Höher, breiter, teurer:

Gebäude im Größenwahn

Die Immobilienbranche baut Häuser bis zum Himmel, lässt bei Nachhaltigkeit aber Luft nach oben. Die Ratingagentur oekom research hat den Sektor untersucht und liefert ein kritisches Bild.

830 Meter ragt der Burj Khalifa in den Himmel von Dubai und ist momentan das höchste Gebäude weltweit. Auf der Jagd nach Rekorden gerät Nachhaltigkeit aber oft in Vergessenheit.
Foto: © Rob Young, CC BY 2.0 - Flickr
Es herrscht Gigantonomie im Immobilienbereich. Das flächenmäßig größte Gebäude der Welt, das Terminal 3 im Flughafen von Dubai, hat eine Nutzfläche von 1,5 Millionen m2. Das weltweit höchste Gebäude, der Burj Khalifa, der ebenfalls in Dubai steht, erreicht eine Höhe von 830 Metern.

Gigantisch sind in einigen Städten inzwischen auch die Mieten: Tokio hat nach einer aktuellen Untersuchung das weltweit höchste Mietniveau. Rund 3.200 Euro löhnt man hier monatlich für eine unmöblierte 3-Zimmer-Wohnung mit rund 80 m2. In Europa ist London ganz vorn bei den Mietpreisen - in der City kostet eine vergleichbare Wohnung 2.500 Euro. Wie aber hält es die Branche mit Nachhaltigkeit?

Die Nachhaltigkeits-Ratingagentur oekom research hat 148 Unternehmen aus der Immobilienbranche danach untersucht, welche Rolle Themen wie Energieeffizienz, ökologisches Bauen und Gesundheit spielen. Die im Rahmen dieser Studie betrachteten Unternehmen sind in allen Bereichen der Immobilienbranche tätig. Sie investieren in Immobilien, vermieten und verwalten Büroflächen, Wohnraum, Einkaufszentren oder Lagerhallen. Da Immobilienunternehmen auch neue Projekte planen, bauen oder deren Bau in Auftrag geben, bestehen teilweise Überschneidungen mit der Baubranche.

oekom hat 148 Unternehmen aus der Branche Real Estate in 27 Ländern, davon 28 aus den USA, 20 aus Hongkong, 15 aus Japan und zehn aus Australien, untersucht.


Gebäude verursachen ein Drittel aller CO2-Emissionen

Gebäude tragen in den Industriestaaten ungefähr zu 40 Prozent zum Energieverbrauch bei und verursachen somit einen Großteil der energiebezogenen Treibhausgasemissionen (THG). Weltweit sind sie für ca. ein Drittel aller CO2-Emissionen verantwortlich. Der größte Anteil entsteht durch Heizen, Kühlen, Lüften und Beleuchten.

Daher sind energieeffiziente Gebäude ein zentraler Pfeiler für den Klimaschutz. Durch Isolierung der Gebäudehülle, begrünte Dächer, natürliche Lüftung und Berücksichtigung der Sonneneinstrahlung reduzieren energieeffiziente Gebäude den Energieverbrauch zum Heizen oder Kühlen. Auch energiesparende Leuchtmittel, automatisierte Beleuchtung und Wärmerückgewinnung helfen, Energie einzusparen.

Das gilt nicht erst beim Kauf von Immobilien. Insbesondere Gebäude, die älter als 30 Jahre sind, können durch eine energetische Sanierung sehr viel Energie einsparen. Energieeffizienzmaßnahmen sollten also vor allem auf Altbauten abzielen.

Wetterextreme gefährden Immobilienwert

Erneuerbare Energien, wie die Gewinnung von Strom aus Solarzellen, helfen, die CO2-Emissionen zu verringern. Eine energieeffiziente Gebäudeverwaltung muss Verbrauchsdaten erheben und Reduktionsziele festlegen. Nicht zu unterschätzen ist hier der Einfluss der Mieter. "Grüne" Mietverträge verpflichten Mieter, Umweltaspekte einzuhalten.

Die Klimastrategie von Immobilienunternehmen sollte eine Analyse der physischen Risiken des Klimawandels enthalten und aufzeigen, wie sich das Unternehmen dagegen wappnet. Denn die Zunahme von Stürmen und Überflutungen sowie der Anstieg des Meeresspiegels können den Wert von Gebäuden oder Grundstücken erheblich beeinträchtigen. Als Bauland ausgewiesene Flächen schrumpfen.

Ökologisches Bauen und Sanieren

Eine ökonomische und ökologische Lebenszyklusanalyse sollte schon in der Planung die Abrisskosten berücksichtigen und im Blick haben, dass die Herstellung von Materialien wie Stahl und Zement viel Energie kostet. Nachwachsende Rohstoffe können in die Wärmedämmung fließen, etwa in Form von Holzfaserdämmplatten, Schafwoll- oder Flachsdämmung.

Wiederverwertetes Material reduziert die zur Entsorgung anfallenden Mengen an Bauschutt drastisch. Beachtet man zudem Haltbarkeit und Wartungsfreundlichkeit der Baustoffe, sinken langfristig auch die Kosten.

Die Bauweise eines umweltverträglichen Gebäudes berücksichtigt auch den Wasserverbrauch. Dazu gehören die Suche nach und die Reparatur von lecken Leitungen sowie die Installation automatischer Armaturen und WC-Spülkästen mit Zwei-Mengen-Technik. Für die Toilettenspülung und die Gartenbewässerung reicht Regen- oder Brauchwasser. Während des Baus sollte man den Wasserverbrauch kontrollieren und anfallendes Abwasser behandeln.

Wohlbefinden steigern, düstere Ecken vermeiden

Grün gedacht, grün gemacht: Gebäude tragen in den Industriestaaten ungefähr zu 40 Prozent zum Energieverbrauch bei. Begrünte Dächer und Fassaden kühlen Gebäude im Sommer, dämmen sie im Winter und verwandeln triste Straßenzüge in vertikale Parkanlagen.
Foto: © iStockphoto
Menschen verbringen einen Großteil ihrer Lebenszeit in Gebäuden. Daher sollten Entwickler und Vermieter von Wohngebäuden, Büroimmobilien und Einkaufszentren dafür sorgen, dass die Luftqualität nicht unter schädlichen Ausgasungen der Baumaterialien leidet.

Die untersuchten Unternehmen GPT Group und Unibail-Rodamco verwenden etwa bevorzugt Farben, Klebstoffe und Bodenbeläge mit niedrigem Anteil an flüchtigen organischen Bestandteilen. Zusätzlich sollten Unternehmen auch darauf achten, Lärm und elektromagnetische Felder in Wohnungen zu vermeiden. Generell ist es für Gebäudenutzer attraktiv, wenn sie ihre Umgebung selbst kontrollieren können, z.B. indem sie die Heizung, Kühlung und Beleuchtung in Räumen individuell regulieren und die Fenster zum Lüften öffnen können.

Studien zeigen außerdem, dass Büroarbeitsplätze mit Blick ins Freie die Produktivität steigern und Einkaufsflächen mit Tageslicht den Umsatz erhöhen. Damit sich Gebäudenutzer sicher fühlen, sollte man in der Planungsphase düstere Ecken rund um das Gebäude vermeiden.

Nicht selbstverständlich: Sicherheit für Bauarbeiter

Bewertung ausgewählter Unternehmen bei Richtlinien/Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz; Skala: 0 bis 100 (Bestnote); Stand 10.01.2013; Quelle: oekom research (2013).
Gesundheit und Sicherheit der Bauarbeiter ist immer noch keine absolute Selbstverständlichkeit. Selbst etablierte Unternehmen beklagen immer wieder tödliche Unfälle. Einige Immobilienunternehmen sind selbst Bauunternehmer und tragen somit direkt Verantwortung für den Arbeitsschutz ihrer Angestellten. Andere lagern Bauaktivitäten aus und sind damit indirekt - über Auswahl und Überwachung der Subunternehmer - für die Sicherheitsstandards auf den Baustellen verantwortlich.

Die starke Konkurrenz im Bausektor und die Auftragsvergabe an kleine Firmen gefährden allerdings Arbeitnehmerrechte, angemessene Arbeitszeiten, eine faire Bezahlung oder das Recht, sich gewerkschaftlich zu organisieren. Nur verhältnismäßig wenige Unternehmen (z.B. GPT Group und Hammerson) wirken diesem Trend durch Standards für Lieferanten und Auftragnehmer entgegen.

Die Standortwahl: Lieber Innenstadt als grüne Wiese

So soll man es nicht machen: Das Einkaufszentrum liegt zwar im Grünen, ist aber fernab der Stadt und somit nur mit dem Auto zu erreichen. Nachhaltige Projekte unterstützen die soziale und ökologische Regenerierung der Innenstädte, sind aber eine große Herausforderung für die Immobilienunternehmen. Sie müssen darauf achten, ihre Projekte gut in die Stadtplanung einzubinden und den Dialog mit Anwohnern und Kommunen zu führen.

Innovative Projekte mischen die Lebensbereiche (Arbeiten, Wohnen und Einkaufen). Sie revitalisieren die Innenstadt, schaffen Arbeitsplätze, sind im Viertel willkommen und finden schnell Mieter. Insbesondere Immobilienentwicklungen außerhalb von Städten sollten mit dem Nahverkehr erreichbar sein. Eine systematische Umweltverträglichkeitsprüfung, die Artenschutz, Auswirkungen auf das Mikroklima, Altlasten im Boden und effizienten Flächenverbrauch berücksichtigt, gehört zum Standard.

Bei Nachhaltigkeit hat die Immobilienbranche Aufholbedarf

Bewertung der Maßnahmen von ausgewählten Unternehmen, um Gesundheit und Wohlbefinden der Gebäudenutzer sicherzustellen; Skala: 0 bis 100 (Bestnote); Stand 10.01.2013; Quelle: oekom research (2013).
Das oekom Corporate Rating der Immobilienbranche zeigt, dass bislang nur wenige Unternehmen Themen wie Energieeffizienz, ökologisches Bauen und Luftqualität in Innenräumen systematisch in die Projektentwicklung und Renovierung ihres Immobilienportfolios integrieren.

Verbesserungspotenzial gibt es in der gesamten Branche insbesondere bei der Gewährleistung von Nachhaltigkeitsstandards, bei der Beschaffung von Materialien sowie bei Arbeitsbedingungen. Da viele Unternehmen ihre Aktivitäten auslagern, sollten sie dafür sorgen, dass die Mitarbeiter der Auftragnehmer unter angemessenen Bedingungen arbeiten können. Bei den Lieferantenstandards besteht bei den untersuchten Unternehmen noch großer Nachholbedarf.

Zukünftig werden die Immobilienunternehmen Trends in der demografischen Entwicklung stärker berücksichtigen müssen, um Leerstände zu vermeiden. Einerseits müssen Wohnungen altersgerecht sein, um dem Wunsch älterer Menschen nachzukommen, so lange wie möglich in vertrauter Umgebung leben zu können. Andererseits ist die Zunahme von Single-Haushalten sowie die regionale Zu- und Abwanderung eine echte Herausforderung. Langfristig erfolgreich werden daher die Unternehmen sein, die ihr Immobilienportfolio an eine sich wandelnde Gesellschaft anpassen und in der Raumgestaltung flexibel sind.
 
 
Von Susanne Schwind  
 
 
 
 

Im Profil

Susanne Schwind ist seit 2006 bei oekom research und als Senior Analyst für die Bewertung der Immobilienbranche zuständig. Sie ist verantwortlich für die Transportinfrastrukturbranche und betreut Unternehmen der Finanzbranche.

Zum Weiterlesen:



Klimawandel und globale Energiekrise: Triumph oder Tragik der Städte?

Der Weg zur Klima-Stadt

Quelle:
Technik | Green Building, 23.10.2013
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2013 - Hallo Klimawandel erschienen.
     
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