Den CO2-Fußabdruck der Filme senken

Ein Gespräch mit Birgit Heidsiek, Herausgeberin des unabhängigen Medienmagazins Green Film Shooting.

Klimaschutz und Nachhaltigkeit spielen bei den meisten Film- und Fernsehproduktionen in Deutschland noch keine Rolle. Dabei lässt sich mit einem energieeffizienten Einsatz von Ressourcen sogar Geld sparen. Ein Gespräch mit Birgit Heidsiek, Herausgeberin des unabhängigen Medienmagazins Green Film Shooting.
 
Wie nachhaltig ist die Filmproduktion in Deutschland?
Birgit Heidsiek, Herausgeberin des unabhängigen Medienmagazins Green Film Shooting. © Birgit HeidsiekAls wir im Herbst 2012 mit der Produktion der ersten Ausgabe unseres Magazins Green Film Shooting begonnen haben, gab es nur wenige Produktionen wie die ZDF-Vorabendserie „Der Landarzt", die mit einem nachhaltigen Konzept produziert worden sind. Die Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein (FFHSH) hatte gerade als erste Filmförderung in Deutschland den „Grünen Drehpass" mit entsprechenden nachhaltigen Empfehlungen initiiert und das Bavaria Filmstudio als erstes Unternehmen in Europa sein Studio klimafreundlich umgerüstet.
 
Seitdem gibt es eine wachsende Anzahl von Film- und Fernsehproduktionen, die auf eine nachhaltige Herstellung und eine Senkung des CO2-Fußabdrucks setzen; darunter die Kino-Komödie „Buddy" von Michael Bully Herbig, Fernsehproduktionen wie „Bloß kein Stress" von Lars Jessen, TV-Serien wie „Großstadtrevier" und „Hafenkante", die Daily Soap „"Sturm der Liebe", aber auch viele Kurzfilme von jungen Nachwuchsregisseuren und Filmstudenten. Junge Talente sind oftmals offener für nachhaltige Produktionen, da sie noch keiner Routine folgen, die sich im Laufe der Jahre entwickelt.
 
Wie macht sich das wachsende Engagement in der Medienbranche für nachhaltige Produktionen bemerkbar?
Es ist auffällig, dass die Möglichkeit, auch Filme nachhaltig produzieren zu können, inzwischen nicht nur Erstaunen hervorruft, sondern durchaus das Bewusstsein dafür wächst, dass „grünes Produzieren" bereits praktiziert wird – und zwar hier und heute. Interessant zu beobachten ist dabei, dass eine zunehmende Anzahl von „grünen Events" kreiert werden, was sehr zu begrüßen ist. Der Ansatz „green is sexy" ist gut und richtig. Wir haben diesen bewusst beim Layout unseres grünen Medienmagazins Green Film Shooting gewählt, um nicht das Image der alternativ denkenden, Müsli-essenden Öko-Freaks im selbst gestrickten Outfit zu bedienen, das in den 70er und 80er Jahren eher belächelt worden ist. Allerdings geht es uns primär darum, Inhalte zu vermitteln und kein Greenwashing zu betreiben. „Grüner Glamour" allein nützt gar nichts; wir wollen Taten sehen.
 
Was muss geschehen, damit mehr Filme nachhaltig produziert werden?
Die wirkungsvollste Maßnahme wäre, Nachhaltigkeit in die Richtlinien des Filmförderungsgesetzes (FFG) zu implementieren. Wenn die Vergabe von Fördergeldern bzw. eines Teils der Fördergelder an Auflagen gekoppelt wird, dass Filmproduktionen ihren CO2-Fußabdruck erheben müssen, wird sich jeder Produktionsleiter damit beschäftigen, z.B. bei der Bestückung des Fuhrparks zwischen Elekto-, Hybrid – oder Dieselfahrzeugen zu wählen oder stromsparende LED-Scheinwerfer einzusetzen. Erst wenn emissionsarme Produkte in einer großen Stückzahl nachgefragt werden, sinkt der Preis, wodurch wieder herum die Marktakzeptanz steigt.
 
Welche Maßnahmen wären außerdem sinnvoll?
Die Förderung beginnt damit, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass nachhaltig produziert werden sollte. Wenn dieser erste Schritt erfolgt ist, geht es darum, diesen Ansatz umzusetzen, was bedeutet, in regional angebotenen Seminaren und Workshops das entsprechende Know-How zu vermitteln und Erfahrungen weiter zu geben. Rein finanzielle Anreize wie einen „grünen Bonus" als Belohnung zu vergeben, sind nicht praktikabel, denn nachhaltiges Produzieren soll selbstverständlich werden. In Südfrankreich wurde drei Jahre lang eine Zusatzprämie gezahlt, um Produzenten zum grünen Drehen zu bewegen. Als dieses Programm auslief, sind auch keine nachhaltigen Produktionen mehr entstanden.
 
Warum ist es so schwierig, die Produzenten zum nachhaltigen Produzieren zu bewegen?
Die größten Hindernisse sind stets die in den Köpfen der Menschen. Diese Mentalität resultiert oft aus einer Mischung aus persönlicher Inflexibilität, Angst vor Veränderungen und Bequemlichkeit. In der Film- und Fernsehproduktion sind Zeit und Geld stets knapp. Eine nachhaltige Produktionsweise erfordert jedoch eine frühzeitige Auseinandersetzung mit nachhaltigen Aspekten in den verschiedenen Gewerken der Produktion. Das bedeutet, dass eingespielte Workflows geprüft, in Frage gestellt und teilweise verändert werden müssen, was mit Aufwand und Arbeitszeit verbunden ist und somit einen Kostenfaktor darstellt. Andererseits können durch einen effizienteren Umgang mit Ressourcen wie Strom oder Zusammenlegung von Fahrten durch Fahrgemeinschaften zum Set sogar Kosten gespart werden.
 
Bedeutet nachhaltige Produktion nicht automatisch mehr Kosten?
Nein, nicht zwangsläufig. Bei einigen Produktionen kann durch nachhaltiges Wirtschaften der Kostenaufwand sogar gesenkt werden. Bei jeder Produktion gibt es andere Anforderungen. Generell sind Energie und Transport oftmals die größten Positionen, bei denen sich Emissionen z.B. durch Reduzierung von Flügen oder einen festen Stromanschluss am Motiv senken lassen. Während die Wiederverwertung von Kulissen und Kostümen sowie Müllvemeidung und -trennung sich sowohl in der ökonomischen als auch in der ökologischen Bilanz positiv niederschlagen, ist das Catering mit Biokost teurer. Qualität hat eben ihren Preis. Doch unter dem Strich gibt es bereits Beispiele für Produktionen, die durch den schonenden und sparenden Umgang mit den Ressourcen durchaus unnötige Ausgaben vermeiden konnten.
 
Was bedeutet das konkret?
An einem Filmset arbeiten je nach Größe der Produktion zwischen 40 und 300 Teammitglieder, die an einem Drehtag im Durchschnitt mindestens drei kleine Mineralwasserflaschen trinken. Statt einzelne Einwegflaschen aus Plastik auszugeben, sind Wasserspender und wiederverwertbare Trinkflaschen eine Alternative für die Umwelt und das Produktionsbudget. Bereits solch ein kleiner Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz kann eine erstaunliche Wirkung entfalten. Allein bei der Produktion des Hollywood-Blockbusters „The Amazing Spider-Man 2" wurden rund 198.000 Einwegwasserflaschen eingespart, die ausgereicht hätten, ganz Manhattan zu umrunden. Daher lautet die Devise: Recycling ist gut, aber Müllvermeidung ist besser.
 
Stoßen die Filmproduktionen nicht spätestens beim Kulissenbau an ihre Grenzen?
Gerade im Bereich Produktion Design gibt es viele Möglichkeiten, Wertstoffe einzusetzen, die kompostierbar sind. Dazu gehört beispielsweise Bambus, der als nachwachsende Pflanzenfaser geradezu für den Dekobau prädestiniert ist, da er biegsam und leicht ist. Zu den umweltverträglichen Materialien, die sich beim Dekobau verwenden lassen, gehört auch ein Kunststoff- und Styropor-Ersatzprodukt aus Pflanzenabfällen, die mit einem Pilz beträufelt werden. Dieses Material besitzt ein großes Potential für den Set-Bau, denn es ist wetter- und wasser-resistent, nicht brennbar und komplett biologisch. In den USA wird dieses Myko-Material bereits für Bauteile, zur Polsterung von Fahrzeugen oder der Herstellung von Surfbrettern verwendet. Inzwischen gibt es schon zu vielen Produkten grüne Alternativen. Das Angebot reicht bis hin zu einem Gewebeband auf Basis von nachwachsenden Materialien, welches das klassische Gaffer Tape ersetzt.
 
Wie experimentierfreudig sind die Beleuchter bei den Film- und Fernsehproduktionen?
Aufgrund des Zeit- und Kostendrucks, der bei Film- und Fernsehproduktionen herrscht, scheuen sich die Beleuchter, mit anderen Methoden zu arbeiten. Natürlich lässt sich ein Scheinwerfer besser kontrollieren als das Tageslicht, welches sich durch die Wolkenbewegungen verändert. Alles, was Zeit kostet oder unbeständig ist, wird vermieden. Dank dem Einsatz von lichtempfindlichen Kameras wäre es möglich, sparsamerer mit dem Licht umzugehen. Doch die Teams sind es gewohnt, den LKW mit dem klassischen Equipment voll zu packen. Am Set wird oftmals eine ganze Batterie von Scheinwerfern aufgebaut, um auf Nummer sicher zu gehen. Bei Innenaufnahmen ist der Einsatz von energieeffizienten LED-Scheinwerfern eine gute Alternative, auf die inzwischen auch Fernsehstudios bei der Umrüstung setzen, da damit die Stromkosten für die Scheinwerfer und Klimaanlagen auf bis zu ein Drittel reduziert werden können. An der Optimierung von LED-Scheinwerfern für den Außendreh wird ebenfalls gearbeitet. Aber auch das Sonnenlicht lässt sich mit Hilfe von Reflektoren oder Heliostaten aus der Gebäudetechnik bündeln bzw. streuen. Es gibt viele Mittel und Wege, kreativ mit dem Licht umzugehen.
 
Inwieweit werden nachhaltige Lösungen praktisch umgesetzt?
Die Voraussetzung dafür ist, dass die Bereitschaft besteht, sich damit auseinanderzusetzen. Bei den strikt hierarchisch strukturierten Film- und Fernsehproduktionen lässt sich das nur realisieren, sofern der Produzent und der Regisseur die Möglichkeiten einer nachhaltigen Umsetzung bereits in der Vorproduktionsphase mit den verschiedenen Gewerken erörtern. Um ein nachhaltiges Konzept zu erarbeiten, können so genannte Eco-Consultants als Experten engagiert werden. Auch am Set selbst ist es wichtig, einen Eco-Supervisor einzusetzen, der die Einhaltung der grünen Maßnahmen überprüft und als Ansprechpartner für die Team-Mitglieder vor Ort ist. Mitunter übernehmen auch die Produktionseiter selbst diese Aufgabe. Bei der Produktion von Vorabendserien wie „Großstadtrevier" oder „Notruf Hafenkante" der Studio Hamburg FilmProduktion setzt der Produktionsleiter die grünen Maßnahmen jeden Tag auf die Dispo, die selbstverständlich nur elektronisch verschickt wird. Inzwischen gehört dort die Bildung von Fahrgemeinschaften genauso zum Produktionsalltag wie die Verwendung von Mehrweggeschirr. Darüber hinaus hat das grüne Produzieren den Nebeneffekt, dass die Sensibilisierung für einen sparsamen Umgang mit den Ressourcen dazu führt, dass die Teammitglieder auch bei ihrem privaten Konsum stärker auf Nachhaltigkeit setzen.
 
Birgit Heidsiek ist als Journalistin für nationale und internationale Fachzeitungen, Tageszeitungen und Online-Dienste im Film- und Medienbereich tätig. Als Herausgeberin des Branchen Bulletin betreibt sie das Medienmagazin Green Film Shooting sowie die deutsch-englische Internetplattform www.greenfilmshooting.net

Umwelt | Ressourcen, 01.10.2015
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2015 - Ertrinken wir in Plastik? erschienen.
     
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