Die Kantinenstürmer

Erfolgsstory eines Bio-Pioniers

Bio-Nahrungsmittel gewannen in den 1990er-Jahren immer mehr Anhänger und die Bio-Läden schossen aus dem Boden. Doch für Großverbraucher wie Mensen, Kantinen und Gasthäuser war es schwer, an Bio-Großgebinde zu kommen und einen professionellen Lieferservice für Frischeprodukte zu erhalten. Ein bayerisches Start-up erkannte rechtzeitig Handlungsbedarf und Chancen: Heute ist es Marktführer und hat sich nun auch der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) verschrieben.
 
Rückblende: Als wir vom ALTOP Verlag 1989 die Münchner Messegesellschaft nicht nur von unserem Messekonzept einer Bionale auf der Publikumsmesse Heim & Handwerk begeistern konnten, sondern auch noch forderten, dass die Messeverpflegung in unserer Halle unbedingt Bio sein müsse, waren Ratlosigkeit und Ärger bei den Messeköchen groß. Woher sollten sie das „grüne Zeug" bekommen und vor allem, wer konnte es in vernünftigen Verpackungseinheiten und zum vernünftigen Preis liefern? Damals Fehlanzeige.
 
Heute können sich Küchenchefs komplett und professionell mit Bio versorgen. Dazu  hat ein Unternehmen aus Bayern entscheidend beigetragen: EPOS Bio Partner.
 
Herrmannsdorf – Keimzelle der Veränderung
Susanne und Hermann Oswald sorgten 1996 für eine grüne Revolution in der Versorgung von Großküchen. Mit ihrem Fachgroßhandel EPOS liefern sie ein Vollsortiment an Bio-Lebensmitteln zum vernünftigen Preis. © EPOSIm Osten Münchens hatte Georg Schweisfurth mit den ­Herrmannsdorfer Landwerkstätten für Bio-Begeisterung gesorgt und neue Zielgruppen für Bio-Lebensmittel gewonnen. 1996 war er bereit für Neues: Mit Hermann Oswald gründete er die EPOS Kommunikation & Handel GmbH.
Kurz danach stösst als Dritte Susanne Rath zur Truppe und bringt weiblichen Spirit in das Gründertrio. Viele Ideen rund um das Thema Bio geistern in den Köpfen der Bio-­Pioniere und ebenso vielfältig sind die Projekte. Neben einem Fachgroßhandel für ökologische Gastronomie stehen auch ­Marketing-Aktivitäten und Konzepte für weitere Bio-Unternehmen auf dem Plan, wie zum Beispiel eine Supermarktkette namens basic – diese sollte wenig später den Bio-Einzelhandel revolutionieren...
 
Der geplante Fachgroßhandel begann 1997 mit einem gebrauchten Lkw sowie 300 Quadratmetern Lager, zwei Kühlzellen und einem Büroraum in den ehemaligen Stallungen eines Bauernhofes mit der Auslieferung von Bio-Käsen an die Münchener Hotellerie. Die Nachfrage führte zu einer ­schnellen Ausweitung des Sortiments auf weitere Produktbereiche wie Schinken und Wurstwaren sowie Obst und Gemüse. Der Erfolg zeigte die Richtigkeit des Ansatzes: Eine kontinuierliche Ausweitung des Kundenkreises folgte.
 
Während Georg Schweisfurth sich vor allem um das neue „Baby" basic kümmerte, blieben Hermann und Susanne Oswald – sie hatten inzwischen geheiratet – mit EPOS den Großverbrauchern verbunden. Kern und Herzstück des Großhandels waren Teamwork und Kooperation. Die Oswalds starteten eine enge Zusammenarbeit mit regionalen Erzeugern und dem Naturkostgroßhändler Bodan als Frischelieferant. Dieser Grundstock, harte Arbeit, Idealismus und ein unerschütterliches Vertrauen in das „Kommen" des Bio-Marktes führten zu langsamem, aber stetigem Wachstum. Und schließlich konnten in der so genannten AHV (Ausser Haus Verpflegung) erste Kantinen und Schulverpfleger als Kunden gewonnen werden.
 
Ein neues Jahrtausend bricht an – echt Bio für Groß­verbraucher
Die Jahrtausendwende brachte den nächsten großen Schub mit einer Ausdehnung auf 700 Quadratmeter Lagerfläche, vier Kühlräume, drei Büroräume und zwei Lkws, weiteres Wachstum an Sortimenten, Mitarbeitern und Kunden. Dann geht es Schlag auf Schlag. 2002 beliefert EPOS erstmals die Gastronomen auf dem Münchner Tollwood-Festival, 2004 führen die Oswalds und ihr Team ein Bio-Tiefkühlsortiment für die AHV in den Markt ein. Die Konzentration als rein auf die AHV ausgerichtetes Bio-Großhandelsunternehmen und die Kooperation mit den beiden jeweils 25-Prozent-Partnern Bodan und Chiemgauer Naturkost machen 2007 einen weiteren Umzug und die Vergrößerung auf 1.100 Quadratmeter Lagerfläche und 300 Quadratmeter Bürofläche nötig und der Umsatz mit Bio in der AHV erreicht erstmals die Drei-Millionen-­Euro-Marke. 2008 kommt die neugegründete Tagwerk Großhandel neben Bodan als dritter Partner ins Gebäude und alle Partner profitieren von der Nutzung einer gemeinsamen Infrastruktur und der Vernetzung der Logistik.
 
Wachsen will gelernt sein
Bio für die Gipfelstürmer der Qualität: Mit eigenen Lkws und einem großen Partnernetzwerk bringt EPOS Bio-Produkte bis in den letzten Winkel.© EPOSDoch dann folgten dunkle Zeiten. Schnelles Wachstum, Zahlungsausfälle von Kunden, die Wahl eines falschen Dienstleisters für die Lager- und Auslieferungstätigkeiten sowie Unerfahrenheit und Fehlentscheidungen führten zu einer Krise, die den Oswalds und ihrem Team alles abverlangte. „Wir arbeiteten zeitweise fast Tag und Nacht", erzählt Susanne Oswald, die sich neben der Firma nun auch noch um drei Kinder kümmerte, und Hermann ergänzt: „In diesen Zeiten zeigte sich, wer wirkliche Freunde sind und auf wen man sich in Notzeiten verlassen kann." Kapital und Rat war dringend nötig.
 
Eine innerhalb von zehn Tagen notwendige Übernahme der Lager- und Auslieferungstätigkeit von einem Dienstleister führte zu einer ungewollten Expansion. Mehrere gebrauchte Kühl-Lkws mussten kurzfristig angeschafft werden, um den Auslieferbetrieb lückenlos sicherstellen zu können. EPOS überschritt damit die Schwelle von dreißig Mitarbeitern. Nach der Konsolidierung und dem überwundenen Schock wurden die Aktivitäten ausgeweitet und mit frischem Mut regionale Stützpunkte eingerichtet. 2014 erreichte der Umsatz erstmals die Zehn-Millionen-Euro-Marke.
 
Das ermutigt die Bio-Enthusiasten, ihre Liefergebiete nun mit Eigenlogistik auszudehnen:
Mehr als 50 begeisterte Mitarbeiter sorgen dafür, dass Bio täglich frisch bei den Kunden ankommt. Die Lagerfläche umfasst mittlerweile 2.000 Quadratmeter. © EPOSUm auch Baden-Württemberg abdecken zu können, wird in Überlingen ein erster Lkw stationiert. Und als das Wachstum weiter anhält, kommt bald ein zweiter Lkw dazu. Auch am Firmensitz in Landsham bei München geht es vorwärts. EPOS übernimmt den gesamten Gebäudekomplex und erweitert damit seine Lagerfläche auf jetzt 2.000 Quadratmeter.
 
Aus Schaden klug geworden, weiß man nun, dass Wachstum nicht nur finanzielle, sondern vor allem auch eine organisatorische Herausforderung ist. Durch die Neuorganisation aller Unternehmensbereiche und die Schaffung einer Führungsstruktur mit einem Leitungsgremium an der Spitze kommt Ruhe in das Unternehmen: Die weitere Konsolidierung ermöglicht nun die Konzentration auf Werte und Leitmotive. „Wir haben erkannt, dass es wichtig ist, unseren Idealismus und unsere Begeisterung für Nachhaltigkeit und ein verantwortungsbewusstes Wirtschaften noch mehr mit unseren Kunden, aber vor allem auch unseren Mitarbeitern zu teilen. Das ging im Überlebenskampf der ersten Jahre oft unter. Nun ist es Zeit, dies zu verankern und zu kommunizieren."
  
Das Gemeinwohl immer im Auge
Im Jahr 2016 erstellt EPOS erstmalig einen Nachhaltigkeitsbericht in der Systematik einer Gemeinwohl-Bilanz und feiert diesen zusammen mit der Einstellung des fünfzigsten Mitarbeiters gebührend. „Aus unserer Sicht ist es höchste Zeit für eine Gemeinwohl-Ökonomie", erklärt Oswald seine Begeisterung für diesen Ansatz. „Sie ist ein Modell, das über eine rein ökonomische Betrachtungsweise hinausgeht und dabei lebenswichtige Aspekte für unsere Gesellschaft, aber auch für ein dauerhaft gelingendes Unternehmen beinhaltet." Man erkennt, wie sehr ihm dieses Thema am Herzen liegt: „Bereits seit meiner Jugend beschäftige ich mich mit neuen Unternehmensformen und der Beteiligung derjenigen, die die Wertschöpfung leisten, an den Früchten unternehmerischen Handelns. Die GWÖ-Bilanz gibt hier interessante Denkanstöße und Handlungsansätze, um das klassische Modell der Profitmaximierung zu hinterfragen und erfolgreich eine neue Form für zukunftsfähiges, faires und nachhaltiges Wirtschaften zu entwickeln."
 
In ihrem Unternehmen wollen die Oswalds die fünf Werte der GWÖ (Menschenwürde, Solidarität, Ökologische Nachhaltigkeit, Soziale Gerechtigkeit und Demokratie/Transparenz) weiter verankern und dabei einen engen Kontakt mit den Lieferant­Innen, GeldgeberInnen, MitarbeiterInnen, KundInnen & MitbewerberInnen sowie dem gesellschaftlichen Umfeld halten.
 
Regionalität = Fairness, Umweltschutz, Nachhaltigkeit
Damit haben Köche gut lachen: Sie schätzen das biologische Angebot. © EPOSEin besonders Anliegen sind ihnen trotz allen Wachstums Regionalität und Vernetzung in der Region. Dazu hat EPOS ein Sondersortiment „Aus der Region" eingeführt. „Hier in unserer direkten Umgebung können wir uns am leichtesten selbst ein Bild machen und Mitverantwortung übernehmen: für spannende, überzeugende Unternehmensideen und ebensolche Produkte. Für eine Vielfalt auf dem Teller wie auf den Feldern, für intakte Kultur-Landschaften, saubere Böden und sauberes Wasser, für artgerechte Tierhaltung und ein faires Miteinander." Man erkennt mit welcher Begeisterung die Oswalds das Thema nach vorne treiben. „Hier werden kurze Wege gefahren und Kilometer gespart, und im Gemüsebereich können wir größtmögliche Frische bieten! Hier leben und gestalten wir unsere Umgebung im Zusammenspiel aller Akteure. Vom Landwirt bis zum Konsumenten."
 
Bei der Versendung des ersten Gemeinwohl-Berichtes schreibt EPOS mit großem Enthusiasmus an alle Interessensgruppen: „Lassen Sie uns gemeinsam daran arbeiten, dass es bunt und lebendig bleibt –  in Ihrer Küche, auf den Tellern, in unserem Lager, draußen in unserer Umgebung, auf den Wiesen & Feldern, in den Ställen."
  
Kooperation ist die Zukunft
EPOS will nun organisch mit den Bedürfnissen der Kunden weiterwachsen und visiert dabei ein jährliches Wachstum zwischen fünf und zehn Prozent an. Im Mittelpunkt steht der weitere Ausbau regionaler (Frische-)Stützpunkte zur besseren Versorgung der Kunden mit regionaler Ware in einem nach ökonomischen und ökologischen Kriterien optimierten Netzwerk. Und auch in Zukunft setzen die EPOS-Macher auf Kooperation statt auf Konkurrenzkampf: Sie sind bereit, Partner beim Aufbau neuer Bio-Projekte in anderen Regionen Deutschlands zu unterstützen.  www.bio-partner.de
 
forum berichtet regelmäßig über die Gemeinwohl-Ökonomie und stellt Ihnen Beispiele vor, wie ­Firmen mit der Gemeinwohl-Bilanz erfolgreich arbeiten, darunter auch die Gemeinwohl-Erklärung der Firma EPOS Bio-Partner.
Fritz Lietsch

Lifestyle | Essen & Trinken, 01.05.2017
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2017 - Wie ernähren wir uns in Zukunft? erschienen.
     
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