Unverpackt, Zero Waste & Co.

Kein Müll ist möglich, weniger Müll immerhin ein Anfang

Pro Jahr fallen in Deutschland mehr als 1,3 Millio­nen Tonnen Verpackungskunststoffe an. Etwa 40 Prozent davon werden recycelt. Ein weiterer Teil landet in Müllverbrennungsanlagen oder Kraftwerken. Und was mit dem Rest geschieht, kann man im Film „Plastic Planet" sehen. GUBE20, das Münchner „innovationslabor organic future", ist dem Problem auf den Grund gegangen und hat Abfallexperten und erfolgreiche Abfallvermeider an einen Tisch geholt. Ihr gemeinsames Credo: „Zero Waste" ist möglich, „Less Waste" ist immerhin ein Anfang.

Die taz hat die GUBE20 vor kurzem als „Zusammenbringerin" bezeichnet. Der Name trifft gut, was hinter dem Konzept steckt, das die umweltorientierte Designagentur mërz punkt in der Münchner Gubestraße umgesetzt hat. „Wir wollten einen Experimentalraum für Start-ups, ­Gruppen und Initia­tiven aus der Nachhaltigkeitsszene schaffen", erklärt Initiatorin Martina Merz. „Dass wir diesmal gerade als Verpackungs­designer das brisante Thema „Zero Waste" aufgegriffen haben, ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Wir zeigen immerhin seit 25 Jahren, dass es auch nachhaltige Wege gibt, um Produkte umsatzstark und erfolgreich zu präsentieren." In der GLS Bank hat die GUBE20 einen Partner gefunden, der im Thema bereits mittendrin steckt. Der Naturkostladen Biomichl aus Weilheim beispielsweise gehört zu ihren Kunden und hat innovative Antworten auf die Verpackungsflut gefunden.

„Less Waste" ist überall möglich
 Was in USA längst erfolgreich praktiziert wird, hält nun auch in Deutschland Einzug. Der Verkauf verpackungsfreier Waren. Foto: © Michael SendlMichael Sendl empfängt seine Kunden in der Weilheimer Pütrichstraße auf modern eingerichteten 900 Quadrat­metern. Die Zahl seiner Lieferanten ist groß, die der Kunden ebenso. Und doch hat der Ladner einen Weg gefunden, sie alle ins Boot zu holen, wenn es um effiziente Müllvermeidung geht. Mehr als 50 Prozent des Biomichl-Sortiments wird den Kunden inzwischen unverpackt angeboten: ­Trockenprodukte wie Müsli, Mehl oder Zucker kommen aus praktischen Spendern, die an der Wand montiert sind. Milch und Joghurt gibt es in Pfandflaschen, und Plastiktüten sucht man – mal abgesehen von kompostierbaren Beuteln für Obst und Gemüse – vergeblich. Auf einem Bruchteil der Fläche, aber nicht minder konsequent ist Kathi Zanker das Müllproblem in ihrem Freisinger Naturkostladen Lebenslust angegangen. Lange hat sie dafür nach einer SB-Lösung gesucht, mit der sie ihre Ware ebenso hygienisch wie ansprechend anbieten kann. Dabei hat sie den Markt aus dem Blick des Verbrauchers beurteilt: In welcher Form würde sie selbst ein unverpacktes Produkt kaufen? Was sieht auch ohne Verpackung appetitlich aus – und was eher nicht? Die Wahl fiel schließlich auf ein Spendersystem, aus dem sich seit kurzem jeder selbst bedienen kann. Das hat für reichlich Resonanz in der Öffentlichkeit gesorgt und etliche Neukunden in das kleine Fachgeschäft gebracht.

Tante Emma in moderner Form
In manch anderen Ländern sind solche Lösungen teilweise schon lange gang und gäbe. Für die Kunden von Wholefood Organic in den USA oder vielen französischen Bioläden zum Beispiel ist die Verpackungsfreiheit nur allzu logisch: Schließlich kauft man dort Bio-Produkte nicht nur der eigenen Gesundheit zuliebe, sondern auch als Beitrag für den Umwelt- und Klimaschutz. Wer in Deutschland ähnliche Wege einschlagen will, braucht Kreativität und einen langen Atem. Denn es gilt nicht nur Lieferanten zu finden, die sich auf das „Abenteuer Unverpackt" in logistischer Hinsicht einlassen, sondern man muss auch die hohen Hürden der Hygieneverordnung überwinden. Auch die Angst, ohne Verpackung weniger Erträge zu erwirtschaften, scheint nicht ganz unbegründet zu sein. „Viele unserer Kunden stellen nach einem Verpackungsrelaunch beachtliche Umsatzsteigerungen fest", weiß Martina Merz aus Erfahrung und verweist dabei auf die Verpackungsstudien, die mërz punkt seit Jahren durchführt. Dort zeigt sich eine klare Korrelation zwischen Design und Verkaufszahlen. „Für mich ist es eine spannende Herausforderung, nun über übliche Kauf- und Sehgewohnheiten hinauszudenken", meint die Kommunikationsdesignerin. „Als Designer müssen wir auf einmal neue Wege suchen, um Markenkommunikation am POS (Point of Sale) auch ohne Verpackung zu ermöglichen."

Von Unverpackt zu Zero Waste
Eine Herausforderung für das Produktmarketing ebenso wie für den Handel und den umweltbewussten Konsumenten. Foto: © Kathi ZankerGute Beispiele mögen in Deutschland noch rar sein, doch es gibt sie und es werden immer mehr. Vorreiter der deutschen Bewegung ist Original Unverpackt in Berlin. Die beiden Gründerinnen Milena Glimbovski und Sara Wolf hatten schon die Idee dazu, lange bevor sie ihren eigenen Laden in Kreuzberg aufmachten, und geben ihre Erfahrungen heute in Seminaren weiter. In Kiel folgte 2014 Unverpackt – lose, nachhaltig, gut, im gleichen Jahr eröffnete Katrin Schüler im Münchner Stadtteil Haidhausen ihre Plastikfreie Zone und entdeckte mit der Erfindung des Kochsackerl eine echte Marktlücke. Seit Anfang 2016 setzt in München-Schwabing „Ohne" – der verpackungsfreie Supermarkt – um, was seine Betreiber Hannah Sartin und Carlo Krauß seit langem ausprobieren: müllfrei zu leben und nur das zu konsumieren, was man auch wirklich für den täglichen Bedarf braucht – und zwar in Bio-Qualität und nach Möglichkeit aus der Region. Die Kunden haben dabei die Wahl, eigene Behälter mitzubringen, das ladeneigene Pfandsystem zu nutzen oder entsprechende Lösungen zu kaufen. Wer vorab online bestellt, kann nach Büroschluss alles fix und fertig abholen oder sich die Waren per Lastenradler bequem nach Hause liefern lassen. Wie sich das müllfreie Leben in der Praxis bewährt, wollen auch die beiden Bloggerinnen Constanze Fruth und Sophia Henle ausprobieren. Auf projectzerowaste.com beschreiben sie – ganz ohne erhobenen Zeigefinger – ihre täglichen ­Erfahrungen auf dem Weg von „Less" zu „Zero Waste". Am Anfang steht dabei der gute Vorsatz, das eigene Konsumverhalten zu verändern, dicht gefolgt von der Erkenntnis, in wie vielen Bereichen man damit beginnen kann. Auf den Markt gehen mit dem Einkaufskorb, Putzen mit alten Hausmitteln, eigenes Gemüse ziehen, Kleider tauschen statt Neues kaufen: Das alles sind einfache Schritte, die unterm Strich schon sehr viel Positives bewirken.

www.projectzerowaste.com

Ab in die Gube!
GUBE 20 ///, das „innovationslabor organic future", wurde von der umweltorientierten Designagentur mërz punkt 2014 als Non-Profit-­Projekt initiiert. Der Experimentalraum in München-Moosach wird intensiv von Gruppen, Verbänden und Start-ups genutzt, um innovative Bio- und Nachhaltigkeitsideen voranzubringen. mërz punkt selbst geht seit 25 Jahren neue Wege in Design und Kommuni­kation nachhaltiger Produkte und Projekte.
www.gube20.com

Claudia Mattuschat
schreibt seit 12 Jahren als freie Journalistin über ökologische Land- und Lebensmittelwirtschaft sowie nachhaltige Lebensstile. Ihre Artikel erscheinen u.a. in den Naturland Nachrichten.


Siehe dazu auch unseren Bericht über die PWC Studie „Verpackungsfreie Lebensmittel – Nische oder Trend" in forum 4 / 2015.

Lifestyle | LOHAS & Ethischer Konsum, 01.08.2016
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2016 - Zukunft der Arbeit erschienen.
     
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