"Die nächste Phase der grünen Bewegung"

Stiften für die Umwelt

Die Vorteile einer eigenen Umweltstiftung erscheinen so vielfältig wie die förderungswürdigen Themen: Steuervorteile, Nachlassgestaltung, Gestaltungsspielraum und niedrige Gründungsbarrieren machen es Stiftungswilligen heute leicht, sich finanziell für Artenvielfalt, Klimaschutz und Umweltbildung zu engagieren. forum sprach mit Henriette Berg, Stifterrätin der Stiftung Stifter für Stifter und Schirmherrin der Initiative Stiften für die Umwelt, die zukünftigen Stiftern ein Netzwerk, Wegweiser und Hintergrundinformationen bietet.

Henriette Berg, Stifterrätin der Stiftung Stifter für Stifter
Foto: © Sandra Mulzer
Frau Berg, Sie waren lange Zeit im Umweltbereich tätig und haben die Initiative Stiften für die Umwelt ins Leben gerufen. Wie sind Sie persönlich zum Stiften gekommen?
Ich muss gestehen, dass ich mich mit dem Thema "Stiften" und welche Möglichkeiten Stiftungen für gesellschaftliches Engagement bieten lange Zeit nicht auseinandergesetzt habe. Dann lernte ich einige Stifter kennen, die mich faszinierten: Sie haben ihre Stiftung zu Lebzeiten gegründet und ihr Vermögen im umfassenden Sinn gegeben: nicht nur Geld, sondern auch Zeit, Know-how und Kontakte. Sie schaffen mit ihrer Stiftung die Basis für ihre Arbeit in dem gesellschaftlichen Bereich, für den sie sich langfristig einsetzen wollen. Genau diese Form des Engagements brauchen wir in der Gesellschaft! Wir leben in einem der reichsten Länder auf dieser Erde und dies bedeutet aus meiner Sicht auch eine Verantwortung für nachhaltige Entwicklung und globale Gerechtigkeit. Mit unserer Initiative Stiften für die Umwelt wollen wir Menschen motivieren, sich als Stifter mit eigenem Vermögen langfristig für ihre Umwelt einzusetzen.

Wenn wir den Weg der nachhaltigen Entwicklung beschreiten wollen, sind nicht nur Fachkenntnisse und staatliche Rahmensetzungen nötig. Wir brauchen vielmehr Menschen, die diesen Prozess selbst in die Hand nehmen und gestalten wollen. Dazu gehört auch der gesellschaftlich verantwortungsvolle Umgang mit eigenem Vermögen. Bildung für nachhaltige Entwicklung ist eine große Herausforderung - nicht nur für Kinder und Jugendliche! Der Fokus muss stärker auf die gesamte Gesellschaft gerichtet werden. Gerade bei meiner Generation liegt die Verantwortung für eine zukunftsfähige Gestaltung unserer Welt.

Genau hier setzt die Stiftung Stifter für Stifter an: Wir wollen vielen Menschen ein solches Engagement ermöglichen. Wir setzen uns seit Jahren zusammen mit der Alexander-Brochier-Stiftung und unserer gemeinsamen Tochter, der Stiftungszentrum.de Servicegesellschaft, für eine Kultur des Stiftens in Deutschland ein. Dabei wird auf den Erfahrungen des Kinderfonds Stiftungszentrum aufgebaut, der seit Mitte der 1990er Jahre Stiftern bei ihrer Arbeit zugunsten von Kindern und Jugendlichen hilft. Als ich Stifter für Stifter vor drei Jahren kennenlernte, hat mich das Angebot für Menschen, die sich als Stifter engagieren wollen, gleich beeindruckt. Wir haben überlegt, wie wir diese Erfahrungen und Strukturen für den Umweltbereich erschließen können. So wurde die Initiative Stiften für die Umwelt entwickelt und ich hoffe, dass ich das Projekt mit meinem Wissen und Kontakten aus dem Umweltbereich gut unterstützen kann.

Wie gewinnen Sie Interessierte für den entscheidenden Schritt zur eigenen Stiftung?
Am meisten überzeugt das gute und interessante Beispiel. Es sind letztendlich die Geschichten von Menschen, die bewegen und motivieren. In unserer Broschüre "Blauer Planet sucht Stifter" berichten acht ganz unterschiedliche Umwelt-Stifter von ihren Beweggründen und Erfolgen, z.B. Martina Raschke, Gründungsstifterin der Bürgerstiftung Energiewende Oberland, die mit dem Klimaschutz in ihrer Region ernst macht, oder Gerd Schriefers, der am Schaalsee in Mecklenburg-Vorpommern über die Renaturierung der Moore Kraniche und Klima schützt. Das sind Mut machende Beispiele. Dazu bieten wir im Internet praxisnahe Informationen rund um das Thema Stiften, von den verschiedenen Rechtsformen über Steuerfragen bis zur Testamentsgestaltung. Wir informieren im "Wegweiser für Umweltstifter" über Organisationen, die angehenden Stiftern Hilfe bei Gründung, Verwaltung und Gestaltung ihrer Umweltstiftung bieten. Und wir organisieren Veranstaltungen, bei denen man Umweltstifter kennenlernen und sich mit ihnen austauschen kann.

Vorgestellt werden sowohl selbstständige Stiftungen, als auch Treundhandstiftungen. Zu welchen Rechtsformen raten Sie?
Die Treuhandstiftung hat viele Vorteile. Sie ist schnell und kostengünstig errichtet. Sie kann mit vergleichsweise kleinem Grundstockvermögen gegründet werden. Sie hat steuerrechtlich die gleichen Vorteile wie eine rechtsfähige Stiftung, ist aber viel flexibler. Sie kann entsprechend dem Stifterwillen weiterentwickelt, z.B. auch in eine rechtsfähige Stiftung umgewandelt werden.

Eine Treuhandstiftung eignet sich für Stifter, die vorrangig fördern wollen. Sie steht immer unter einem Treuhänder, der sie als Sondervermögen verwaltet und schützt. Das kann eine natürliche oder juristische Person sein. Aber da eine Stiftung vom Gedanken her auf Ewigkeit angelegt ist, ist es sinnvoller, einen Treuhänder zu nehmen, der diese Ewigkeit "aushält". Deshalb wählen viele als Treuhänder entweder die öffentliche Hand - z.B. Kommunen - oder andere Stiftungen. Beispiele von Treuhändern für Umweltstifter finden sich im Wegweiser unserer Initiative. Auch die Stiftung Stiften für Stifter stellt sich als Treuhänder zur Verfügung.

Wenn die Stiftung operativ tätig werden soll, bietet sich eher eine rechtsfähige Stiftung an - z.B. wenn die Stiftung Träger von Naturschutzprojekten oder einer Umweltbildungseinrichtung sein soll.

Was ist die kleinste Kapitalsumme, mit der man bei Stiften für die Umwelt eine Stiftung gründen kann?
Die Initiative hilft ja nicht selbst unmittelbar bei der Stiftungsgründung, sondern informiert Stiftungsinteressenten über solche Serviceangebote. Die Grenze für eine Treuhandstiftung liegt i.d.R. bei 25.000 Euro. Bei rechtsfähigen Stiftungen liegt die Grenze bei 50.000 oder 100.000 Euro.

Sie bejahen und fördern gerade die kleinen Vermögen und Stiftungsbudgets. Wie können diese viel bewegen?
Wir sind der Meinung, dass man nicht superreich sein muss, um mit einer Stiftung effektiv zur Lösung gesellschaftlicher Probleme beizutragen. Wir wollen dies mit unseren Angeboten gerade dem sogenannten Normalbürger ermöglichen. Genau hier wird es doch spannend! Die interessante Aufgabe ist: "Wie kann man mit wenig Geldmitteln besonders effektiv sein?"

Was kann z.B. eine Stiftung mit geringem Jahresbudget im Bereich Gentechnik bewegen?
Eine Stiftung hat sich z.B. entschieden, NGOs in Ländern, die bisher weniger Zugang zum fachlichen Austausch hatten, Informationsmaterial in der Heimatsprache zur Verfügung zu stellen und entsprechenden Fachaustausch zu organisieren. Hierzu braucht man keine großen Geldsummen, aber der Stifter kann mit wenig viel helfen.

Gibt es Beispiele von Unternehmern, die sich im Umweltbereich stiftend engagieren und trotzdem im Kerngeschäft davon profitieren?
Aber ja! Eine sehr schöne Geschichte ist die der Martin-Görlitz-Stiftung. Der Unternehmer Martin Görlitz hat ein mittelständisches Unternehmen in Koblenz, das Datensysteme für den Energiebereich herstellt. Er klagt darüber, dass sich Kinder heute viel zu wenig für technische Fragen begeistern und es deshalb schwierig ist, Auszubildende zu gewinnen. Das Unternehmen braucht aber wie unsere Gesellschaft gute Mitarbeiter, die sich für Energie, Technik und Umwelt interessieren. Also sagte er sich: "Alle jammern immer nur. Ich mache das jetzt selber." Görlitz gründete eine eigene Stiftung, die eine Jugendwerkstätte für energietechnische Fragen betreibt, wo Kinder und Jugendliche ihr technisches Gespür beim Bauen von Windrädern, Robotern und vielem mehr entwickeln können. Die Stiftung richtet außerdem jedes Jahr ein Solarboot-Rennen für Boote aus, die Schüler selbst gebaut haben. Die Görlitz-Stiftung wurde für ihre Arbeit letztes Jahr mit dem FERI-Stiftungspreis gewürdigt.

Welche Themengebiete sind bei den Umweltstiftern besonders gefragt?
Das hat mich selbst sehr erstaunt! Als ich anfing, dachte ich, dass der Fokus beim Naturschutz liegt. Die Zahl der Umweltstiftungen steigt seit dem Stiftungsboom Ende der 1990er Jahre überproportional an. In dieser Zeit hat sich auch in der umweltpolitischen Debatte viel getan. Heute sind viele Leute aktiv, die sich nicht nur für den Naturschutz interessieren, sondern für Themen wie Energiewende, Wasser, Bildung, Forschung und Konsum. Ich glaube, das ist die nächste Phase der Umweltbewegung: Menschen, die sich für Umweltschutz und Nachhaltigkeit interessieren und dabei neue Wege gehen.
 
 
Von Tina Teucher
 

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Quelle:
Umwelt | Umweltschutz, 10.11.2010
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2010 - Wasser erschienen.
     
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