Waldklima-Projekte als Anlagegut und Zertifikatelieferant

Neue Möglichkeiten in den Carbon-Märkten

Von Maresa Münsterer und Klaus Wallner

Ohne den Schutz bestehender Wälder und neue Waldflächen wird es nahezu unmöglich sein, die Erderwärmung in den kommenden Jahrzehnten unter 2°C zu halten. Waldschutz und Aufforstungen sind daher ein unverzichtbarer Beitrag zum Klimaschutz - und ermöglichen gleichzeitig attraktive Renditen und den Ausgleich von CO2-Emissionen.

Je nach Ausgangslage in den einzelnen Ländern kommen bestimmte "REDD"- bzw. "REDD+"-Maßnahmen zum Tragen. Die globale CO2-Senke kann auf diese Weise zeitnah optimiert werden und das Klima entsprechend entlasten, bis die Welt insgesamt zu einer klimafreundlicheren Wirtschaftsweise gefunden hat.



REDD+
Die 16. Weltklimakonferenz schloss im Dezember 2010 mit dem Cancún Agreement. Dieses genießt zwar nicht den Status eines Völkervertrags wie das Kyotoprotokoll (KP), enthält aber Beschlüsse, die sofort umgesetzt werden können, weil es nicht ratifiziert werden muss.


Bäume...
(binden im Verlauf der Photosynthese Kohlendioxid und geben Sauerstoff ab. Wälder sind daher riesige Kohlenstoffspeicher. Außerdem erzeugen sie bei nachhaltiger Bewirtschaftung laufend und klimaneutral begehrte Produkte wie Bau- und Furnierholz, die Grundstoffe für Zellulose und Papier, sowie Brennstoff. Darüber hinaus können mit Holz immer mehr andere, in der Herstellung energieaufwändigere Materialien ersetzt werden. Wird Holz mehrfach verwendet (Kaskadennutzung), erhöhen sich diese Klimaschutzeffekte.
So stärkt das Cancún Agreement vor allem den im Entstehen begriffenen Mechanismus REDD+ (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation plus associated actions to conserve and enhance forest carbon stocks). Mit REDD+ sollen durch Finanz- und Technologietransfers aus Industriestaaten in Entwicklungsländer Anreize geschaffen werden, tropische und subtropische Waldflächen vor Abholzung bzw. fortschreitender Degradierung zu bewahren. Die Bandbreite finanzierbarer Maßnahmen umfasst neben der Regenwalderhaltung und der Eindämmung fortschreitender Walddegradierung auch den Erhalt und die Erhöhung von Kohlenstoffvorräten in Sekundärwäldern, z.B. durch Umstellung auf naturnahe Bewirtschaftung. Das Agreement umreißt zudem Schutzklauseln gegen negative soziale oder ökologische Auswirkungen von REDD-Aktivitäten.

Die Umsetzung ist in drei Phasen vorgesehen. Einige Länder wie z.B. Brasilien und Indonesien arbeiten schon an Phase 2. Die angestoßenen Pilotmaßnahmen sollen bereits in weiterführende Aktionen münden, die mess- und verifizierbar sind und entsprechend dokumentiert werden. Die Staaten müssen in dieser Phase also bereits landesspezifische oder ggf. regionale Referenzszenarien sowie geeignete Überwachungs- und Berichtssysteme entwickeln. Die dritte Phase - vollumfängliches Funktionieren von REDD+ in allen Tropenländern - wird voraussichtlich nicht vor 2020 erreicht.

Finanziert werden soll REDD+ aus dem Fast Start Finance Program, dem im laufenden Jahr einzurichtenden Green Climate Fund sowie bilateralen Vereinbarungen. Das Fast Start Financing läuft bereits, bis 2012 sind den Entwicklungs- und Schwellenländern für alle Maßnahmen insgesamt 30 Milliarden US-Dollar pro Jahr versprochen. Mittelfristig, d.h. 2013 bis 2020 sollen diese Leistungen auf 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr steigen. Spätestens auf der nächsten Klimakonferenz im Dezember 2011 im südafrikanischen Durban wird darüber entschieden, ob die Mittel ausschließlich fonds-basiert aufgebracht oder über marktgetriebene Hebel - wie z.B. Zertifikate - gesteuert werden, oder aber aus einer Mischung beider Ansätze. Auch die Rolle der Privatwirtschaft soll dort geklärt werden: Die Industriestaaten müssen in Durban Vorschläge dazu vorlegen, wie sie private Investoren einzubinden gedenken.

Trotz dieser noch offenen Punkte öffnen sich mit dem neuen Mechanismus REDD+ schon jetzt im Rahmen entsprechender Pilotprojekte vielfältige Möglichkeiten für die Privatwirtschaft - ob auf bilateraler, multilateraler oder auf Projektebene im freiwilligen Markt.

CDM und JI
Für den Fall der Fortführung des Kyoto-Protokolls steht fest, dass die Industriestaaten weiterhin einen Teil ihrer Verpflichtungen über Gutschriften aus den beiden Mechanismen Clean Development Mechanism (CDM) und Joint Implementation (JI) erfüllen dürfen. Unter CDM werden dann neben Aufforstungen auch Klimaschutzmaßnahmen in der Waldbewirtschaftung angerechnet - wie bereits jetzt schon unter JI. Dem Risiko, dass Waldflächen ihre Senkenwirkung ganz oder teilweise einbüßen, dem bislang im CDM mit temporär gültigen Zertifikaten Rechnung getragen wird, soll in Zukunft wahrscheinlich durch Einbehaltung eines Teils der generierten Speichergutschriften in einem Zertifikate-Puffer begegnet werden. Auch Versicherungslösungen sind in der Diskussion.

2012 tritt das kalifornische Emissionshandelssystem in Kraft. Es wird - anders als das EU-Emissionshandelssystem - voraussichtlich CO2-Gutschriften aus Waldprojekten, u.a. REDD-Aktivitäten, anerkennen. Auch innerhalb der EU könnten sich neue Möglichkeiten auftun: Die EU-Kommission eruiert derzeit, ob und wie Waldschutz, Waldsanierung und nachhaltige Bewirtschaftung sowie Aufforstungen in den Mitgliedsstaaten auf das EU-Klimaziel angerechnet werden könnten. Mitte 2011 wird es hierzu einen Vorschlag für rechtliche Regelungen geben.

Schematisch dargestelltes Beispiel für Zahlungsströme aus einem Wiederaufforstungsprojekt unter Berücksichtigung der Erzeugung von CO2-Gutschriften.



Waldklimaprojekte als Anlagechance
Diese Dynamik schlägt sich auch in zunehmendem Interesse von Privatunternehmen und -anlegern an Forstprojekten in den Carbon-Märkten nieder. Bei Anlegern gilt es als unbestritten, dass die Assetklasse Wald einen positiven Beitrag zur Diversifizierung von Portfoliorisiken leistet. Größte Hürde war bislang, dass diese Investments großen institutionellen Anlegern vorbehalten blieben und nicht für den Retail-Bereich realisiert wurden. Gegenwärtig nimmt die Zahl der Möglichkeiten, sich über den Kapitalmarkt privat an Forstprojekten zu beteiligen, stetig zu. Ein wesentlicher Treiber hierfür ist das verstärkte Bewusstsein für die aktuelle Thematik "Wald und Klimaschutz". Bei einigen Investmentangeboten ist dieser Zahlungsstrom bereits implizit berücksichtigt, bei anderen Anlageprodukten wie z.B. Waldfonds wird die CO2-Bindung als möglicher zusätzlicher finanzieller Ertrag angeführt.

Dieser Trend eröffnet eine Reihe neuer Möglichkeiten. So ergeben sich für Finanzintermediäre, z.B. Banken, verschiedene Varianten zur Geschäftsfeldererweiterung. Unternehmen, die für ihre Produkte oder Dienstleistungen einen CO2-Fußabdruck erstellen lassen und bewussten Verbrauchern entsprechend klimaneutrale Produkte oder Dienstleistungen anbieten wollen, greifen gern zur Kompensation ihrer Emissionen auf Zertifikate aus Waldprojekten zurück: Anders als die sonst eher abstrakt zu erfassenden Emissionsminderungen erzeugen Gutschriften aus der Pflanzung von Wald bei jedermann eine bildliche und positiv assoziierte Vorstellung, eignen sich also gut zur Identifikation mit dem gekauften Produkt. Eine interessante Option für Anleger ist die klassische Investition in ein Waldprojekt zur Sicherung einer Mindestrendite aus dem Holzverkauf und die zusätzliche Erzeugung von Zertifikaten zur Klimaneutralstellung.

Zur Bewertung solcher Mischprojekte lassen sich jedoch nicht die gleichen Renditemaßstäbe angelegen, wie bei reinen Forstprojekten. Grund dafür sind die waldbaulichen Vorgaben der anzuwendenden Standards, die zur Generierung von Zertifikaten z.B. keine rein auf Rentabilität zugeschnittenen Plantagen zulassen. Doch es lässt sich eine ökologische Rendite erzielen: Zum einen mildert die zusätzliche Kohlenstoffspeicherung die durch den Klimawandel hervorgerufene, volkswirtschaftliche "Schadschöpfung" ab. Zum anderen tragen Waldprojekte zusätzlich zum Erhalt natürlicher Ressourcen (z.B. Biodiversität) und Lebensbedingungen bei. Diese ökologische Rendite ist naturgemäß für den Investor nicht monetär auszuweisen. Die Einkünfte aus dem Verkauf von CO2-Zertifikaten bilden aber einen Teil der ökologischen Rendite monetär ab, wodurch sich eine positive Rückkopplung auf die Gesamtrendite ergibt.

Grundsätzlich also alles sehr vielversprechende Entwicklungen sowohl auf der politischen als auch auf der wirtschaftlichen Ebene, die es sich lohnt weiter zu verfolgen.

Quelle:
Umwelt | Biodiversität, 06.06.2011

     
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