Naturkosmetikmarkt – Herausforderungen und Chancen

Naturkosmetik Branchenkongress 2017

Im September feiert der Naturkosmetik Branchenkongress sein zehnjähriges Jubiläum. Mit einem Marktanteil von 8,5 % und einem Volumen von 1,150 Mrd. € in 2016 ist der Naturkosmetikmarkt in Deutschland der stärkste Markt in Europa. Zusammen mit naturnaher Kosmetik beträgt der Marktanteil 16,5 %. Doch auch dieser Markt zeigt sich turbulent.
 
Elfriede Dambacher und Wolf Lüdge feiern im September das zehnjährige Jubiläum des Naturkosmetik Branchenkongress. © Naturkosmetik Verlag
Wolf Lüdge hat im Januar 2017 den naturkosmetik verlag von Elfriede Dambacher übernommen und damit auch die Ausrichtung des Naturkosmetik Branchenkongresses. Dieser feiert in diesem Jahr sein Jubiläum. Wolf Lüdge und Elfriede Dambacher werden den zehnjährigen Naturkosmetik Branchenkongress gemeinsam gestalten – forum fragte Lüdge und Dambacher nach Herausforderungen und Chancen der Branche.
 
Herr Lüdge, Sie sind dieses Jahr zum Naturkosmetik Branchenkongress dazugestoßen und haben den naturkosmetik verlag übernommen, was reizt Sie, sich in der Naturkosmetikbranche beruflich zu engagieren?
Lüdge: Ich bin nun seit knapp 20 Jahren in der Nachhaltigkeitsbranche aktiv, in verschiedenen Unternehmen mit verschiedenen Aufgaben. Wenn man so viele Jahre in der Bio-Branche aktiv war, will man nichts anderes machen. Aber um es auf den Punkt zu bringen: Es sind die Menschen in der Bio-Branche, deren Glauben an bessere Produkte und an ein besseres Miteinander, und nicht zuletzt der Spaß an so vielen tollen Marken in der Naturkosmetikbranche.

Frau Dambacher, Sie beobachten den Markt schon seit über 30 Jahren, möchten Sie kurz umreißen, worin Sie den Erfolg von Naturkosmetik sehen?
Dambacher: Der Naturkosmetikmarkt hat Bewegung in den Kosmetikmarkt gebracht und ist heute Ausdruck für ein anderes Werteverständnis, das immer mehr Menschen erfasst. Von den Umweltskandalen der 1970/1980er Jahre bis heute zeigt Naturkosmetik einen anderen Weg auf, der zunehmend mehr Fans gewinnt. Heute gilt mehr denn je, Alternativen zu mineralölbasierter Kosmetik anzubieten.

Was hat Sie bewogen, vor 10 Jahren den Naturkosmetik Branchenkongress ins Leben zu rufen?
Dambacher: Vor 10 Jahren war ein regelrechter Boom zu erleben. Die starke Nachfrage weltweit zeigte: Naturkosmetik war seiner Nische entwachsen. Für die damit einhergehenden Herausforderungen und Chancen wollten wir im naturkosmetik verlag eine zweite Plattform schaffen, die neben der VIVANESS, die im Frühjahr in Nürnberg stattfindet, allen Marktteilnehmern ermöglicht, sich entspannt und auf hohem Niveau auszutauschen und zu vernetzen.

Wo sehen Sie die größten Errungenschaften der Naturkosmetikbranche in den letzten 10 Jahren?
Dambacher: Zunächst: Es waren tolle 10 Jahre, die Naturkosmetik letztendlich salonfähig gemacht haben. Naturkosmetik ist heute selbstverständlicher Bestandteil eines jeden Kosmetikangebots. Diese Errungenschaft ist Chance und Verpflichtung zugleich.

Wie wirkt sich der Wertewandel in der Gesellschaft auf den Naturkosmetikmarkt aus?
Lüdge: Das 21. Jahrhundert wird das Jahrhundert der Frau und der weiblichen Werte. Weibliche Eigenschaften werden in den Unternehmen größeren Einfluss erhalten. Es wird ein mehr an Miteinander in den Unternehmen geben. Das hat elementare Auswirkungen auf die Führungskultur der Unternehmen. Die Machtstrukturen in den Unternehmen werden sich verändern. Menschen wollen mitgestalten und mitentscheiden, um auch im Beruf und nicht nur in der Freizeit  Zufriedenheit zu finden. Dazu braucht es Führungskräfte, die ihre Rolle neu definieren, die keine Angst haben, Macht abzugeben. Das ist aber auch die große Chance. Wenn mehr Menschen Verantwortung übernehmen, wird sich das Ergebnis verbessern und die Unternehmen werden sich schneller entwickeln.

Dambacher: Die Nachfrage nach Naturkosmetik ist ungebremst. Letztes Jahr haben allein in Deutschland rund eine halbe Million Menschen mehr zum ersten Mal zu Naturkosmetik gegriffen. Unglaublich! Immer mehr Menschen entscheiden heute bewusster, wofür sie ihr Geld ausgeben und womit sie ihre Haut pflegen wollen.

Was sind die strategischen Themen der Zukunft?
Lüdge: Meines Erachtens sind neben der Veränderung der Führungskultur eine stringente Markenführung, ein Überdenken der Vertriebskanäle, die Professionalisierung in den Unternehmen und, nicht zu vergessen, wieder mehr Nähe zum Kunden herzustellen die größten Herausforderungen. 

Wie schätzen sie den Einfluss der Digitalisierung ein?
Lüdge: Digitalisierung heißt nicht nur einen Web-Shop zu betreiben. Es geht auch weit über Social Media Marketing, Facebook, Instragram usw. hinaus. Die Digitalisierung zwingt die Unternehmen, sich in den Kernprozessen neu aufzustellen. Digitalisierung im Sinne der Vertriebs- und Marketingstrategie ist Kommunikation … und Kommunikation ist alles. Die intelligente Verbindung von Marketingstrategie, Prozessgestaltung und IT-Skills werden in Zukunft ein noch größerer Wettbewerbsfaktor sein. Die Unternehmen treiben nicht die Digitalisierung voran, sondern die Digitalisierung die Unternehmen. Wir können heute noch nicht die Zukunft der Digitalisierung beschreiben, aber wir müssen uns alle auf den Weg machen.

Veränderte Werte führen zu verändertem Kundenverhalten. Greift die Branche das auf?
Dambacher: Ja und nein. Die Zahlen zeigen deutlich, wie unterschiedlich Marken wachsen können. Viele gewinnen, manche etablierte Marken wachsen aber weit unterproportional zum Markt. Viele Marken verharrten zu sehr in ihren gewohnten Marketingkonzepten und haben meiner Meinung nach die Nähe zum Markt verloren. Das zeigt sich deutlich bei den Innovationen. Wegweisende Innovationen, die den veränderten Bedarf an modernen, ethisch und ökologisch korrekten Produkten aufgreifen, kommen eher von Newcomern und Quereinsteigern statt von etablierten Marken.

Wie erleben Sie den internationalen Markt?
Lüdge: Weltweit spielt die Abgrenzung zwischen zertifizierter Naturkosmetik, Naturkosmetik ohne Siegel und naturnaher Kosmetik keine so große Rolle wie im deutschsprachigen Raum. Die Ansätze, was als Naturkosmetik verstanden wird, sind viel breiter. Für die an Naturkosmetik interessierten Verbraucher ist es nicht einfach, den Grad an Natürlichkeit zu bestimmen, weil auch die verschiedenen Siegel zu unbekannt sind. Deshalb wächst der Markt vor allem bei Naturkosmetik ohne Siegel und im naturnahen Segment.

Wo stand die Naturkosmetikbranche vor zehn Jahren, wo steht sie heute, wo wird sie in zehn Jahren stehen? 
Lüdge: Der Siegeszug der Naturkosmetik ist Fluch und Segen zugleich. Vor 10 Jahren war die Branche noch eingebettet in den weichen Schoß der Bio-Bewegung und des Bio-Fachhandels, seitdem hat sich einiges geändert. Die Begehrlichkeit und die Nachfrage nach Naturkosmetik sind gewachsen und haben den Anbietermarkt und die Distributionskanäle stark beeinflusst. Durch die Digitalisierung können sich auch kleine Labels präsentieren, starke Handelsmarken besetzen den Preiseinstieg. Ich glaube, dass in den nächsten 10 Jahren die Marktdurchdringung mit Naturkosmetik weiter voranschreiten wird. Welche Marke welche Marktanteile gewinnen oder halten kann, hängt ab von der Stärke der eigenen Marke, der Vertikalisierung der eigenen Wertschöpfung und der aktiven Gestaltung der Distributionskanäle ab.

Dambacher: Naturkosmetik ist es gelungen, in der Mitte der Gesellschaft akzeptiert zu werden. Dazu wurde Enormes von der Branche geleistet. Viel Forschung und Entwicklungsarbeit war notwendig, um eine Performance bei den Produkten zu erreichen, wie wir sie heute haben. Die Akzeptanz drückt sich auch darin aus, dass sich das Marktvolumen in 10 Jahren verdoppelt hat. Jetzt braucht es wieder mehr Kreativität im Markt.

Wird Naturkosmetik weiterhin wachsen?
Lüdge: Der Anteil der Naturkosmetik und der naturnahen Kosmetik am Gesamtmarkt wird weiter wachsen. Es bleibt spannend zu sehen, welchen Marken es gelingt, an diesem Trend teilzuhaben und wie sich die Distributionslandschaft weiter entwickelt.

Dambacher: Naturkosmetik wird ein vitaler Bestandteil des Kosmetikmarktes bleiben und weiter wachsen. Der gesamte Kosmetikmarkt wird grüner und damit erhöhen sich die Anforderungen an die Naturkosmetikmarken. Wie viel Einfluss zertifizierte Naturkosmetik weltweit haben wird, hängt davon ab, ob die jetzigen Marktteilnehmer auch wieder mehr Branchenthemen aufgreifen und vorantreiben, unabhängig von den einzelnen Zertifizierungsansätzen.

Der Markt steht vor großen Herausforderungen. Welche Impulse und Lösungsansätze bietet der 10. Naturkosmetik Branchenkongress?
Lüdge: Ein großes Thema ist eine effektive Markenführung im zunehmenden Wettbewerb und welche Herausforderungen die sich verändernde Customer Journey für den Handel darstellt. Kunden entwickeln sich in Ihren Bedürfnissen, junge Kundengruppen werden erschlossen. Neben diesen Marktthemen gehen wir mit weiteren Beiträgen auf die Gestaltung der Produktionskette ein. Wie können dauerhaft Rohstoffe sichergestellt werden und welche Auswirkungen haben Primär- und Sekundärverpackungen für die Kundenkommunikation und die Umwelt. Hier freut es mich besonders, dass die internationale Meeresschutzorganisation Sea Shepherd ihre Teilnahme zugesagt hat. 

Dambacher:  Der Innovationsgrad ist bei vielen etablierten Marken zu gering. Naturkosmetik lebt wie Kosmetik von echten Innovationen, diese Lücke nutzen aktuell vor allem Nischenmarken und Newcomer. Auch darauf wird der 10. Naturkosmetik Branchenkongress eingehen. Besonders freue ich mich auf spannende Diskussionen mit internationalen Experten, die zur Zukunftsfähigkeit der Naturkosmetik diskutieren. 

Wie könnte ein Motto für die Zukunft lauten? 
Lüdge: Steter Wandel erfordert große Wandlungsfähigkeit. In dieser sich ändernden Welt ist es aber wichtiger denn je zu wissen, wer man ist, was man will.  

Dambacher: Leben in der Liebe zum Handeln und nicht in bisherigen Konzepten verharren.
 
Herr Lüdge, Frau Dambacher, wir danken Ihnen für das Gespräch und wünschen Ihnen viel Erfolg mit dem Naturkosmetik Branchenkongress 2017.

Der nächste Naturkosmetik Branchenkongress findet vom 26.-27.9. 2017 mit Elfriede Dambacher als Programmvorsitzender und unter neuer Gesamtleitung durch Wolf Lüdge im Hotel Ellington Berlin statt. 


Lifestyle | Mode & Kosmetik, 13.09.2017

     
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