Nachhaltige Mobilität und Antriebs- und Kraftstoffstrategie von Volkswagen

Ein Interview von Dr. Wolfgang Steiger, Leiter Konzernforschung Antriebe der Volkswagen AG

Dr. Wolfgang Steiger, 52 Jahre, ist seit zehn Jahren Leiter Konzernforschung Antriebe der Volkswagen AG. Der Maschinenbauingenieur nennt als die drei zentralen Handlungsfelder seiner Forschungstätigkeit im Konzern Emissionsreduzierung, CO2-Reduzierung sowie Energie- und Ressourcensicherung. Als Lehrbeauftragter an der Fachhochschule Coburg beteiligt er sich mit diesen Themen auch an der akademischen Diskussion.

Viele reden von der Notwendigkeit einer nachhaltigen mobilen Gesellschaft, wissen Sie wie wir nachhaltige Mobilität erreichen können?
Man kann das in technische und zeitliche Horizonte untergliedern: Was kommt heute, morgen, übermorgen? Heute kümmern wir uns zunächst um die Verbesserung der Verbrennungsmotorentechnologie, denn das ist es, was wir heute haben. Wir wollen das Potenzial heben, das in den Verbrennungsmotoren steckt. Es wird kurzfristig keine Revolution geben, die den Markt beherrschen wird. Stattdessen werden langsam, evolutionär neue Technologien hinzukommen. Generell sehen wir dabei zur Unterstützung der Verbrennungsmotoren auch eine Elektrifizierung der Antriebssysteme. Zur nachhaltigen Mobilität gehört aber natürlich auch die Fahrzeugsicherheit und eine sinnvolle und intelligente Steuerung der Verkehrsströme.

Welche Bedeutung haben in diesem Zusammenhang die BlueMotion-Modelle von Volkswagen und die e-Modelle von Audi?
Wir müssen insgesamt bei Verbrauch und Emissionen vorankommen und das ist es, was wir im Moment mit aller Vehemenz anstreben. Mit der BlueMotion-Serie ziehen wir die Konsequenzen aus unseren Erfahrungen mit dem Drei-Liter-Lupo. Mit diesem Modell haben wir versucht den Rekord zu brechen, und haben festgestellt, dass der Kunde nicht bereit ist, die damit verbundenen höheren Kosten zu akzeptieren. Also machen wir jetzt eine kostenorientierte Effizienzsteigerung, indem wir die günstigen Verbrauchsreduzierungen in die vorhandenen Modelle einfügen. Das bringt auf die Flotte übertragen deutlich mehr.

Wie sieht denn Ihre langfristige und globale Vision einer nachhaltigen Mobilität aus?
Wir erkennen global drei Schwerpunkte, die wir angehen müssen: Erstens die Reduzierung der Schadstoffemissionen, zweitens müssen wir CO2-neutrale Wege ausfindig machen und drittens eine deutliche Effizienzsteigerung erreichen.
Wir sehen zwei Szenarien, auf der einen Seite eine eher kurzstreckendominierte Mobilität, in Megacities und Ballungszentren, mit täglichen Reichweiten von maximal 200 Kilometern, hier sehen wir einen deutlichen Anstieg der Elektrotraktion. Damit decken wir langfristig fast achtzig Prozent der potenziellen Kunden ab. Aufgrund der kürzeren Strecken wird in diesen Fahrbetrieben in etwa die Hälfte der Energie verbraucht. Die andere Hälfte benötigt langstreckendominierte Antriebe und hier sehen wir eigentlich keine Alternative zu Verbrennungsmotoren und das gilt auch für die nächsten zwanzig, dreißig oder vierzig Jahre.

Sie sprechen von Elektroantrieben. Was erwarten Sie von Hybrid-Fahrzeugen?
Relativ moderat beginnend, werden in der Zukunft immer mehr Teile der Antriebskraft elektrisch abgedeckt werden. Dies wird sich so darstellen, dass über kurz oder lang ein Großteil der Motoren mit elektrischen Startergenerator-Systemen ausgerüstet wird. Mit ihnen kann man systematisch den Verbrennungsmotor unterstützen und damit zur Emissions- und Verbrauchsverbesserung beitragen.
Die nächste, mittelfristige Stufe ist der Schritt zur "echten" Hybridisierung. Zeitlich wird die Hybridisierung dort schneller vorangehen, wo sie sinnvoll ist. Deshalb muss man abwägen: im Kurzstreckenbetrieb ist Hybridtechnologie sinnvoll, im Langstreckenbetrieb nicht, da sich hier die negativen Faktoren wie Gewicht und Kosten stark auswirken aber der positive Effekt aus dem besseren Energiemanagement des Antriebs verloren geht. Daher kann der Hybrid keine endgültige Lösung sein, sondern es muss für diese Art der Mobilität ein weiteres Ziel geben, das ist die noch stärkere Elektrifizierung.
Es wird der Punkt kommen, an dem in den Vollhybriden der Elektroteil die Dominanz gewinnt und der Verbrennungsmotor zu einem Erfüllungsgehilfen degradiert wird. Diese Entwicklung der Elektrifizierung hängt sehr stark von der Weiterentwicklung der Batterietechnologie ab. Deshalb ist es auch einer unserer Forschungsschwerpunkte, die Batterietechnik weiterzuentwickeln und herauszufinden, wie weit wir auf dieser Schiene der Elektrifizierung gehen können.

Was halten Sie für realistisch, wann wird es diese Elektrofahrzeuge geben?
Wir forschen an einem neuen Ansatz in der Batterietechnologie, den wir in den nächsten zwei Jahren finden wollen. Basis ist ein weltweites Screening über alle verfügbaren Technologien, eine Befragung hunderter Spezialisten und ein kontinuierliches"Scouting" aller Ansätze. Ist ein erster Ansatz gefunden, muss die neue Technologie natürlich industrialisiert, umgesetzt werden, da vergehen schnell zehn Jahre.

Welche Rolle spielen in diesem Szenario dann noch die alternativen Kraftstoffe?
Wie ich bereits kurz angedeutet habe, wird es bei den Antriebssystemen zwei Pfaden geben: Der erste wird ganz gezielt von der Batterietechnologie getrieben und geführt. Der zweite betrifft neue Kraftstoffe und damit verbunden die Optimierung der Brennverfahren. Hier brauchen wir ein gezieltes Zusammenspiel zwischen Kraftstoff und Verbrennungsmotor. Deshalb wird die zweite Generation alternativer und biogener Kraftstoffe kommen, da sind wir uns absolut sicher, und mittel- und langfristig die erste Generation wieder verdrängen.

Ihre Wettbewerber schätzen den Marktanteil von Biokraftstoffen ab 2020 auf nur zehn bis zwanzig Prozent ein. Wie sehen Sie das?
Wir rechnen mit einem derzeit direkt abschätzbaren Potenzial von zwanzig bis fünfundzwanzig Prozent. Das ist auch belegt durch mehrere Studien, die wir mit den Landwirtschaftsministerien von Brandenburg, Niedersachsen und Hessen durchführen, und wird gestützt durch eine Prognose, die die europäischen Gesamtmöglichkeiten abschätzt. Wichtig ist hier auch das Zusammenspiel mit der Politik, die Rahmenbedingungen schaffen muss, dass solche Anlagen langfristig wirtschaftlich betrieben werden können.
Eine riesige Chance sehen wir auch in der Weiterentwicklung der Energiepflanzen. Wenn wir berücksichtigen, was sich im Moment in der Pflanzenentwicklung tut - beispielsweise hat die KWS Saaten AG es geschafft, die Massenproduktivität eines Energiemaises zu verdoppeln und dies ausschließlich mit züchterischen Methoden - dann sehen wir ein deutlich höheres Potenzial.


Sundiesel-Golf


Viele träumen von einer CO2-freien Wasserstoff-Gesellschaft? Wann wird das erste Wasserstoff-Serienauto des Volkswagen Konzerns kommen?
Wir haben bei der Brennstoffzelle ungefähr sechs Jahre Grundlagenforschung an der Membran gebraucht, bis wir den kritischen Punkt überschritten und mit der Hochtemperatur-PEM-Brennstoffzelle ein Konzept hatten, das eindeutig besser war als das, welches alle Anderen besaßen. Auch haben wir gezeigt, dass die Technik funktioniert, was sonst bisher Keinem gelungen ist. Jetzt wird es Schlag auf Schlag gehen. Wir werden 80-Kilowatt-Systeme vorstellen, Fahrzeuge haben und in Demonstrationsprojekte gehen.
Das erste wirkliche Brennstoffzellenfahrzeug allerdings, das Wasserstoff nutzt, wird eines mit einem Range-Extender sein, wenn es etwa 2020 kommt. Das wird ein Batteriefahrzeug sein, das von einer Brennstoffzelle an Bord wieder aufgeladen wird.
Gesamtenergetisch betrachtet steht die Brennstoffzelle im Wettbewerb mit der Batterietechnologie. Wird der Wasserstoff CO2-frei über die regenerative Stromschiene erzeugt, hat das Elektrofahrzeug klare Vorteile. Über Vergasungsprozesse werden bessere Werte erzielt. Noch ist das Rennen nicht entschieden, einen großen Einfluss hat dabei die Effizienz des Brennstoffzellengesamtsystems, die optimierungsbedürftig ist.

Was erwarten Sie von der Politik mit Blick auf eine nachhaltige Mobilität? Wie kann die Politik diesen Prozess unterstützen?
Um wirklich nachhaltige Mobilitätssysteme zu gestalten, muss man alle Stakeholder dazuholen: die Mineralölkonzerne, die Landwirtschaft für die biogenen Kraftstoffe und die Politik für die richtigen Rahmenbedingungen solcher neuer Systeme. Man muss miteinander reden, kooperieren und sich auf ein Ziel einigen. Und da hat sich in den letzten zwei drei Jahren sehr viel getan, die Bereitschaft zur Zusammenarbeit ist deutlich gestiegen.
An die Politik haben wir prinzipiell zwei Forderungen: Erstens soll sich die Politik aus der Technologie raushalten, keiner Technologie den Vorrang geben und nicht den gesunden Wettbewerb unterschiedlicher Technologien verhindern. Genauso muss man jetzt dem Kunden sagen: CO2 ist ein Problem und wir müssen alles tun, um es zu reduzieren. Und dann muss die Politik die entsprechenden Rahmenbedingungen setzen, zum Beispiel durch eine an der CO2-Effizienz orientierte Mineralölsteuer und eine CO2-orientierte Kraftfahrzeugsteuer. Da muss man auch hier nach Effizienzklassen vorgehen, aber von politischer Seite die Hände von der Technologie lassen. Die Politik sollte - das ist meine feste Überzeugung - dem Wettbewerb und der Evolution der Technologien ihren Lauf lassen.


Viele weiterführende Informationen zum Thema finden Sie im Nachhaltigkeitsbericht 2007/2008 des Volkswagenkonzerns (zu bestellen im korrespondierenden Internetportal www.volkswagen-nachhaltigkeit.de)

Quelle:
Technik | Mobilität & Transport, 05.12.2007

     
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