"Studie zu Lebensmittelverlusten in der Landwirtschaft greift zu kurz"

Wissenschaftler der Fachhochschule Münster kritisieren Bericht des Bundesministeriums

Münster - "In der Landwirtschaft gehen große Mengen an essbaren Lebensmitteln verloren, da sie als Futtermittel oder zur Energieerzeugung verwendet oder aus ästhetischen Gründen gar nicht erst geerntet werden." Das ist die These der Professoren Dr. Petra Teitscheid und Dr. Guido Ritter vom Institut für Nachhaltige Ernährung und Ernährungswirtschaft (iSuN) der Fachhochschule Münster. Damit kritisieren die Ernährungsexperten die Ergebnisse einer aktuellen Studie des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) als verkürzt.

In der landwirtschaftlichen Urproduktion gehen große Mengen an noch essbaren Nahrungsmitteln verloren. Das haben Ernährungsexperten der Fachhochschule Münster herausgefunden, die dafür unter anderem die Nutzung der Lebensmittel als Tierfutter oder als Energierohstoff verantwortlich machen.
Foto: © Wolfgang Dirscherl/ pixelio.de
Das Ministerium war in ihrer am 29. Mai veröffentlichten Untersuchung zu dem Schluss gekommen, dass sich die sogenannten Nachernteverluste in Deutschland auf "relativ geringem Niveau" bewegten. Die Wissenschaftler der FH Münster bemängeln an der mit Spannung erwarteten Studie vor allem, dass sie den Aspekt der Zweitverwertung von Lebensmitteln als Tierfutter oder Energierohstoff gar nicht berücksichtige. "Der Begriff 'Lebensmittelverlust' wird hier ausschließlich mit Verderb und Totalverlust gleichgesetzt - das greift eindeutig zu kurz", betont Ritter, der sich zusammen mit Teitscheid und den Mitarbeitern des iSuN seit Jahren mit dem Thema Lebensmittelabfälle beschäftigt und erforscht, wie sich diese nachhaltig verringern lassen.

"Auf der Landwirtschaft lastet ein großer Druck, der durch die extreme Orientierung auf permanente Frische, Verfügbarkeit und Vielfalt ausgelöst wird und zu erheblichen Verlusten bei den Nahrungsmitteln führt", erklärt Teitscheid die Hintergründe. Zur gängigen Praxis gehöre es, zum Beispiel Gemüse, das nicht den optischen Anforderungen des Handels und der Verbraucher genüge, einfach wieder unterzupflügen anstatt zu ernten. "Die hieraus resultierenden Lebensmittelabfälle berücksichtigt die Studie des Bundesministeriums nicht", so die Hochschullehrerin.

Da aber schon die Produktion von Lebensmitteln - ob sie anschließend auf dem Teller der Verbraucher landen oder nicht - eine Vielzahl von Ressourcen verbraucht, halten es die Wissenschaftler des iSuN für unabdingbar, auch diese auf den ersten Blick unsichtbaren Lebensmittel in die Gesamtrechnung miteinzubeziehen. "Schließlich wurden auch diese ursprünglich für den menschlichen Verzehr produziert", betont Ritter und verweist damit auf die ethische Dimension des Problems.

Aus Sicht der Münsteraner Wissenschaftler besteht weiterhin Forschungsbedarf zum Thema der landwirtschaftlichen Urproduktion. Bereits die Studie "Global Food Losses and Food Waste" der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2011 habe gezeigt, dass das Problem der Lebensmittelverschwendung in den industrialisierten Ländern kein Problem der fehlenden Technologie in Lagerung und Logistik ist. "Die große Verschwendung entsteht durch überzogene Anforderungen an die Frische und Verfügbarkeit der Produkte. Gleichzeitig wird den Nahrungsmitteln auf allen Stufen der Lebensmittelkette eine zu geringe Wertschätzung entgegengebracht", sagt Ritter. Aus diesen Gründen plädieren die Wissenschaftler für weitere Untersuchungen. "Wir benötigen diese Daten und Zusammenhänge, um Maßnahmen abzuleiten, die in der ganzen Kette Wirkung zeigen und den vermeidbaren Verlust tatsächlich senken", so das gemeinsame Fazit der Wissenschaftler.

Weitere Links:
  • Institut für Nachhaltige Ernährung und Ernährungswirtschaft (iSuN) https://www.fh-muenster.de/isun/index.php
  • Weitere Informationen zum iSuN-Projekt "Verringerung von Lebensmittelabfällen"
    https://www.fh-muenster.de/forschung/forschungskatalog/projekt.php?pr_id=659
Bereitgestelltes Material:
  • Bericht im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) ( Download )
  • Kommentar der iSuN-Wissenschaftler zum Bericht des BMELV ( Download )
  • Studie des iSuN zu Verringerung von Lebensmittelabfällen vom März 2012 (Kurzfassung) ( Download )

Quelle:
Lifestyle | Essen & Trinken, 04.07.2013

     
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