Stress- und Emotionsmanagement

Achtsamkeit als Basis für nachhaltige Führung, Unternehmenskultur und Unternehmensleistung

Globalisierung, Digitalisierung, Wertewandel und demografischer Wandel verändern die Arbeitswelt und die Gesellschaft tiefgreifend. Mitarbeiter arbeiten in globalen, virtuellen Teams, entwickeln gemeinsam Ideen, lösen Probleme, bedienen Maschinen und beraten Kunden. Dabei wird ihr Gehirn sowohl im Unternehmen als auch zu Hause von einem Strom von Informationen geflutet. Auch gesunde Mitarbeiter spüren diesen ständigen Druck, der häufig mit einem Verlust der Freude an ihrer Tätigkeit, an Sinn, Lebensqualität und Leistungsfähigkeit einhergeht. Die nachhaltig gesunde Balance zwischen Arbeit und anderen Lebensbereichen, wie auch die notwendige Kreativität, Innovationsbereitschaft und Resilienz in der Arbeit selbst gehen immer weiter verloren. Achtsamkeit und achtsame Führung ist daher eines der momentan am intensivsten diskutierten Themen in der Business-Welt.
 
©FotoliaIm buddhistischen Lehr- und Weltbild ist die Achtsamkeit ein zentraler Dreh- und Angelpunkt, um eine Befreiung vom Leiden und eine Öffnung des Geistes zu erreichen. Durch die Erkenntnisse, die Prof. Dr. Jon Kabat-Zinn bei der Entwicklung und der Durchführung seines Mindfulness-based Stress Reduction-Programms (MBSR) mit Achtsamkeit als dem zentralen Behandlungselement im etablierten Center for Mindfulness in Medicine, Health Care and Society (CFM) an der University of Massachusetts Medical School gewonnen hat, hat das Stressmanagement durch Achtsamkeit als therapeutisches Prinzip mittlerweile Einzug in medizinische Einrichtungen in aller Welt gehalten. In letzter Zeit erobert die Achtsamkeit auch die Business-Welt. Unternehmen, wie z. B. SAP und Google, nutzen das Achtsamkeitstraining bereits als Element in der Entwicklung einer erfolgreichen Führungs- und Unternehmenskultur.
 
Es gibt wohl keine andere Aktivität, die so viele Chancen bietet, Mitmenschen und sich selbst zu Wohlbefinden bzw. einem neuen Bewusstsein zu führen sowie Lernprozesse und inneres Wachstum anzuregen, wie eine ganzheitlich verstandene achtsame Unternehmens- und Personalführung. Unternehmensführung, Menschenführung, Prozess- und Selbstmanagement, Gesundheitsprävention und lebensphasenorientiertes Life Balance Management auf der Basis von Selbsterkenntnis und Achtsamkeit gehören dabei zusammen.
 
Achtsamkeit ist eine Grundkompetenz der Führungskräfte des 21. Jahrhunderts.
Die Führungskräfte-Forschung an der Cranfield University hat aufgezeigt, dass Achtsamkeit Führungskräften hilft, sich selbst besser zu führen und unter Kontrolle zu halten, insbesondere gegenüber ungewissen, vieldeutigen und komplexen Situationen, für die es keine schnelle Lösung gibt. Zum Beispiel erklärten Teilnehmer eines 3-tägigen Achtsamkeitskurs für Führungskräfte an der Cranfield University in Grossbritannien, dass der Kurs ihnen half, wichtige Entscheidungen mehr durch effektives Einbeziehen ihrer Mitarbeiter zu meistern. Beide Merkmale haben mit emotionaler Intelligenz und Resilienz zu tun.
 
Führungskräfte scheuen sich heute nicht davor, zuzugeben, dass sie aufgrund der zunehmenden Komplexität und Ungewissheit nicht bzw. noch nicht wissen, welche Entscheidung die richtige ist. Und solche Führungskräfte benutzen alle ihre fünf Sinne, um sich zu besinnen, was in kritischen Situationen tatsächlich wesentlich ist. Sie bleiben gerade dann offen für neue Fragen und Perspektiven, wenn andere schon längst eine schnelle Lösung verordnet hätten. Sie zeichnen sich durch Intuition, Gelassenheit und Besonnenheit aus und erzielen so nachhaltig bessere Entscheidungen und Resultate.
 
Bei Achtsamkeit geht es letztlich um die Kunst und das Wissen, die eigene Aufmerksamkeit und Wahrnehmung in täglichen Situationen auf bestmögliche Art zu steuern – also im Moment psychologisch offen zu bleiben, anstatt die Situation und die Menschen, welche sie mit uns mitgestalten vorschnell zu beurteilen und abzuurteilen. Es geht darum, flexibel zu bleiben, im täglichen Tanz mit der immer komplexeren und sich immer schneller verändernden Arbeitswelt. Und tatsächlich hilft Achtsamkeit vor allem dann, wenn man sich in stressintensiven, unvorhersehbaren Situationen befindet. Es geht um Loslassen.
 
Achtsamkeit kann man lernen. Es ist kein Persönlichkeitsmerkmal, das manche von Natur aus besitzen und für andere unerreichbar ist.
Die aktuelle Forschung bezeugt, dass Achtsamkeitstraining eine valide und nachhaltige Methode ist, um die emotionale Intelligenz und Resilienz von Führungskräften zu steigern. Genau dann, wenn der Arbeitsalltag komplex und dynamisch ist, also genau dann, wenn es für die meisten Führungskräfte stressig wird.
 
Im Rahmen der Mind Body Medicine (MBM), die auf die Arbeiten von Prof. Dr. Jon Kabat-Zinn und Prof. Dr. Herbert Benson an der Harvard Medical School zurückgeht und auf wissenschaftlichen Erkenntnissen der Medizin, Neurobiologie und Verhaltenspsychologie basiert, und des Systems of Empowerment gewinnt das Thema Achtsamkeit immer weiter an Bedeutung. Die Mind-Body-Medizin fokussiert sich auf gesundheitsfördernde Interaktionen zwischen Psyche und Körper, zwischen Immun- und Nervensystem und anderen Körperfunktionen, zur Selbstregulation und Selbstheilungskraft des gesamten Organismus. In seinen Forschungen untersuchte António Damásio, Professor für Neurologie und Psychologie an der University of Southern California und Leiter des dortigen Brain and Creativity Institute, die Wechselwirkungen zwischen Körper und Bewusstsein und bestätigte im Ergebnis, dass Körper und Geist unauflösbar zusammen hängen und sich ständig gegenseitig beeinflussen.
 
Prof. Dr. Bernhard Badura, der als einer der großen Vorreiter für die Themen Achtsamkeit und Führungskapital im Betrieblichen Gesundheitsmanagement (BGM) gilt, plädierte auf dem brainLight Life Balance Day für eine neue Führungskultur der Achtsamkeit und Wertschätzung in Organisationen. Denn Erfolg kommt von innen und ein achtsamkeitsbasiertes Programm und systemisches Coaching in der Arbeitswelt kann in Organisationen als pädagogische Maßnahme genutzt werden. In diesem Rahmen können u. a. Themen wie Selbstführung und Führung, emotionale Intelligenz und soziale Kompetenz, Vertrauen und Zufriedenheit sowie achtsame Kommunikation und Achtsamkeitsmeditation vermittelt werden.
 
Achtsamkeit mit sich und anderen ist der Kompass, der den Weg für ein wertschätzendes, sinnvolles und nachhaltiges Wirtschaften im Unternehmen aufzeigt.
Durch die innere Kraft können eigene Ressourcen und die Regulationsfähigkeit gestärkt werden, um so mit den Belastungen des alltäglichen Lebens besser klar zu kommen. Die eigenen Potentiale können damit besser entfaltet und die eigene Energie optimal genutzt werden. Die Veränderungen brauchen allerdings Zeit und kontinuierliches, geduldiges Training. Grundlagen des Trainings der Achtsamkeit sind die Forschungsergebnisse zahlreicher wissenschaftlicher Studien, z. B. die des EI-Consortiums: Hier kooperieren international die Hochschulen zum Thema Emotionale Qualität. Beispielsweise hat die Harvard Medical School die Elemente der Neurosoziologie im Rahmen des EQ-Trainings erforscht, das London Psychometric Laboratory des University College London den Wirksamkeitstest entwickelt und Forschungsgruppen an der Reinhold Würth University (Leitung Prof. Dr. Tiebel) und an der Cranfield University (Leitung Prof. Dr. Tobias) verschiedene Trainingsmethoden entwickelt und getestet. Ein Element des nachhaltigen EQ-Trainings ist der Einsatz von speziell trainierten Hunden. Sie besitzen hohe sozial-kognitive Fähigkeiten und dienen als Spiegel in diversen Übungen. Die Universität Budapest forscht an den sozial-kognitiven Fähigkeiten von Hunden ebenso wie die Max-Planck-Gesellschaft in Leipzig. Obwohl EQ auf andere Weise als der Intelligenzquotient messbar gemacht wird, konnte die Wirksamkeit in Selbst- und 360-Grad-Tests nachgewiesen werden: Der TEIQue (Trait Emotional Intelligence Questionnaire)-Test ist eins von vielen international anerkannten Verfahren.
Sehr wirksam ist das Intervalltraining: Bei einem Kick-Off werden in 1-2 Tagen die Grundlagen zur EQ gelegt. Dann erfolgt innerhalb von jeweils 2 Monaten ein Refresher-Training. Die einzelnen Elemente des EQ-Trainings (z. B. Empathie, Wahrnehmung, Selbstdarstellung) werden in 2-3 Stunden vertieft. Aber auch eine Version von 1,5 Tagen oder 3 Tagen sind gut durchführbar und haben sehr gute Erfolge mit dem TEIQue-Test erbracht.
 
In mehreren Forschungsprojekten wird EQ und andere Arten von Achtsamkeitstraining an verschiedenen Zielgruppen getestet. So hat sich ein Baukasten entwickelt, der zielgruppenspezifisch angepasst werden kann. Von Auszubildenden bis hin zum internationalen Management großer Konzerne sind solche Trainings durchgeführt worden. Die Zusammenarbeit zwischen Forschern, Trainern und Kunden ist hier besonders wichtig: Cranfield University zeigte auf, dass ein 6-wöchiges Achtsamkeitstrainingsprogramm für 265 Angestellte einer globalen Firma, speziell zugeschnitten für die derzeitige Situation und Herausforderungen dieses Unternehmens, die Resilienz der Programmteilnehmer signifikant steigern konnte. Allerdings sind auch eine intellektuelle Auseinandersetzung mit den Themen und der Transfer von den Übungen unabdingbare Voraussetzung für eine Nachhaltigkeit. Zum Beispiel wird EQ-Training auch gemeinsam mit dem Körpersprecher Stefan Verra angeboten um das wichtige Element der Wahrnehmung und Körpersprache in die Trainings aufzunehmen. Eine weitere Art, Achtsamkeitstraining nachhaltig in die Unternehmenskultur einzubauen besteht darin, Achtsamkeits- und Resilienztraining in reguläre Entwicklungsprogramme einzubauen: die Cranfield University hat zum Beispiel seit mehreren Jahren in Zusammenarbeit mit dem britischen Kanzleramt Hunderten von Führungskräften in britischen Regierungsbehörden nahegebracht, wie sie Achtsamkeit und Resilienz in ihrem Umgang mit sich selbst – und mit anderen – erfolgreich steigern können.
 
Prof. Dr. Jutta Tobias ist Psychologin, Dozentin und Forscherin an der Cranfield University in England. Sie erforscht Methoden, um Achtsamkeit in die strategische Wirtschaftsplanung einzubringen. Ihre Werke sind in zahlreichen Medien veröffentlicht und ihre Arbeit wurde im Schweizer Dokumentarfilm „Die neue Achtsamkeit – Mindfulness erobert die Businesswelt" verfilmt. Als Strategieberaterin hat sie jahrelang Unternehmen beraten.
 
Prof. Dr. Christoph Tiebel ist Hochschullehrer für Human Research Manager und forscht an dem Thema „Training emotionaler Kompetenzen und deren Wirksamkeit". Seine Forschungsarbeiten führten zu dem Ergebnis, dass Emotionale Qualität (EQ) mit Hilfe eines Intervalltrainings deutlich verbessert werden kann. Gemeinsam mit Stefan Verra und der Kynopädagogin Ulrike Tiebel werden die Elemente eines tiergestützten Trainings inzwischen international vorgestellt und durchgeführt.
 
Marco Englert, MBA, ist Director Strategy & Corporate Development bei der brainLight GmbH. In dieser Position verantwortet er die Modellierung und Umsetzung der nachhaltigen Managementstrategien. Er verfügt über exzellentes Research- und Consulting-Know-How, u.a. in den Bereichen Unternehmensführung, Personalmanagement sowie Projekt-, Qualitäts- und Nachhaltigkeitsmanagement. 

Wirtschaft | Führung & Personal, 20.02.2017

     
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