Der Weg nach Kopenhagen im Zeichen der Finanzkrise

Die UN-Klimakonferenz 2008 in Poznan und ihre Nachwirkungen


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Von Regina Körner

Bei der Klimakonferenz im polnischen Poznan ging es weniger um politische Durchbrüche als um administrative Fragen zur Vorbereitung der für Dezember 2009 geplanten Konferenz in Kopenhagen. Dort sollen die Grundlagen für das Kyoto-Folgeprotokoll 2012 festgezurrt werden. Entsprechend begrenzt waren die Erwartungen der Delegierten und Beobachter. Doch nach den zweiwöchigen Gesprächen im Dezember 2008 kehrten viele Teilnehmer aus Polen mit dem Gefühl zurück, selbst niedrig gesteckte Ziele nicht ganz erreicht zu haben.

Viele Entwicklungsländer waren mit dem Bewusstsein nach Posen gereist, dass der Klimawandel als globaler Ernstfall dringende Notmaßnahmen erfordert. Sie hatten entsprechende Vorschläge im Gepäck und Länder wie Südafrika, China und Mexiko präsentierten staatliche Maßnahmenpläne zur Verringerung ihrer Treibhausgas-Emissionen. Dagegen versäumten die Industrieländer, mit gutem Beispiel voranzugehen: Sie wichen keinen Millimeter von ihren in Bali 2007 vereinbarten Minimalzielen ab. Die Weigerung, darüber hinauszugehen, wurde mit dem Hinweis auf die Finanzkrise und die weltweite Rezession begründet. Damit bleiben den rund 190 Unterzeichnerstaaten der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) bis Kopenhagen nur wenige Monate für die rechtzeitige Verhandlung weltwirtschaftlich tragbarer Lösungen.

Um solche Lösungen zu entwickeln, kommt es nach Ansicht des World Future Council (WFC) vor allem darauf an, dass die Industrieländer eine Führungsrolle bei der Festsetzung von Zielen, der Definition finanzieller Mechanismen und beim Technologietransfer übernehmen. Nur durch ihr eigenes verbindliches Engagement können sie die Grundlagen für ein entsprechendes langfristiges Engagement der Entwicklungsländer sichern.

Nun ist dieses Engagement angesichts knapper werdender Mittel im Zuge der globalen Rezession angeblich noch schwerer zu mobilisieren. Aber anstatt zu fragen, ob wir es uns leisten können, den Klimawandel jetzt zu stoppen, sollten wir uns lieber fragen: Können wir es uns leisten, dies nicht zu tun?

Die Kosten des Klimawandels

Heute schon schätzen die Vereinten Nationen und zahlreiche NGOs die Folgekosten des Klimawandels allein für Anpassungsmaßnahmen auf 50 bis 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Dabei können aus dem UNFCCC-Fonds für Adaptionsmaßnahmen in den Entwicklungsländern maximal fünf Milliarden US-Dollar pro Jahr geschöpft werden. Dieser Adaptionsfonds wird aus Abgaben gespeist, die im Rahmen des Handels mit Klimaschutz-Gutschriften, sogenannten Carbon Credits, nach dem Clean Development Mechanism (CDM) erhoben werden.

Daraus wird bereits eine dramatische Unterfinanzierung deutlich. Zudem berücksichtigen diese Zahlen nicht einmal die potenziellen Kosten für humanitäre Hilfe, um die Folgen von globaler Erwärmung, Wüstenbildung und Entwaldung zu lindern, geschweige denn von Unruhen, bewaffneten Konflikten und massenhafter Migration aufgrund von Lebensmittel- und Wasserknappheit. Schätzungen beispielsweise des Internationalen Instituts für Nachhaltige Entwicklung (IISD) beziffern die Folgekosten des Klimawandels auf acht bis 20 Prozent des weltweiten Bruttosozialprodukts.

Politischen Willen mobilisieren

Durch die Finanzkrise haben sich Billiarden von Dollar buchstäblich in Luft aufgelöst und die Welt in eine globale Rezession gestürzt. Trotzdem zweifeln die meisten Entscheidungsträger nicht daran, dass auch diese Krise wieder überwunden wird. Angesichts der nun angekündigten milliardenschweren staatlichen Investitionen in die Wiederbelebung der Wirtschaft weisen Klima- und Finanzexperten nachdrücklich darauf hin, dass nun die Chance besteht, die Weichen neu zu stellen: Es gilt, sich endgültig von der industriellen und der Dienstleistungsrevolution zu verabschieden - und die grüne Revolution einzuleiten. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat dafür den Begriff des "Green New Deal" geprägt.

Darüber hinaus beziffert die Internationale Energieagentur (IEA) den Investitionsbedarf in Energieversorgung und Infrastruktur für die nächsten drei Jahrzehnte auf 22 Billionen US-Dollar. Wenn diese Investitionen in konventionelle Technologien fließen, werden die Treibhausgasemissionen nach Schätzungen der UNFCCC um 50 Prozent steigen. Fließen sie dagegen in grüne Technologien, wie der WFC fordert, werden die Emissionen halbiert.

Notwendige Maßnahmen

Um den Boden für schnelle und entschlossene Maßnahmen zu bereiten, ruft der WFC die Industrieländer auf, endlich zu ihrer Verantwortung zu stehen: Sie sind Hauptverursacher des Klimawandels und Hüter eines Systems, das das Ungleichgewicht zwischen Nord und Süd institutionalisiert hat.

  • Die Industrieländer sollten die Krise nutzen, um das weltweite Finanz-, Wirtschafts- und Handelssystem zugunsten größerer Klima- und Wirtschaftsgerechtigkeit umzugestalten. Dies bedeutet, den hergebrachten politischen Normen, die zur ökologischen Ausbeutung der Entwicklungsländer führen, den Kampf anzusagen und die Umweltkosten der Industrieländer zu internalisieren.
  • Klimabezogene Geldströme sollten unter Federführung der UNFCCC so umgeleitet werden, dass sie gegenüber dem Stand von 1990 weltweit bis 2020 eine Reduzierung der Treibhausgas-Emissionen um 25 bis 40 Prozent und bis 2050 um 80 Prozent bewirken.
  • Der Adaptionsfonds muss mit größeren Mitteln ausgestattet werden und zwar mittels Verfeinerung des CDM-Instrumentes, Ergänzung durch weitere Finanzierungsinstrumente sowie einer Abgabe der Industrieländer in Höhe von bis zu einem Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts.
  • Weitere Geldmittel sollten durch Beiträge globaler Wirtschaftsbereiche generiert werden, die zurzeit unter dem Kyoto-Protokoll nicht reguliert werden. Dazu gehören etwa die internationale Luft- und Seefahrt.
  • Internationale Emissionszertifikate sollten meistbietend versteigert und nicht gratis abgegeben werden.
  • Industrieländer müssen beim Schutz des geistigen Eigentums und beim Technologietransfer mehr Kooperationsbereitschaft zeigen, damit Entwicklungsländer Wege zu einem CO2-reduzierten Wirtschaftswachstum finden können.
  • Im Gegenzug sollten CO2-Großemittenten aus den Reihen der Entwicklungs- und Schwellenländer - so etwa China - sich zumindest bereit erklären, CO2-Ziele wenn nicht für die Gesamtwirtschaft, so doch für spezifische Branchen festzulegen.
  • Auf einzelstaatlicher Ebene können politische Maßnahmen wie beispielsweise eine CO2-Besteuerung zur Umlenkung privater Investitionen sowie die gezielte Förderung von Erneuerbaren Energien, öffentlichen Verkehrsmitteln, energieeffizientem Bauen, Küstenschutz und grünen Technologien dazu beitragen, die Emissionsziele zu erreichen sowie neue Branchen und Arbeitsplätze zu schaffen.

Selbst wenn viele der geforderten Maßnahmen aus heutiger Sicht schmerzhaft und teuer erscheinen: Gar nicht zu handeln, wird mit Sicherheit schon bald wesentlich teurer und schmerzhafter sein. Die Schicksale der rund 190 Länder, die über das Kyoto-Folgeprotokoll beraten, sind durch die Finanz- und die Klimakrise eng miteinander verwoben. Daher kommen sie nicht darum herum, globale Lösungen für beide Probleme zu finden. Von einer Wirtschaftskrise wird die Menschheit sich wieder erholen - die Zerstörung des Planeten kann sie nicht überleben.

Daher ruft der WFC die Verhandlungsparteien dringend dazu auf, innerhalb der nächsten sechs Monate zu Einigungen über Adaption, Klimaschutz, Finanzierung und Technologientransfer zu kommen: Eine weitere Verzögerung ist nicht akzeptabel, denn das Überleben der Menschheit steht auf dem Spiel. Und dieses Überleben muss durch konkrete Maßnahmen in Kopenhagen für das Kyoto-Folgeabkommen nach 2012 gesichert werden.



Kontakt:

World Future Council
Anne Reis, Media & Communications Officer
Postfach 11 01 53
20401 Hamburg
Telefon +49 (0)40 / 3 07 09 14 - 16
Fax +49 (0)40 / 3 07 09 14 - 14
E-Mail Anne.Reis@worldfuturecouncil.org

www.worldfuturecouncil.org







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Quelle: World Future Council. Stimme zukünftiger Generationen

Umwelt | Klima, 21.04.2009

     
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