Holz – der Bau(m)stoff der Zukunft

Beginnt nun endgültig das Zeitalter der Nachhaltigkeit?

Dann wird es vermutlich eine neue „hölzerne" Epoche werden. Denn Holz bringt alle Voraussetzungen mit, ein Leitsymbol der Green Economy des 21. Jahrhunderts zu werden. Doch noch immer werden landstrichweise Wälder zerstört. Das muss sich ­ändern – und wir alle haben es in der Hand.

Es wird ein Bau der Superlative: Mitten in London entsteht ein 300 Meter hohes Gebäude, das lediglich sechs Meter kleiner sein wird als der bisherige Spitzenreiter unter den Bauriesen der Themse-Metropole, das Shard. Das Baumaterial des neuen Giganten? Holz! Das Hochhaus auf dem Areal des Barbican Centers wird sich in diverse Großprojekte in Europa und auch weltweit einreihen, die durch Energieeffizienz und die Wahl eines nachwachsenden Baustoffs den Weg in die Ära der Nachhaltigkeit zu ebnen scheinen. Kein anderes Material ist besser geeignet, symbolisch diesen wichtigen Schritt zu markieren als der älteste Bau- und Werkstoff in der Menschheitsgeschichte – der Stoff, für den der Begriff der Nachhaltigkeit sogar erst erfunden wurde. Denn, wie forum-Leser wissen, wird das Prinzip erstmals in der „Sylvicultura Oeconomica" erwähnt, der ältesten schriftlich fixierten wissenschaftlichen Forstlehre, verfasst vom Leiter des Sächsischen Oberbergamtes, Carl Hannß von Carlowitz, im Jahr 1713. Etwas vereinfacht formulierte er damals das Grundprinzip einer verantwortungsvollen Forstwirtschaft, das zum Leitsatz des Nachhaltigkeitsgedankens werden sollte, folgendermaßen: Entnehmt nur so viel Holz aus dem Wald, wie auch wieder nachwächst!

Die Stadtwerke Lübeck sind stolze Besitzer eines der größten Bürogebäude, die in Europa in Holzbauweise existieren: Die viergeschossigen Baukörper umfassen rund 49.000 m³ umbauten Raum und bieten auf 12.500 m² Platz für mehr als 250 einzeln klimatisierte Büros sowie Tagungsräume, Besprechungszonen und ein Betriebsrestaurant. Das Tragwerk besteht aus einem Brettschichtholz-Skelett und die Fassade aus hoch gedämmten Holzrahmenbauelementen. Foto: © Ed. Züblin AG, Steffen SpitznerHolz wird im Unterschied zu den fossilen Rohstoffen dem Menschen immer zur Verfügung stehen – vorausgesetzt, er geht auch nachhaltig mit ihm um. Letzteres wird eine Voraussetzung für das neue, postfossile Zeitalter sein, in dem der Mensch die Welt noch intensiver gestaltet, als er es bisher schon getan hat. Einige Wissenschaftler nennen diese Zeit daher schon das „Anthropozän", das Menschzeitalter. In diesem liegt die Verantwortung für die Verwirklichung der Nachhaltigkeit allein bei uns Menschen. Dies erfordert einen globalen Lernprozess und ist eine kulturelle und gesellschaftliche Aufgabe für die gesamte Menschheit, an deren Ende ein tiefer Bewusstseinswandel stehen muss, wollen wir Menschen den Lebensraum Erde weiter bewohnen. Ohne diesen inneren Wandel wird es nicht gehen, trotz aller innovativen Technologien und wissenschaftlichen Erkenntnisse. Nachhaltigkeit im Spannungsfeld von ökologischen, ökonomischen und sozialen Interessen kann nur von Menschen und Gesellschaften erreicht werden, wenn sich eine Naturwahrnehmung durchsetzt, die Nachhaltigkeit zu einem der prioritären gesellschaftlichen Ziele erklärt und die die Menschen dazu bewegt, gemäß dieser Zielformulierung Lösungen zu finden, die das Ausplündern der Naturressourcen unseres Planeten stoppen.

Jeder Einzelne muss dabei Verantwortung übernehmen, um die unterschiedlichen Interessen im Gleichgewicht zu halten oder sie ins Gleichgewicht zu bringen. Das Wort Verantwortung impliziert eine große Bürde. Der Einzelne mag sich fragen, ob er durch sein Handeln überhaupt irgendetwas bewirken kann. Aber selbst in der ent-individualisierten Konsumgesellschaft gibt es Mittel und Wege, einen wirksamen Beitrag zur globalen Verantwortung zu übernehmen. Das mächtigste Werkzeug: Durch die „richtige" Kaufentscheidung eine nachhaltig produzierte Ware einer nicht-nachhaltig produzierten vorzuziehen. Also die nächsten Büromöbel aus Buche bestellen statt aus Kunststoff. Doch Halt: Was macht den Rohstoff Holz aus ökologisch-nachhaltiger Perspektive eigentlich so einzigartig? Und wann stammt er nachprüfbar aus nachhaltiger Herkunft?

Klimaschutz durch den (Wirtschafts-)Wald
Die Wälder der Erde sind für das Leben auf diesem Planeten von unersetzbarem Wert. Denn sie erfüllen zwei wichtige Klimafunktionen: Erstens sind sie ein gigantischer Kohlenstoffspeicher. Wälder bedecken 30 Prozent der Landoberfläche, sie speichern aber etwa die Hälfte des auf der Erde gebundenen Kohlendioxids (CO?) in ihrer Vegetation. Zusammen mit den weiteren Kohlenstoffmengen, die in den Waldböden gespeichert sind, übersteigt dies sogar die Menge an Kohlenstoff in der Atmosphäre. Zudem steuern Wälder als größter terrestrischer Kohlenstoffspeicher die Verdunstung, die Wasserkreisläufe und so das Wetter. Zusammenhängende Waldflächen funktionieren wie riesige Klimaanlagen: Die Bäume setzen die auf ihre Kronen einstrahlende Sonnenenergie in Wasserdampf um, der einen kühlenden Effekt auf die Atmosphäre hat.

Um vor diesem Hintergrund mit einem weit verbreiteten Vorurteil aufzuräumen: Urwälder haben zwar ihre ganz besondere Funktion für unseren Planeten, insbesondere hinsichtlich des Erhalts von Biodiversität und genetischen Ressourcen. Aber ein besserer Kohlendioxidspeicher und damit Klimaretter als die von Menschen verantwortungsvoll genutzten Wälder sind sie nicht. Sogar das Gegenteil ist der Fall: Typisch für Urwälder ist nämlich ein ungefähres Gleichgewicht von im Wachstum gebundenem und im Verfall freigesetztem CO?. Der Kohlenstoffspeicher ist aufgefüllt und kann kaum zusätzliches CO? aufnehmen. Eine Erhöhung des CO?-Absaugeffektes durch den Wald wird erst durch den menschlichen Eingriff geleistet. Denn erstens entstehen durch das regelmäßige Ernten von Bäumen neue Wachstumsinseln; junge Bäume schießen in den sonnendurchfluteten Lichtungen empor und binden im Wachstumsprozess besonders schnell und mengenreich CO? aus der Luft. Zweitens fertigt der Mensch aus dem im Wald entnommenen Holz Produkte, die während ihres gesamten Lebenszyklus das gespeicherte CO? in sich verschließen und dabei gleichzeitig klimaschädliche fossile Rohstoffe ersetzen (Substitutionseffekt). Nachhaltig bewirtschaftete Wälder haben daher eine bessere Klimabilanz als sich selbst überlassene Naturwälder.

Die Bilanz kann sich sehen lassen
Waldzertifizierungssysteme wie PEFC und FSC wollen das Klima, die Artenvielfalt und Ressourcen schützen und gleichzeitig ökologische Produkte zum Leben, Wohnen und Heizen bereitstellen. Foto: © PEFC Deutschland, Ute KaiserUnter der Ökobilanz eines Produktes versteht man eine systematische Analyse der Umweltauswirkungen von Produkten während ihres gesamten „Lebensweges". Der Produktlebenszyklus des Roh-, Werk- und Baustoffes Holz beginnt im Wald. Schon aufgrund dieser Herkunft nimmt Holz aus ökologischer Sicht gegenüber allen anderen Rohstoffen eine besondere Stellung ein. Holz ist nicht nur ein nachhaltig nachwachsender Rohstoff, sondern selbst Teil eines Ökosystems, das unzähligen Pflanzen- und Tierarten Lebensraum bietet.

Eine weitere Besonderheit besteht darin, dass bei der Holzbe- und Holzverarbeitung praktisch keine Abfälle entstehen, vielmehr ergeben sich immer wieder verwertbare Nebenprodukte oder Energieträger. Als Beispiel sei die Herstellung von Schnittholz genannt. Neben dem Hauptprodukt Schnittholz entstehen verschiedene Nebenprodukte, so zum Beispiel Rinde, Hackschnitzel oder Sägespäne. Sie können entweder im Ofen beziehungsweise Kraftwerk zur Bioenergieerzeugung verwertet werden oder zur Herstellung von Holzwerkstoffen wie Spanplatten oder zur Produktion von Holzstoff oder Zellstoff in der Papierproduktion eingesetzt werden.

Viele Leben durch Kaskadennutzung
Holz ist ein Wiedergänger: Altes Bauholz (z. B. Eichenholz aus Fachwerken) wacht in modernen Inneneinrichtungen wieder auf, Altholz lebt in Plattenwerkstoffen weiter, abgenutzte Holzverpackungen gehen in die Herstellung von Kartonverpackungen ein, aus gebrauchtem Kork wird Dämmmaterial usw. Selbst ganz am Ende seines Lebenszyklus steht ein aus Holz hergestelltes Produkt noch für die energetische Nutzung zur Verfügung. Hier kommen teilweise eindrucksvolle Effekte zustande. Um nur ein prominentes Beispiel zu nennen: Mit dem 5.200 Kubikmeter mächtigen Holzdach des EXPO-­Gebäudes in Hannover könnten am Ende der Nutzungsdauer des Bauwerkes 1.600 Einfamilienhäuser mit einer Durchschnittswohnfläche von 100 Quadratmetern ein Jahr lang geheizt werden. Während so die im Holz gespeicherte Sonnenenergie umweltfreundlich genutzt wird, ersetzt dieser Vorgang gleichzeitig fossile Energieträger und vermeidet deren CO?-Emissionen (Substitutionseffekt). Der Fachmann nennt dies „Kaskadennutzung" und definiert sie als eine mehrfache stoffliche Nutzung mit abnehmender Wertschöpfung bis zur letzten Nutzungsphase, der Strom- und Wärmeerzeugung. Durch eine Kaskadennutzung bleibt das Holz beziehungsweise das Holzprodukt so lange wie möglich im Wirtschaftskreislauf und damit können sowohl ökologische wie ökonomische Vorteile wie eine geringere Belastung der Umwelt, Einsparung von Treibhausgasen, geringere Kosten und höhere Wertschöpfungen erreicht werden. Die Kaskadennutzung wird inzwischen politisch von nahezu allen Umweltministern gefordert, ist aber vielerorts noch ein theoretisches Konstrukt. In der Praxis ist die sofortige Holzverfeuerung zur Strom- und Wärmegewinnung ohne vorherige stoffliche Nutzung auf dem Vormarsch; 2010 wurde erstmals mehr Holz in Deutschland verbrannt als stofflich genutzt – ein Trend, der leider bis heute anhält.

Neue Flexibilität im Holzbau
Mit den vorgestellten Alleinstellungsmerkmalen geht der Rohstoff Holz ins Rennen um mehr Marktanteile im Bauwesen von morgen. Technisch gesehen bietet der Baustoff Holz vielfältigste Möglichkeiten zur Verwirklichung einer zukunftsprägenden Baukultur sowohl im ländlichen als auch im städtischen Raum, bei der Klimaschutz, Energieeffizienz und Ressourcenschonung mit einer hohen Wohn- und Lebensqualität verbunden sind. Die Vielfalt der Möglichkeiten hat sich in den letzten Jahrzehnten durch neue Holzprodukte, Holzwerkstoffe und Verbundmaterialien stetig und dynamisch erweitert. Dazu tragen materielle Innovationen wie hochtragfähige und maschinell sortierte Konstruktionsvollhölzer (z.B. Duobalken, Triobalken), hochleistungsfähige Holzwerkstoffe (z.B. Furnierschichtholz, OSB), großformati­ge Wand- und Deckenbauteile aus Brettschichtholz oder Brettsperrholz, verschiedenste Trägersysteme, innovative Verbindungsmittel und leistungsfähige Klebstoffe bei. Gleichzeitig haben sich neue Verfahrensweisen wie die Leichtbauweise, die computerbasierte und modellgestützte Planung sowie industrielle Vorfertigungs- und Abbindetechniken durchgesetzt. Alle diese Fortschritte in der Holzbautechnik ermöglichen wettbewerbsfähiges und schnelles Bauen mit Holz in neuen Einsatzgebieten der Tragwerkplanung und im mehrgeschossigen Bauen.

Liberalisierung der Brandschutzvorschriften
Der aktuelle Durchbruch von Holz als Baustoff geht zu einem ganz entscheidenden Teil auf die Modernisierung der Brandschutzvorschriften zurück. Sie stellten bislang eine – in Augen vieler Experten – ungerechtfertigte gesetzliche Restriktion dar. Inzwischen aber reagiert die Politik auf die wissenschaftlichen Erkenntnisse der vergangenen zwanzig Jahre. Denn überall auf der Welt wurden in diesem Zeitraum Forschungsprojekte zum Brandverhalten und zum Brandschutz von Holzbauten durchgeführt, um grundlegende Daten und Informationen zur sicheren Verwendung von Holz als Baumaterial zu gewinnen und um auf der Grundlage umfassender Testreihen neuartige Bemessungskonzepte und -modelle für den Brandfall zu entwickeln. Die heute vorliegenden Erkenntnisse ermöglichen in Kombination mit technischen Maßnahmen, insbesondere Sprinkler- und Rauchmeldeanlagen, die unbedenkliche Verwendung von Holz. Infolgedessen sind 2011 die Brandprüfungs- und Brandklassifizierungsverfahren in Europa durch eine neue Richtlinie harmonisiert worden, wodurch der verstärkte Einsatz von Holz in der gesamten EU möglich und das Bauen mit Holz stark vereinfacht werden. In der Schweiz und in Österreich wurden die Brandordnungen schon derart geändert, dass auch Holzhäuser mit weit mehr als drei Geschossen gebaut werden dürfen, in Deutschland haben erste Bundesländer mit novellierten Landesbauordnungen nachgelegt – so zum Beispiel Bayern und Rheinland-Pfalz.

Europas größtes Passivhaus setzt auf Holz
 Foto: © PEFC Deutschland, Ute KaiserEin Neubau der Stadtwerke Lübeck, der im Dezember 2014 von rund 430 Mitarbeitern bezogen wurde, ist derzeit Europas größtes Verwaltungsgebäude in Holzbauweise. Es entspricht dem Passivhausstandard und wurde aus PEFC-zertifiziertem Holz errichtet. Dazu Sandra Metzung-Körner von der ipc Dr. Talkenberger GmbH, die für die Stadtwerke die Bauprojektleitung übernommen hatte: „Für ein Unternehmen wie die Stadtwerke Lübeck, welches für Nachhaltigkeit steht, hat sich aufgrund der gesellschaftlichen Verantwortung gar nicht die Frage gestellt, ob zertifiziertes Holz zur Ausführung kommen soll; dies war selbstverständlich." Damit stehen die Stadtwerke Lübeck nicht alleine da, wie Karl-Heinz Roth vom Baukonzern Züblin weiß. Die Nachfrage nach zertifiziertem Holz sei bereits seit Jahren konstant hoch, „da nur noch zertifiziertes Holz vom Kunden verlangt wird".

Insgesamt wurden in dem Viergeschosser fast 11.000 Quadratmeter Brettsperrholzdecken, 4.800 Quadratmeter Holzrahmenbauwände und knapp 600 Kubikmeter Brettschichtholz verbaut. Die Gesamtmenge an Holz beträgt 2.438 Kubikmeter. Diese Menge wächst in Deutschlands Wäldern innerhalb von 10 Minuten nach; 2.400 Tonnen Kohlenstoff sind darin gebunden.

Geht uns das Holz aus?
Mit dem Umstieg auf Holz als Baustoff und Energieträger scheinen viele Probleme der Zukunft gelöst, doch Zweifel werden laut: Kann das relativ kleine Deutschland mit seinen eigenen Wäldern den immer größeren Bedarf an Holz befriedigen? Werden durch eine erhöhte Nachfrage nicht weltweit die Wälder zwischen Kanada, Amazonien und Indonesien vernichtet?

Das Zentrum Holzwirtschaft der Universität Hamburg prognostizierte in einer Studie aus dem Jahr 2010 eine Deckungslücke in der Europäischen Union von bis zu 435 Millionen Kubikmetern Holz bis 2020, davon 20 bis 40 Millionen in Deutschland. Geht uns damit der nachwachsende Rohstoff Holz eines Tages doch aus? Die Antwort darauf lautet: Jein. Der Sachverhalt ist komplex. Deutschland ist zu einem Drittel mit Wäldern bedeckt, so viel wie seit Ende des Dreißigjährigen Krieges nicht mehr. Die letzte Bundeswaldinventur hat ergeben: Deutschlands Wälder besitzen einen Vorrat von 3,7 Milliarden Kubikmetern Holz – das ist mehr, als jedes andere europäische Land vorweisen kann. Aber Deutschlands Wirtschaft benötigt noch größere Mengen an Holz und ist daher einer der weltgrößten Importeure von Holz. Im Jahr 2013 wurden fast acht Millionen Kubikmeter Festholz eingeführt; noch viel höher ist die Menge an importierten Produkten aus Holz. Das Problem aus der Nachhaltigkeitsperspektive: Viel ausländisches Holz stammt aus Wäldern, die nach geringsten Standards bewirtschaftetet werden, beziehungsweise in denen sogar die Belange der Natur und indigener Völker missachtet werden. Noch 2009 schätzte das Johann Heinrich von Thünen-Institut (Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei), dass jährlich bis zu 5,2 Millionen Kubikmeter Holz aus illegalem Einschlag nach Deutschland gelangen.

Auch wenn die neue EU-Handelsverordnung (umgesetzt im Deutschen Holzhandelssicherungsgesetz) die Einfuhr von illegalem Holz unterbindet: Legal produziertes Holz muss nicht aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern stammen. Wie kann man aber sicherstellen, dass der nachhaltige Rohstoff Holz auch wirklich nachhaltig ist und durch die „Holzrenaissance" nicht noch mehr Wald und Umwelt zerstört werden?

Zertifizierung von Wald und Holz
Holz zeigte auf der Weltausstellung EXPO MAILAND 2015 seine kreativen Stärken. Foto: © PEFC Italien Viele Experten sehen in der Zertifizierung von nachhaltig produziertem Holz und Holzprodukten den zentralen Ansatz, um dieses Problem in den Griff zu bekommen. Die weltweit wichtigsten und meist genutzten Zertifizierungssysteme sind die der Organisationen PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes) und FSC (Forest Stewardship Council). Marktführer ist PEFC mit weltweit 267 Millionen Hektar zertifizierter Waldfläche, gefolgt von FSC mit etwa 191 Millionen Hektar. Durch die große zertifizierte Waldfläche sind weltweit ausreichend zertifizierte Rohstoffmengen aus nachhaltigen Quellen verfügbar. PEFC ist seit mehr als 15 Jahren auch maßgeblich für die Fortschritte bei der nachhaltigen Bewirtschaftung der deutschen Wälder verantwortlich. Allein 7,3 Millionen Hektar, also rund 66 Prozent der deutschen Waldfläche, sind nach dem Standard von PEFC zertifiziert. Das bietet dem kritischen Verbraucher den Vorteil, „Holz der kurzen Wege" – also regionale Angebote – beziehen zu können. Heftig diskutiert wird deshalb die aktuelle Tendenz von Naturschützern, Wälder „stillzulegen". Aus Sicht der Kritiker bewirkt es das Gegenteil von Umweltschutz: Das Holz käme per Schiff von der Südhalbkugel, wo vermeintlich nachhaltige Wälder immer öfter monotonen Plantagen ähneln. Hier ist ein kompromissbereiter Dialog gefragt. So entsteht der PEFC-Standard in einem regionalen Aushandlungsprozess zwischen allen am Wald interessierten Akteuren bzw. gesellschaftlichen Gruppen: vom Waldbesitzer bis hin zum Naturschützer. Die Grundlage für die Zertifizierung bilden regionale Waldberichte, die den Vorgaben des Standards folgen. Damit können sich alle heimischen Waldbesitzer zertifizieren lassen. Für den klein strukturierten Waldbesitz in Mitteleuropa ist deshalb aus Sicht von Fachleuten der PEFC Standard praktikabler und weniger aufwändig als FSC.

Das PEFC-Zertifikat findet inzwischen auf allen Kontinenten Anwendung, schließt umstrittene Quellen, d.h. illegalen Holzeinschlag, aus und gewährleistet dies entlang der gesamten Produktkette: vom Rohholz aus dem Wald bis zum fertigen Produkt im Baumarktregal. Die Zertifizierung von Unternehmen der Prozesskette „Holz durch PEFC" konzentriert sich auf den gesamten Warenfluss innerhalb des Unternehmens. Unabhängige Kontrollen sollen sicherstellen, dass die Menge respektive der Anteil des zertifizierten Holzes oder von Vorprodukten im Wareneingang mit derjenigen im Warenausgang übereinstimmt. Der Geschäftsführer von PEFC Deutschland, Dirk Teegelbekkers, meint: „Alle Unternehmen, die sich für PEFC entscheiden, müssen ein geeignetes Warenwirtschaftssystem haben, in dem alle eingehenden und ausgehenden Waren genau erfasst werden. Das klingt sehr genau und das ist es auch. Denn nur so können wir sicherstellen, dass die Verbraucher bei ihrer Produktwahl nicht getäuscht werden und sie tatsächlich und wahrhaftig nachhaltig hergestellte Produkte kaufen. Das PEFC-Siegel zeichnet solche Produkte aus und macht es damit leicht, mit dem Holzkauf etwas für den Umwelt- und Klimaschutz zu tun."

Auf die Herkunft kommt es an
Verwaltungsbehörden, aber auch immer mehr große Unternehmen legen Wert auf eine „Grüne Beschaffung". Sie folgen damit dem „Gemeinsamen Erlass zur Beschaffung von Holzprodukten" der Bundesregierung vom 22.12.2010. In diesem wird gefordert, dass „Holzprodukte, die durch die Bundesverwaltung beschafft werden", nachweislich aus „legaler und nachhaltiger Waldbewirtschaftung stammen" müssen. Damit unterstützen sie den Zertifizierungsgedanken: Für Unternehmen wird es deshalb zunehmend attraktiver, zertifiziertes Holz zu verarbeiten oder zu handeln. Das heißt, die Nachfrage nach zertifiziertem Holz wächst und der Anreiz für Waldeigentümer, ihren Wald zertifizieren zu lassen, nimmt zu.

Eine PEFC- oder FSC-Zertifizierung belegt das verantwortungsvolle Handeln des Unternehmens und wird damit zugleich zu einem Imagewert und Marketinginstrument. Bei der Positionierung am Markt wird die Zertifizierung zu einem Merkmal, das Wettbewerbsvorteile schafft und grünen Produkten den Marktzugang öffnet.

Bauentscheider: Trend forcieren und steuern
Schon 2006 befürwortete knapp die Hälfte der Deutschen in einer Emnid-Umfrage den bevorzugten Einsatz von Holz als Baustoff für kommunale Neubauprojekte. Laut einer neueren Emnid-Umfrage aus dem Jahr 2011 sind inzwischen sogar 93 Prozent der Deutschen der Meinung, dass Industrie, Handwerk und Handel mehr Holz und Holzprodukte aus zertifizierter Herkunft verwenden und anbieten sollten, um so eine nachhaltige Waldbewirtschaftung und den Klimaschutz zu unterstützen.

Nun liegt es vor allem an den Entscheidern im öffentlichen Beschaffungswesen, im industriellen Einkauf und im Bau- und Modernisierungsbereich, Holz aus garantiert nachhaltiger Herkunft den Weg zu ebnen. Damit können sie auch gezielt die ländlichen Regionen stärken, in denen die Forst- und Holzwirtschaft mit rund 1,3 Millionen Beschäftigten eine bedeutende Rolle für den Arbeitsmarkt, die Infrastruktur und das Wohlergehen spielt.

Der Erhalt der weltweiten Wälder durch eine nachhaltige Nutzung ist angesichts des steigenden Holzverbrauchs eine große Aufgabe, die Zertifizierung ist ein wichtiger Schritt, um dieses Ziel zu erreichen. Das neue Londoner Hochhaus hat noch keinen Namen. Aber eines ist schon jetzt sicher: Alle verwendeten 5.000 Kubikmeter Holz des Skyscrapers in der britischen Metropole werden PEFC- oder FSC-zertifi­ziert sein.

Waldverlust in Zahlen
Wind und Wetter trotzend entsteht in West-Finnland das erste Bauprojekt mit PEFC-Projektzertifizierung im nordeuropäischen Raum. Das Holzwohnhaus in Seinäjoki verfügt über 28 Appartements. Foto: © PEFC FinnlandDie Uni Bayreuth gibt die Zahl der Bäume weltweit mit 3,04 Billionen an. 15,3 Milliarden Bäume gehen davon jährlich verloren, was rund 0,5 Prozent des globalen Baumbestandes entspricht. In Fläche ausgedrückt sind es 192.000 Quadratkilometer, die der Wald jährlich abnimmt. Am stärksten betroffen sind nach wie vor die bis zu 53.000 tropischen Baumarten. Damit hat sich die Waldfläche der Erde seit der Neolithischen Revolution – dem Beginn von Ackerbau und Viehzucht – halbiert.

Damit unterliegt der antike Dichter Horaz aus heutiger Sicht einem Trugschluss, als er dichtete: „Magst Du die Natur auch mit der Mistgabel austreiben, sie kehrt dennoch wieder zurück."

Nicht nur in London: Spektakuläre Holzhochhäuser weltweit
Das momentan höchste Holzgebäude Deutschlands ist der von den Münchner SCHANKULA Architekten geplante und 2011 in Bad Aibling errichtete Achtgeschosser H8. Ebenso viele Geschosse weist das höchste Holzgebäude Österreichs auf: der von der Vorarlberger Architekten Hermann Kaufmann ZT GmbH entwickelte und 2012 in Dornbirn errichtete LifeCycle Tower One.

Im norwegischen Bergen wird in diesem Jahr noch ein 14-Geschosser (50 Meter Höhe) fertiggestellt. Das von Artec AC geplante Gebäude ist dann das höchste Holzgebäude der Welt. Nicht mehr lange, denn neben dem Londoner Hochhaus sind weitere Projekte in Planung: In Stockholm wollen die dänischen Berg + C.F. Møller Architects bis 2023 einen 34-Geschosser errichten, in Vancouver der kanadische Architekt Michael Green ein Haus mit 30 Geschossen.

Siehe hierzu auch den Beitrag „Holzbauten wachsen in den Himmel" in forum Ausgabe 4 /2014 und unsere laufende Berichterstattung zum Thema.

Das DGNB-Zertifizierungssystem: Nachhaltigkeitsqualität im Bausektor
Die Grundsystematik zur Bewertung der Nachhaltigkeitsqualität von Gebäuden wurde gemeinsam von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) und dem Bundesbauministerium (BMVBS) im Jahr 2009 entwickelt. Während das BMVBS diese Grundlage passgenau für die Eigenbewertung von Bundesbauten präzisiert hat, entwickelte die DGNB daraus ein vollständiges Zertifizierungssystem für verschiedenste Gebäudenutzungen und Quartiere.

Das Nachhaltigkeitskonzept des DGNB-Systems betrachtet durchgängig alle wesentlichen Aspekte des nachhaltigen Bauens. Diese umfassen die sechs Themenfelder Ökologie, Ökonomie, soziokulturelle und funktionale Aspekte, Technik, Prozesse und Standort. Zertifiziert wird die herausragende Erfüllung von bis zu 40 Nachhaltigkeitskriterien. Die Nutzung von zum Beispiel PEFC-zertifiziertem Holz trägt dazu bei, das Zertifikat zu erhalten. Die DGNB vergibt das DGNB-Zertifikat in Platin, Gold und Silber.
 
Lars Langhans
ist Experte für Nachhaltigkeitskommunikation der KOLLAXO Markt und Medien GmbH in Bonn. Seit nunmehr fünfzehn Jahren berät er Verbände und Unternehmen der Forst- und Holzwirtschaft. Dabei verbindet er Kenntnisse aus dem Geschichts- (Bonn/Berlin) und Marketingstudium (Stuttgart).

Quelle: PEFC Deutschland e. V.

Technik | Green Building, 01.08.2016
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2016 - Zukunft der Arbeit erschienen.
     
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