... und Deutschland muss handeln!

Nachhaltig Bauen - Gegenwart oder Zukunft?

Im deutschen Gebäudesektor gibt es noch viel zu tun. Sein Umweltfußabdruck schlägt mit einem stattlichen Drittel des gesamten Endenergieverbauchs und einem ebenso großen Anteil an CO2-Emissionen zu Buche. Diese Posten müssen endlich reduziert werden - die Möglichkeiten dazu bestehen. Doch wer ist zu Änderungen verpflichtet? Und werden die vorhandenen Potenziale in vollen Zügen ausgeschöpft?

Die Bundesregierung hat sich das Ziel gestellt, die CO2-Emissionen in Deutschland bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Das ist mit einer wesentlich effizienteren Nutzung vorhandener Energieträger, etwa durch Kraft-Wärme-Kopplung, durch verstärkte Nutzung erneuerbarer Energien und verstärkte Energieeinsparung möglich.

Auch im Gebäudesektor, vor allem im Bereich der Gebäudesanierung gibt es große Energiesparpotenziale und vielfältige Möglichkeiten der effizienten Energienutzung. Immerhin rund ein Drittel des gesamten Endenergieverbrauchs wird derzeit in Deutschland zum Beheizen von Gebäuden benötigt.

Es gilt, die Barrieren zu überwinden ...

In erster Linie geht es hier um eine durchgreifende energetische Sanierung des Gebäudebestandes. Die technischen Mittel dazu sind vorhanden, es gibt jedoch noch einige Hemmnisse zu überwinden.

Ein großes Hindernis ist das sogenannte "Investor-Nutzer-Dilemma". Eigentümer vermieteter Gebäude erkennen oft keinen wirtschaftlichen Nutzen einer energetischen Sanierung ihrer Gebäude, da von den verminderten Heizkosten allein die Mieter profitieren. Die Vermieter können die Investitionen für eine verbesserte energetische Qualität der Gebäude mit derzeit jährlich elf Prozent auf die Kaltmiete umlegen - in vielen Fällen ist diese Möglichkeit jedoch durch die ortsübliche Vergleichsmiete begrenzt.

Ein zweites Hemmnis besteht in Informationsdefiziten. Vor allem kleinere Unternehmen sind häufig nicht über alle Möglichkeiten im Zusammenhang mit der energetischen Sanierung informiert. Oft gehen Wohnungsunternehmen auch Befürchtungen der Mieter aus dem Weg, dass Maßnahmen an der Gebäudehülle das Raumklima verschlechtern könnten. Im Ergebnis wird dann auf vernünftige Sanierungsmaßnahmen verzichtet.

Schließlich stehen energetische Maßnahmen oft in Konkurrenz zu den anstehenden Sanierungen, da die finanziellen Mittel begrenzt sind. Fällt eine Investitionsentscheidung gegen Wärmeschutzmaßnahmen aus, sind diese meist für einige Zeit ausgeschlossen. Denn die Wärmedämmung der Gebäudehülle lässt sich in der Regel nur in Verbindung mit einer ohnehin anstehenden Sanierung kostengünstig verbessern.

... und Deutschland handelt! So etwa der ökologische Holzbauhersteller Baufritz. Als Pionier und Spezialist für umweltschonende Büro- und Objektbauten plant das Unternehmen im Einklang mit der Natur. Auch im Fall des hier abgebildeten Hauses "Brunskill" wurden nachwachsende Materialien verwendet, die FSC-zertifiziert sind. Ferner zeigt dieses Gebäude, dass individuelles Design mit den höchsten Ansprüchen an nachhaltiges Bauen kombinierbar ist - wie etwa bei der Verwendung eines ökologischen Fassadenputzes. Baufritz fokussiert sich zudem auf eine CO2-neutrale, energieeffiziente und schadstofffreie Bauweise. Für sein Engagement wurde Baufritz mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2009 ausgezeichnet.
Foto: © Baufritz
... und das Potenzial der vorhandenen Instrumente zu nutzen!

Es sind eine Reihe geeigneter Instrumente vorhanden, um die Sanierungspraxis zu verbessern. Es kommt darauf an, einen wirksamen Instrumentenmix zu finden.

Der Passivhaus-Standard ist nicht nur für Neubauten, sondern grundsätzlich auch für Gebäude im Bestand technisch realisierbar und hinsichtlich des Energieverbrauchs erstrebenswert. Zusätzlich zur für 2012 geplanten Verschärfung der Energieeinsparverordnung (EnEV) um 30 Prozent sollte daher bis 2015 das Passivhausniveau für Neubauten angestrebt werden und bis spätestens 2018 die energetischen Sanierungen mit Passivhauskomponenten erfolgen.

Bauherren setzen - nach Schätzungen - nur rund 60 Prozent der vorgeschriebenen Einsparungen tatsächlich um. Die Ursache hierfür liegt in der mangelhaften Kontrolle der Anforderungen durch die zuständigen Landesbehörden. Die Bundesregierung sollte deshalb anspruchsvolle Eckpunkte zur Verbesserung des Vollzugs vorgeben.

Die Nutzungsverpflichtung von Biomasse, Solarenergie, Umweltwärme und Geothermie auf Neubauten - nach dem Erneuerbare-Energien-Wärme-Gesetze (EEWärmeG) - wurde eingeschränkt. Dies hat die Wirksamkeit des Gesetzes stark abgeschwächt. Das Umweltbundesamt (UBA) befürwortet daher die Einführung einer Nutzungspflicht der erneuerbaren Energien im Falle einer grundlegenden Sanierung der Bestandsbauten.

Die KfW-Programme zum energieeffizienten Bauen und Sanieren fördern erfolgreich anspruchsvolle Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz im Gebäudebereich. In den Jahren 2006 bis 2009 konnten mehr als 1,4 Millionen Wohnungen energieeffizient saniert oder errichtet werden. Die Umsetzung der geförderten Maßnahmen führte zu einer Reduzierung der CO2-Emissionen um jährlich mehr als vier Millionen Tonnen.

Die Bundesregierung sollte das derzeitige Förderniveau von jährlich einer Milliarde Euro erheblich aufstocken und langfristig beibehalten. Die Förderbedingungen sollten - gegebenenfalls schrittweise - auf die Vollsanierung der Gebäude abzielen. Einzelmaßnahmen sind aus Sicht des Umweltbundesamtes nur förderwürdig, falls diese im Rahmen eines (mehrjährigen) "Sanierungsfahrplans" erfolgen, dessen Ziel die grundlegende energetische Sanierung des gesamten Gebäudes ist.

Der Bund sollte die Aufnahme des Kriteriums "energetische Beschaffenheit" in die kommunalen Mietspiegel finanziell fördern. Ökologische Mietspiegel enthalten die energetische Qualität eines Gebäudes als wert- und mietsteigerndes Kriterium und erhöhen so die Markttransparenz und die Rentabilität der Energieeinsparinvestitionen.

Klimaneutraler Gebäudebestand bis 2050?

Das Umweltbundesamt schlägt vor, an Stelle der elfprozentigen Umlagemöglichkeit der Modernisierungskosten auf die Miete (§ 559 BGB) eine Möglichkeit zur Erhebung eines "Pauschalzuschlags zur energetischen Verbesserung" für den Vermieter zu schaffen. Das würde die Planungssicherheit für den Vermieter verbessern. Die Höhe der Sanierungsinvestitionen wäre nicht im Einzelfall dem Mieter gegenüber nachzuweisen. Das BGB soll den Zuschlag an den Nachweis koppeln, dass die energetischen Anforderungen der EnEV (über-)erfüllt sind und die Mieterhöhung innerhalb eines angemessenen Zeitraums durch sinkende Verbrauchskosten ausgeglichen wird.

Mit dem seit September 2010 vorliegenden Entwurf des Energiekonzepts formuliert die Bundesregierung "Leitlinien für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung" und zeigt damit "den Weg in das Zeitalter der erneuerbaren Energien" auf. Im Gebäudebereich wird ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand bis 2050 angestrebt. Hierzu soll die Sanierungsrate von jährlich einem Prozent auf zwei Prozent gesteigert sowie der Wärmebedarf bis 2020 um 20 Prozent und der Primärenergiebedarf bis 2050 um ca. 80 Prozent vermindert werden. Zudem soll der Anteil erneuerbarer Energien an der Wärmeversorgung deutlich erhöht werden.

Die formulierten Ziele zur Sanierungsrate und Senkung des Primärenergiebedarfs im Gebäudebestand sind aus fachlicher Sicht zu begrüßen. Sie sind ambitioniert und technisch umsetzbar.

Der deutsche Gebäudesektor befindet sich im Wandel. Es wurden hohe Vorgaben gesteckt und nun ist es an Verbrauchern, Unternehmen und der Politik, diese zielstrebig zu verwirklichen. Keine leichte Aufgabe, doch mit Blick auf die Konsequenzen die einzige Alternative!
 
 
Von Jochen Flasbarth
 




Im Profil

Jochen Flasbarth ist Präsident des Umweltbundesamtes.







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Quelle:
Technik | Green Building, 29.03.2011

     
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