch den Kauf dieser Produkte trägt man dazu bei, dass eine einzigartige Kultur sich selbst erhalten kann – ohne Entwicklungshilfe, die sie konsequent ablehnt. Noch wichtiger aber ist vielleicht, die Weisheit der Kogi im Umgang mit der Natur bei uns zu verbreiten und daraus Ansätze zu entwickeln, die auch unsere Landwirtschaft nachhaltiger machen. Und dies alles muss so geschehen, dass die Kultur der Kogi weiterleben kann und nicht durch den Kontakt zu uns und unserer Marktwirtschaft gefährdet wird.
 
Die Botschaft der Großen Brüder
„Wir sind da, um dieses Gebirge zu beschützen,
denn so beschützen wir die Erde und die Welt.
Alle Gebirge liegen im Sterben,
denn der Kleine Bruder zerstört sie,
indem er Kohle und Öl daraus hervorholt und die Erde überwärmt.
Wir sind dafür nicht verantwortlich, aber wir leiden darunter.
Wir sind die Großen Brüder, es liegt in unserer Verantwortung,
über die Erde und die Welt zu wachen.
Wir müssen das Gleichgewicht bewahren,
und wir führen dafür die ganze spirituelle und geistige Arbeit aus.
Wir sind traurig, zu sehen,
dass nicht alle Menschengruppen das tun, was sie tun sollten,
um die Erde zu achten.
Wir brauchen den Kleinen Bruder, damit er uns hilft.
Ihr müsst die Erde und die Welt verstehen lernen.
Der Kleine Bruder muss uns helfen,
unsere Erde wieder zurückzuerhalten.
Helft uns, das Herz der Welt zu schützen!"
 
Weitere Informationen:
 
Oliver Driver
ist Geschäftsführer der URWALDKAFFEE GmbH, Bauingenieur, Coach und Autor. Nach einer Karriere in der Immobilienwirtschaft setzt er seit 2013 all seine Energie in das Projekt CAFÉ KOGI, da ihn die Weisheit und Zielstrebigkeit der Kogi begeistert hat.

Gesellschaft | WIR - Menschen im Wandel, 01.10.2015
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2015 - Ertrinken wir in Plastik? erschienen.
     
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